Jazzclub Tonne gerettet: Die Zukunft findet am Ursprungsort statt

Dresdens Jazzszene kann aufatmen, schon bald findet sie in der namensgebenden Tonne unterm Kurländer Palais ein neues – ihr altes – Zuhause!

Alles in die Tonne. Foto: Hufner
Jazzclub Tonne hat einen neuen Platz in Dresden gefunden. Foto: Hufner

Kann es ein schöneres Geburtstagsgeschenk geben? Just zum 72. Geburtstag des Jazz-Schlagzeugers Günter Baby Sommer durfte er am Dienstag die Zukunft des Dresdner Jazzclubs Tonne einläuten. Und zwar an genau jenem namensgebenden Ort, an dem vor knapp vierzig Jahren die Geburtsstunde dieses Clubs schlug. An diese Stätte nämlich kehrt der Jazzclub jetzt zurück und wird wieder da heimisch, wo sein Dasein begann. In den Kellerräumen des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Kurländer Palais‘ wurden zwischen 1979 und 1981 zahllose freiwillige Aufbaustunden geleistet, um die erhalten gebliebenen Gewölbe wieder freizulegen und spielfähig zu machen. Unter der schon damals denkmalgeschützten Ruine begann eine beispiellose Jazz-Geschichte, die abrupt endete, als 1997 das Bleiberecht des Tonne-Vereins beendet wurde.

Über eine teure Zwischenstation zogen die Veranstalter 2001 in den inzwischen ebenfalls legendären Tonne-Keller unter dem Kulturrathaus der sächsischen Landeshauptstadt – um dort Anfang Sommer ähnlich plötzlich vor dem Nichts zu stehen. Nachdem es nach heftigen Regenfällen wiederholt Wasserschäden wegen undichter Bausubstanz gab, wurden die Räume dem Jazzclub Tonne e.V. vom städtischen Liegenschaftsamt vorsorglich gekündigt. Das hat den Keller lieber dichtgemacht, als dass es die sandsteinernen Mauern abgedichtet hätte.

Hilfsangebote anderer Konzertstätten gab es sehr rasch und zuhauf, berichtete Geschäftsführer Steffen Wilde nun bei der Bekanntgabe von Dresdens jazziger Zukunft, praktikabel waren davon aber nur wenige. Dass es just diese einstmals angestammten Räume in der historischen Altstadt sind, hat den Verein komplett überrascht. Entsprechend beglückt wurde verkündet, dass zu Wochenbeginn ein langfristiger Mietvertrag mit der Betreibergesellschaft dieser prächtigen Immobilie unterzeichnet werden konnte, dem der Tonne-Verein einstimmig zugestimmt hatte.

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Damit können die wiederholt prämiierten Veranstalter um ihren Künstlerischen Leiter Steffen Wilde künftig in ganz anderen Dimensionen denken und arbeiten. Schließlich fasst die neue Räumlichkeit etwa dreimal so viel Publikum wie der bisherige Keller. „Wir wollten uns zwar ohnehin vergrößern“, erläuterte Steffen Wilde im Hinblick auf den ursprünglich geplanten Umzug ins derzeit im Bau befindliche Kulturkraftwerk. Der aber ist nun vom Tisch: „Dass wir uns nun schon jetzt und ausgerechnet hier vergrößern können, ist eine optimale Lösung, von der wir nicht mal geträumt hätten.“

Die zu Spielzeitbeginn für September geplanten Konzerte müssen zwar dennoch ausfallen, da im neu-alten Kellergewölbe unterm Kurländer Palais noch eine Menge Arbeit zu leisten ist, sollen jedoch möglichst nachgeholt werden. Zunächst muss eine neue Bühne eingebaut, müssen Licht- und Tontechnik installiert werden, auch für die Gastronomie ist noch zu sorgen. Um all das kümmern sich die Mitglieder des Vereins, der nach dem letzten Wassereinbruch an der bisherigen Spielstätte zudem auf der Suche nach einem neuen Flügel ist. Die stets kreativ denkenden Jazz-Leute, denen voraussichtlich schon bald recht heftige Entschädigungsdebatten mit der Stadt Dresden bevorstehen dürften, hoffen auf Unterstützung von Sponsoren und Helfern. Vielleicht hat ja wer einen Flügel und weiß nicht, wohin damit – hier dürfte er freudige Abnehmer finden.

Günter Baby Sommer, Ehrenmitglied des Tonne-Vereins, hat sich natürlich nicht nur wegen seines Geburtstags gefreut, dass er die neuen alten Gewölbe mit einem Solo einweihen konnte. Er ist eng mit der Geschichte des einstigen Kellers verbunden: „Hier habe ich so viele Erinnerungen an tolle Konzerte – mit Peter Kowald, mit dem Zentralquartett … –, das ist fantastisch, dass der Jazzclub nun wieder hier ist!“ Auf seinen internationalen Gastspielen werde Sommer noch heute immer wieder zur Tonne-Geschichte angesprochen: „Neben Semperoper, Zwinger und Meissner Porzellan ist die eben auch ein Aushängeschild dieser Stadt!“; er erinnert sich freilich auch an die beschwerliche Treppe zum Keller. Der Schlagzeuger musste sein ganzes Instrumentarium runter- und nach dem Konzert wieder rauftragen. Und jünger geworden sei er auch nicht, schmunzelt die Jazzlegende. Abhilfe schafft da inzwischen ein Lastenaufzug. Zudem gibt es bequeme Aufenthaltsräume und Garderoben für die Künstler, wie Steffen Wilde bei einem Blick hinter die Kulissen gezeigt hat.

Wesentlich mehr Platz gibt es künftig fürs Publikum, dem eine teils neue Ausrichtung des Konzertangebots geboten werden soll. All das sorgt allerdings auch für gestaffelte Eintrittspreise, verrät der Geschäftsführer. Über die konkrete Gestaltung werde derzeit beraten: „Wir wollen unser bisheriges Publikum natürlich behalten und an diesen tollen Ort mitnehmen, obendrein aber auch möglichst viel neues Publikum hinzugewinnen!“

In der Vergangenheit mussten Besucher mitunter abgewiesen werden, insbesondere bei den Neujahrskonzerten des legendären Zentralquartetts fanden viele Interessenten oft keinen Platz. Doch diese Konzerte sollten – schlicht und einfach aus Altersgründen der Quartettbesetzung – ja ohnehin nicht mehr fortgesetzt werden. Aber was ist schon sicher beim Jazz?

Denn natürlich zählten zur Gratulantenschar bei Baby Sommer auch seine Mitstreiter vom Zentralquartett. „Da habe ich natürlich sofort gefragt, wenn wir schon diese schöne Tonne wiederhaben, ob wir da nicht nochmal ein Neujahrskonzert geben wollen. Alle haben sofort zugestimmt!“

Also gibt es eine Fortsetzung dieser weit über Dresdens Grenzen hinausstrahlenden Reihe der Neujahrskonzerte. Am 1. Januar 2016 wird das Zentralquartett tatsächlich wieder im Jazzclub Tonne unterm Kurländer Palais auftreten.

Der Spielbetrieb beginnt jedoch bereits Mitte Oktober, spätestens dann dürfte das so schick wieder aufgebaute Kurländer Palais zu einem wahren Kulturländer-Palais werden.

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