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            Jazzzeitung
               2011/05  ::: seite 16
              rezensionen
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       Trombone Shorty 
        For True 
      Universal 06025 2769379 
        Das erste Album „Backatown“ von Trombone Shorty war schon
        eine Sensation. Sein neuester Streich „For True“ kann nicht
        nur locker mithalten, ohne bereits Gehörtes erneut aufzuwärmen,
        sondern ist auch musikalisch wieder ein absoluter Knaller. Der 25-jährige
        Trombone Shorty präsentiert einen eigenen, unverwechselbar knackigen
        Sound. Unglaublich, wie lässig er daherkommt und sich nicht um Konventionen
        schert. Während „Backatown“ in erster Linie mit seiner
        Band Orleans Avenue entstand, ist „For True“ nun zusätzlich
        vom Spirit seiner Gäste geprägt. Ob mit der Rebirth Brass Band,
        dem Rapper 5th Ward Weebie, der sagenhaften, aus New Orleans stammenden
        Sängerin Ledisi, Jeff Beck, Kid Rock, Lenny Kravitz oder gemeinsam
        mit Cyril & Ivan Neville, den Ton gibt der Meister an; seine Band
        und die Gäste folgen! Das Fundament dieser erfrischenden Mischung
        ist nach wie vor New-Orleans-Jazz, gewürzt mit Soul- und Funk-Ingredienzien,
        mit Hip-Hop-Beats unterlegt oder gespickt mit treibenden Rockriffs. Alles
        in einen Topf geworfen, kräftig umgerührt und schon entsteht
        daraus dieser großartige Sound. Die Weiterentwicklung zu „Backatown“ ist
        verblüffend, was zum einen am homogenen Spiel der Band liegt, vierzehn
        fantastischen, neuen Songs und nicht zuletzt an der Beteiligung der großartigen
        Gäste. Wenn Trombone Shorty mit seiner Orleans Avenue im Dezember
        endlich wieder auf Tour ist, sollte man sich diesen Gig nicht entgehen
        lassen. Leider sind als Höchstbewertung für ein Album nur fünf
        Sterne möglich, leider! 
        Thomas J. Krebs 
      Marc Copland/John Abercrombie 
        speak to me 
      Pirouet PIT3058 
        Welch glückliche Verbindung: Seit den frühen
          70ern kennen sie sich, spielten bereits 1972 in Chico Hamiltons Band
          zusammen, Marc Copland
        damals noch unter seinem Geburtsnamen Marc Cohen 
        auf dem elektrifizierten Altsaxophon. Nach Coplands Hinwendung zum Klavier
        immerhin zehn Jahre studierte er das neue Instrument im Stillen, bevor
        er 1985 seine zweite Karriere startete kam es immer wieder zur Zusammenarbeit
        mit John Abercrombie, live und auf CD, nicht zuletzt auch bei Pirouet
        im Quartett mit Drew Gress und Billy Hart sowie zuletzt im Quintett mit
        den Genannten und Dave Liebman. Nie jedoch ergab sich die Gelegenheit
        zum Duo. Oder musste die Zeit erst reif werden? Zu beider Persönlichkeit
        würde eine solche Erklärung passen.  
        Beide sind sie charakterstarke, eigenwillige, kompromisslose Sucher nach
        dem idealen Ausdruck, der unmittelbar passenden Farbe, Anhänger
        der stets changierenden, überaus sorgsamen Neuannäherung an
        das kaum Fassbare. Im Duo nun spinnen sich die Fäden so unaufgeregt
        und ruhig hin und her, dass die kommunikative Dichte erst nach und nach
        bewusst wird in ihrer im besten Sinne spannungsreichen, komplementären
        Intensität. Keiner von beiden hat es nötig, aufzutrumpfen,
        nichts Lautes, Plakatives, Hektisches wird hier präsentiert. Kein
        Ton zuviel! Die Aufnahmen strahlen bei allem musikalischen Abenteuer,
        das sie im Detail enthalten, eine nachgerade wunderbare Herzensruhe aus
        auf der gemeinsam unternommenen Reise vom Schweigen zum Klang. 
