Echo-Effekt

Über den ECHO Jazz ist schon alles gesagt. Obwohl… mir fällt da schon noch was ein. Haben wir denn ausreichend gewürdigt, dass die Macher des ECHO die allerschlauesten Musikpreismacher der ganzen Galaxis sind? Das fängt ja schon an beim Namen. In Amerika müssen Preisnamen immer erst mal hochtrabend klingen, z.B. Academy Award of Merit, MacArthur Fellows Program oder Chamber Music America’s 2010 Richard J. Bogomolny National Service Award. Bekannt werden die Preise am Ende aber unter so griffigen Rufnamen wie Oscar, Emmy oder Grammy. Also haben sich die ECHO-Leute gesagt: Lieber gleich was Kurzes, zwei Silben, vier Buchstaben, alles andere ist überflüssig.

Und noch etwas lernten sie von Amerika: Dort wird niemals etwas für einen Grammy oder Oscar nominiert, was nicht kommerziell kalkuliert ist. Denn Erfolg gilt in Amerika als Ausweis von künstlerischem Talent: Wer nicht ankommt, dem fehlt das künstlerische Gespür dafür. Dass einem Künstler die Vision wichtiger sein könnte als der Erfolg, ist einfach nicht vorstellbar. Die ECHO-Leute (Pop und Klassik) sagten sich also: Dann brauchen wir ja gar nicht lange zu nominieren, wir nehmen einfach Nummer 1 bis 5 der Jahres-Charts als Kandidaten. So kam es dann zu dem Namen ECHO: Dieser Preis der Industrie ist lediglich ein Echo (Widerhall) der Verkaufs-Statistik der Industrie. Die am meisten kassiert haben, werden zusätzlich mit einer Ehrung belohnt. Dazu passt dann hervorragend der ECHO-Satz: „Denn künstlerische Höchstleistung braucht Freiräume.“

Aber die ECHO-Leute sind noch viel schlauer. Irgendwann entdeckten sie, dass auch Jazz zuweilen kommerziell sein kann, und verkündeten daraufhin die Neu-Einführung eines ECHO Jazz. Offiziell wegen „der musikalischen Entwicklung des Jazz“, aber eigentlich – das ist ihnen dann doch rausgerutscht – wegen „Till Brönner, Nils Wülker oder Roger Cicero“, die den Jazz „einer breiteren Bevölkerungsschicht näher bringen“. Dann jedoch mussten die ECHO-Macher feststellen, dass die Nische Jazz von Kleinlabels mitbeherrscht wird und das ECHO-Prinzip „Nummer 1 bis 5 der Charts“ in der Jazzszene den Ruf des Preises sofort ruinieren würde.

Und da kam dann das Allerschlaueste: „Dann sollen sie eben nominieren“, sagten sich die ECHO-Leute und setzten eine Jury ein mit einer Menge Delegierter der großen und kleinen Jazzlabels. Und da haben die Labelbosse dann geschachert: Ich stimme für deinen Trompeter, wenn du für meinen Pianisten stimmst. Und so weiter. So wurde der ECHO Jazz zum Echo (Widerhall) der Jazzlabel-Wünsche. Und weil weder Till Brönner noch Nils Wülker noch Roger Cicero einen Preis erhielt, musste Brönner wenigstens moderieren. Falls er nächstes Jahr unter den Preisträgern sein sollte, ist Nils Wülker mit der Moderation dran. Die ECHO-Leute wissen schließlich, warum sie diesen neuen ECHO eingeführt haben – wegen „der musikalischen Entwicklung des Jazz“.

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4 Kommentare

  1. ;-)

    Die Welt ist klein. Aber hat nicht Wülker den Musikautorenpreis der GEMA bekommen. Ein paar Silben mehr, ein paar Kröten weniger. Oder war es ein anderer Wülker?

  2. Kein anderer Wülker, lieber Hufi, nur ein anderer Nils!
    Nils Wogram ist Musikautor von GEMAs Gnaden.
    Aber zugegeben, die „Nilse“ im Jazz werden langsam unübersichtlich…

  3. Gratulation für das grandiose Echo auf den Echo („Jazz“ kann man nicht immer sagen…). Könnt Ihr Euch vorstellen, wie mancher sich fühlt in Dresden, nachdem an der hiesigen Hochschule das Baby in den Brönner gefallen ist?

  4. Es soll Künstler geben, bei denen beides passt – kommerzieller Erfolg UND künstlerische Qualität. Und ohne den kommerziellen Erfolg (und der entsteht auch durch öffentliche Aufmerksamkeit wie die beim ECHO) auch kein Geld bei Labels und Veranstaltern, um die ganzen tollen, unbekannten, mutigen, innovativen Künstler zu unterstützen, zu denen es 50 Leute auf die Konzerte und wer weiss wie wenig in die Plattenläden schaffen – und bei denen, trotz aller Begeisterung – alle Beteiligten mehr Geld verlieren, als verdienen.

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