        Tobias Böcker 
      Max Merseny 
  Thank Y’All 
      enja TIP-888 851 2 
        Vielen Dank an alle. Das Stück mit dem gleichnamigen Titel wie sein
        Debütalbum setzte Max Merseny an das Ende der Tracklist. Vielleicht
        war das sogar eine gute Entscheidung, denn mit dreizehn Minuten dreißig
        (einschließlich eines Hiddentracks) ist es recht lang. Vom rauen
        Hip-Hop und vom sexy Soul heutiger Prägung ist die Musik weit entfernt.  
        Ja, eigentlich ist sie phasenweise sogar ziemlich altmodisch: Da ergießen
        sich sinnfreie Vokalisen über den Hörer (Agi“), da lässt
        die legendäre Hammond B3 ihre Muskeln spielen, und über allem
        dreht das Altsaxophon des Bandleaders Merseny seine Runden. Schwungvoll
        und messerscharf setzt Merseny jedoch in fast jedem Song moderne Akzente,
        von wiedergefundenen Funkgitarrenriffs bis zu treibenden Schlagzeugfiguren.  
        Neben Gästen wie Tony Lakatos, Eva Ahoulou oder Patrick Scales zählen
        Pianist/Keyboarder Matthias Bublath, Gitarrist Ferdinand Kirner, Bassist
        Igor Kljujic und Drummer Christoph Holzhauser zur Stammbesetzung.  
        Bestechend das glasklare Gitarrenspiel Kirners im Verbund mit der sehr
        nostalgisch klingenden Hammond B3 von Bublath, die dem prächtigen
        Altsaxophon immer aufs Neue bespielbaren Boden vorbereiten. Auch ein
        superber Blues wie in „Soul Serenade“ steht auf dem Speiseplan
        dieser technisch brillanten Band, die manchmal etwas zu perfekt agiert,
        und auf die der Ausspruch des bildenden Künstlers Nam June Paik
        zutreffen könnte: „Wenn zu perfekt, liebe Gott böse!“.  
        Klaus Hübner 
      Archie Shepp/Joachim Kühn 
        Wo!Man 
      Archieball/Harmonia Mundi 
        Wenn „two musical powerhouses“ aufeinandertreffen, wie es
        in den liner notes dieser exzellenten CD heißt, ist Spannung garantiert.
        Doch wer bei Archie Shepp und Joachim Kühn, die erstmals im Duo
        spielen, nachdem sie bereits 1967 im Quartett gemeinsame Aufnahmen machten,
        Himmelstürmendes erwartet hatte, sieht sich getäuscht. Die
        explosive Kraft dieses Albums allerdings entspringt innersten Tiefen,
        entfaltet sich erst allmählich. Der Saxophonist spielt nicht unbedingt
        sein gesamtes Potential aus, doch entwickelt er seinen Sound unverkennbar
        und unvermittelt aus dem Augenblick heraus. Ein harter, knarziger Ton,
        krächzend mitunter, von explosiver Kraft, „dann wieder mit
        viel Luft hinausgeschwungen wie ein Gruß an Ben Webster“ (Kunzler-Lexikon).
        Aus der Tradition heraus formen Shepp und der mit feinfühliger Zurückhaltung
        glänzende Kühn Stücke wie den Ornette-Coleman-Klassiker „Lonely
        Woman“ und den Ellington-Titel „Sophisticated Lady“ neu.
        Während in „Harlem Nocturne“ Rhythm´n´Blues
        zu Ehren kommt, ist es auf „Sketch“ und „Segue“ die
        freie Improvisation. Deutlich wird, dass sich die beiden einstigen Free-Exponenten
        in blindem Verständnis füreinander zugetan sind und mit traumwandlerischer
        Sicherheit die Improvisationsbälle zuschmeißen. So oft bluesige,
        schwebende Melodien unisono vorgetragen werden, so oft werden harmonische
        Grenzen gesprengt. Kühns fließende Piano-Melodik, die nie
        in lyrischen Ornamenten ausharrt, beharrt ebenso auf eigenwilliger Traditionspflege
        wie Archie Shepps Schreie und Growls. 
        Reiner Kobe 
      Rudresh Mahanthappa 
        Samdhi 
      ACT 9513 – 2 
        Nun ist auch Saxophonist Rudresh Mahanthappa
          bei ACT gelandet und legt mit „Samdhi“ sein beeindruckendes Debutalbum vor. Seit er
        2008 mit seinem Dakshina Ensemble für Furore sorgte, entwickelte
        er sich kontinuierlich vom Shooting Star zu einer etablierten Größe
        der Jazzszene. Seine Zusammenarbeit im Duo mit Vijay Iyer fand ebenfalls
        große Beachtung, und mit Bunky Green mischte er zuletzt die Szene
        auf. Was Mahanthappa und seine Spielweise auszeichnet, ist eine immerwährende
        Suche nach neuen Horizonten und tiefgründigen Sounds. Abseits ausgetretener
        Pfade stellte er für „Samdhi“ eine interessante Band
        zusammen, bestehend aus dem versierten New Yorker Gitarristen David Gilmore,
        Rich Brown am Bass, dem vielversprechenden jungen Drummer Damion Reid
        und „Anand“ Anantha Krishnan an der Mridangam, dessen westlich
        wie östlich geprägte Perkussion praktisch „die Brücke
        ist, über die wir auf Samdhi gehen“. Samdhi, die Dämmerung,
        eine ganz besondere Stimmung oder auch Zustand zwischen Tag und Nacht,
        den jeder anders empfindet, sich aber niemand entziehen kann. So ist
        die Musik zu Anfang noch harmonisch, fast eingängig, während
        sich schleichend jazzige Elemente mit indischen Motiven verbinden, Mahanthappa
        mit seinem eigenen Saxophonsound Raga und Blues kombiniert und trotz
        allem einem avantgardistischen Ansatz treu bleibt.  
        Thomas J. Krebs 
      Susi Hyldgaard  
        DANSK 
      Enja/yellowbird 2011 
        Diese subtile Singer-Songwriterin ist wieder
          an ihren Wurzeln dran und braucht für ihr aktuelles Album außer Bassist Jannik Jensen
        und Schlagzeugerin Benita Haastrup nur sich selbst – und das auf
        Piano, Keyboards, Ukulele, Gitarre und Akkordeon! Und natürlich
        ist da ihre unvergleichliche Stimme, dieses kraftvolle, warme Organ,
        das wohl gar nichts anderes kann, als in jedem Moment maximale emotionale
        Tiefe zu verbreiten. Ach ja – und ihre Töchter Emma Scheuer
        Hyldgaard und Freja Emilie Hyldgaard hat sie als blutjunge Gastsängerinnen
        auch mal mit ins Boot geholt. Sie hat auf ihrem neuesten, schlichtweg
        DANSK betitelten Album alle Fäden in der Hand. Und bleibt sich selbst
        doch in jedem Moment nah genug, dass sie sich über alle stilistischen
        Umwege und Kontraste hinweg mit entwaffnender Ehrlichkeit selbst auszudrücken
        kann. Treffsicher geht also die Reise auf „DANSK“ ins Intime,
        Persönliche und manchmal Skurrille hinein. Das hat auch durchaus
        mal etwas Selbstentblößendes, wenn sie etwa ihr Geburtserlebnis
        aus der Nähe beschreibt. Musikalisch geht es ebenso mehrsprachig
        zu: mal eben einen erdigen Blues dahinwerfen, dann wieder mit einem loungigen
        Bossa-Nova-Triphop für Kuscheligkeit sorgen. Um gleich darauf mit
        gut dosierter Doppelbödigkeit wieder aus sowas auszubrechen – all
        dies steht bei Susi Hyldgaard in jeder Sekunde im Dienste ihres selbstbewussten
        Songwriting-Potenzials.  
        Stefan Pieper 
      Manfred Bründl Silent Bass 
        Tip Of The Tongue 
      Laika 3510270.2 
        Mit großen Namen ist gemeinhin wohlfeil handeln. Schon mit den
        ersten Takten jedoch verbietet sich jeglicher Verdacht: Zu ernsthaft
        geht der in Weimar lebende und lehrende Bassist Manfred Bründl seine
        Beschäftigung mit dem Vermächtnis Peter Trunks an. Detailliert
        wird das Erbe des Bass-Großmeisters der späten 50er-, 60er-
        und frühen 70er-Jahre musikalisch aufgearbeitet. Nach einem tödlichen
        Autounfall geriet Trunk, den Michael Naura seinerzeit in einem Atemzug
        mit Jimmy Blanton, Ray Brown und Scott LaFaro nannte, weitgehend in Vergessenheit.
        Zu Unrecht, wie sich in der Hommage Bründls herausstellt. Die Rolle
        des Bassisten besteht dabei nicht in erster Linie in solistischer Profilierung,
        sondern zeichnet sich aus durch integrative Kraft, Substanz und Energie.
        Rainer Böhm, p, Jonas Burgwinkel, dr, und Hugo Read, as, begleiten
        Bründl auf seiner Spurensuche, die – ganz im Sinne des immer
        wachen Geistes des Geehrten – das Erbe nicht allein hebt und zu
        verwalten sucht, sondern sehr bewusst ins heute überträgt.
        Fragmente, Themen und Improvisationen Peter Trunks lassen in Bründls
        Kompositionen aus einer reichen Palette an Farben beeindruckend lebendige
        Bilder entstehen. Dass die CD Trunks 2008 verstorbener Frau, der Sängerin
        Stella Banks, gewidmet ist, die mit dem frühen Tod ihres Mannes
        die eigene Lebensbasis zusehends verlor, macht die Hommage umso ehrenwerter.  
        Tobias Böcker 
      Fattigfolket 
        Park 
      Ozella Music OZ 038 / Distr. Galileo 
        Die Idee, Parks zum Dreh- und Angelpunkt
          eines ganzen Albums zu machen, mag im ersten Moment irritieren: Parks,
          was gibt’s denn da groß zu
        hören: Blätter rascheln, Bäume rauschen, Hundegebell,
        Teenie-Gegacker, quietschende Kinderwagenräder und Vogelgezwitscher?
        Derart unmittelbar aber verstehen die vier jungen Männer des norwegisch-schwedischen
        Quartetts „Fattigfolket“ ihre Musik natürlich keinesfalls.
        Die Umsetzung von Eindrücken, die die Musiker in fremden Städten
        quer durch Europa gewonnen haben, versteht sich (hör-)bildhaft,
        persönlich – und eigenwillig. Für „Fattigfolket“ sind
        Parks lebensnotwendige Fluchtorte. Während Konzertreisen nutzte
        das Quartett jede freie Minute, um vom Berliner Grunewald bis zum Hesperidespark
        in Valencia die Batterien wieder aufzuladen. Im Studio entstanden daraus
        inspirierende Ideen, die ihrerseits Kompositionen und Improvisationen
        auslösten. Die haben’s in sich – ungewöhnliche
        Arrangements in einer spannenden Besetzung mit zwei Bläsern (sax/cl,
        tp), Bass und Schlagzeug. Rhythmisch komplexe Grooves, über die
        Stimmungen hinweggleiten, vorbeiziehen, oft über einfache melodische
        Linien tänzelnd, wobei sich Blech und Holz subtil und konkurrenzfrei
        cool in der Führung und eindrucksvollen Begleitung abwechseln. „Parks“ wirkt
        oft wie ein akustisches Vergrößerungsglas, das Fundstücke
        hervorhebt, an welchen man meist achtlos vorübergeht.(Portrait
        auf S. 6!) 
        Michael Scheiner 
      Le Grand Uff Zaque 
„Cliché“ 
      Reposit / Radar 
        „Le Grand Uff Zaque“ – der Name dieser Band dürfte
        ein Omen ein. Erstens weist die aus Karlsruhe stammende Truppe so auf
        ihren
        geradezu französischen Charme hin. Zweitens zeigt das lautmalerisch
        schmissige „Uff Zaque“ an, dass hier rhythmisch die Post
        abgeht. „Le Grand Uff Zaque“ – das sind vier sich instrumental
        verausgabende Herren, der Rapper Sebastian Moser und die Soul-Sängerin
        Laura Oyewale – angeblich eine afrikanische Prinzessin. Live bringt
        das Sextett schon lange die Säle zum Kochen; nun lässt es auf
        dem Debütalbum „Cliché“ die kreative Sau raus.
        Puristen dürfen um die Platte einen Bogen machen. Uff Zaque verjüngen
        den Jazz, indem sie ihn mit aktueller Clubmusik vermischen. Die bunte,
        den Musikern zufolge „megafette“ Collage vereint unter anderem
        HipHop und Klassik, Soul und Walzer, Drum’n’Bass, Elektro
        sowie die witzig übersprudelnden Freestyle-Raps von Sebastian Moser.
        Eine höchst vielfältige, stets in die Beine fahrende Mischung.
        Mal wird das Rondo aus Beethovens „Pathétique“ rhythmisch
        zerfetzt, mal mit der elektronisch mäandrierenden Trilogie „Waldbruch“ die
        romantische Tradition aufs Korn genommen. Schließlich erkunden
        Uff Zaque mit sperrigen Melodien a là Thelonious Monk das Genre
        Jazz’n‘Bass. Eine zeitgemäße Fusion-Musik, die
        einerseits clubtauglich ist, andererseits aber hintergründig, vorurteilsfrei
        und solide erschrammelt daher -
        kommt.  
        Antje Rößler 
      Ed Partyka Jazz Orchestra  
        feat. Efrat Alony: Songs Of Love Lost 
      Mons Records MS 874510 
        Das Ganze ist mehr als die Summe seiner
          Teile, gerade wenn auf jede Einzelstimme größter Wert gelegt wird. So könnte ein Motto für
        Big Bands lauten seit den Tagen Fletcher Hendersons. Ed Partyka, Bassposaunist,
        Tubist, Arrangeur und Komponist, stammt aus Chicago, übersiedelte
        vor über zwanzig Jahren nach Deutschland und ist seit 2006 Professor
        für Jazz-Theorie, -Komposition und -Arrangement an der Kunst-Uni
        Graz. Etliche Big Bands hat er durch sein Mitwirken bereichert und mit
        Kompositionen versorgt, unter anderem das Vienna Art Orchestra, das Bob
        Brookmeyer New Art Orchestra, die WDR Big Band, die NDR Big Band, die
        Rainer Tempel Big Band und das Nürnberger Sunday Night Orchestra.
        Für die „Songs Of Love Lost“ hat er sich mit Musikern
        aus Deutschland, Österreich, Holland und – mit der seelenverwandt
        melancholischen Sängerin Efrat Alony – auch aus Israel zusammengetan
        um die Vision eines so geschichtsbewussten wie zeitgemäß modernen
        Sounds Wirklichkeit werden zu lassen: „Wir müssen nach vorne
        schauen und zur Seite und nicht zurück. Ich versuche ,Orte’ zu
        finden, wo eine Big Band noch nie zuvor war.“ Die komplexen Kompositionen
        und grenzüberschreitenden Arrangements erschließen, verbunden
        mit beeindruckenden Soli, unter anderem von Silke Eberhard, cl, bcl,
        as, Petra Krumphuber, tb, Mark Wyand, cl, ts, Jörg Engels, tp, ein
        vielfältiges, kraftvoll forderndes, zugleich nachgerade romantisches
        Klangerlebnis, emotional, sublim und überaus farbenreich. 
        Tobias Böcker 
      Wolfgang Lackerschmid 
        Common Language Common Sense 
      hipjazz 005 
        Augsburg ist eine sehr alte Stadt, ihre
          Existenz beginnt manchen Quellen zufolge 15 v.Chr., als die Römer im heutigen Stadtteil Oberhausen
        ein Legionslager errichteten. Sie ist eine der ältesten Städte
        Deutschland, seit 1650 feiern die Augsburger jährlich das „Hohe
        Friedensfest“, mit dem das Ende der Unterdrückung im Dreißigjährigen
        Krieg gefeiert wurde. Auf dieser Basis stellt der Augsburger Vibraphonist
        Wolfgang Lackerschmid seit 2009 jährlich das Ensemble „Common
        Language Common Sense“ neu zusammen und arbeitet damit nicht nur
        für den Frieden, sondern würdigt auch die Religionen der Welt.
        Denn der „Augsburger Religionsfrieden“ von 1555 ist als Manifest
        für die Gleichberechtigung aller Religionen zu sehen. Frieden und
        Freiheit – zwei Pfeiler der Jazzmusik – schreibt Wolfgang
        Lackerschmid auf die Fahne seiner neuen Produktion, deren sieben Titel
        sich der Dominanz des Krieges in unserer Zeit entgegen stemmt. Dass Lackerschmid
        sich gegen (Religions)Kriege widersetzt, die in diesen Tagen das Leben
        der Menschen weltweit beeinflusst, zeigt sich in der Besetzung des Ensembles
        mit Musikern unterschiedlicher Nationalitäten und Religionen. Bemerkenswert,
        wie harmonisch die unterschiedlichen Religionen angehörenden Bandmitglieder
        (Protestant, orthodoxer Christ, Mohammedaner oder Buddhist) sich auf
        eine gemeinsame „Religion“ verständigen. Friedvolle
        Freiheit offenbart sich hier in Klangexperimenten, freien Improvisationen
        und dem perfekten Zusammenspiel freier Individualisten. 
        Klaus Hübner 
      radio.string.quartet.vienna 
        radiodream 
      ACT Music ACT 9512-2 
        Sie scheinen wollüstig und sanft zu sein, dann wieder tieftraurig
        und bitterernst, die „Radioträume“ des radio.string.quartet.vienna.
        Manchmal klingen ihre Phantasmorgien wie ein mittelschwerer Albtraum
        oder wie der fiktive Soundtrack für den spannendsten denkbaren Fernsehkrimi
        (natürlich in schwarz-weiß). Mal glauben wir, ein scheuendes
        Pferd zu hören, das droht, in einen tiefen Abgrund zu stürzen,
        dann wieder drängt sich das zerzauste Klangbild einer strurmdurchtosten
        Nacht auf. Wie auch immer, die „radiodreams“ sprechen eine
        düstere, aber nie dumpfe, sondern eher pittoreske, an vergangene
        Zeiten erinnernde Sprache. Selten gewinnt so etwas wie romantisches Gefühl
        die Oberhand, wagt der Traum so deutlich zur Lovestory zu werden, wie
        es dann doch beim letzten Stück, „Extraction/I loves you,
        Porgy“, geschieht: Wie ein ansprechender Film verlangt auch ein
        Traum ein Happy End. In „radiodream“ ist alles drin, ist
        alles verwoben. Die Musik dringt unter die Haut, bis ins Mark, bis ins
        Herz; das Rohmaterial liegt – typisch radio.string.quartet.vienna – jenseits
        des Gewohnten, Eingefahrenen, Bekannten. Dabei ist es ein sehr filigraner
        Grund, der hier von zwei Violinen, einer Viola und einem Cello skizziert
        wird. Hin und wieder leuchtet ein Gesangsfragment von Bernie Mallinger
        auf und kippt die Perspektive erneut: Einem Mäander gleich dreht
        sich die Musik, zum Strudel werdend abwärts. Ob die Träume
        der Menschen auch so aufregend sind? Wir wollen es nicht hoffen – diese
        CD aber darf es sein. 
        Carina Prange  
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