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Jazzzeitung

2011/05 ::: seite 8

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Inhalt 2011/05

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Jazzlexikon: Michel Petrucciani no chaser: Feuilleton!

TITEL - Musik am Rand?
Zum 12. Darmstädter Jazzforum

DOSSIER - The Best Die Young
Ungelebte Lebensläufe · Von Hans-Jürgen Schaal

Berichte
Leipziger Jazztage // „Jazz auf Reisen“-Jubiläum mit Dusko Goykovich im Neuburger Birdland // Jazzfestival Saalfelden 2011 // Jazz Festival Viersen 2011 // Willisau Jazz Festival 2011

Portraits
Eddie „Lockjaw“ Davis // Pianist Stefano Battaglia // Quartett Fattigfolket // Sängerin Yara Linss // Nürnbergs Jazz-Szene // Matthias Winckelmann // Walter Bittners Zakedy Music

Jazz heute und Education
Die neue Hochschule für Kunst, Design und Populäre Musik in Freiburg // Der BMW Welt Jazz Award im dritten Jahr // Unter der Lupe: das Bayerische Jazzinstitut in Regensburg // Abgehört: Im Zick-Zack aus der Stadt
John Scofields Solo über „Out Of The City“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

 

Mehr als Brazil-Jazz

Die Nürnberger Sängerin Yara Linss begeistert mit ihrem Lyrik-Projekt „Poems“

Was die jungen Geigerinnen in der klassischen Musik sind, sind im Jazz die jungen Sängerinnen. Jedes neue Gesicht erzeugt erst einmal skeptische Neugier. Bei der Deutsch-Brasilianerin Yara Linss weicht die Skepsis jedoch rasch der Begeisterung, denn sie ist eine Klasse für sich: Sie kann in drei Sprachen und einem weiten stilistischen Spektrum singen, schreibt gute Melodien und entwickelt originelle Konzepte. Auf ein Vorbild oder eine Rolle festlegen lässt sie sich nicht. Ihr glockenheller Sopran kann mädchenhaft-zerbrechlich, unwiderstehlich-leidenschaftlich oder auch energisch-expressiv klingen. In ihrem Repertoire sind durchkomponierte und exquisit arrangierte Kunstlieder ebenso zu finden wie kraftvoller Jazz, melancholische Chansons und zeitgenössischer Bossa Nova. Die Musik von Yara Linss mit dem Etikett „Brazil-Jazz“ zu versehen, greift zwar viel zu kurz, doch Brasilien hat für sie eine zentrale Bedeutung.

Yara Linss. Foto: Lena Semmelroggen

Bild vergrößernYara Linss. Foto: Lena Semmelroggen

Geboren wurde Yara Linss, die Tochter einer Brasilianerin und eines Deutschen, 1980 in São Paolo. Als sie vier Jahre alt war, zogen die Eltern nach Deutschland. Yara wuchs in Ulm auf, nahm dort Geigenunterricht, sang bei den Ulmer Spatzen, einem Kinder- und Jugendchor, und sammelte erste Orchestererfahrungen. Das Sprungbrett zur Profimusikerin war die Dinkelsbühler Berufsfachschule für Musik. „Obwohl ich die klassische Musik sehr liebe, wurde ich weder mit Opernarien noch mit dem Liedgesang glücklich“, erinnert sie sich. Die „Befreiung der Stimme“ brachte die Musik, die ihre Mutter schon immer im Plattenschrank hatte: der Bossa Nova, die Eleganz und Leichtigkeit der Songs von Elis Regina oder Astrud Gilberto, die nun zu ihren Vorbildern wurden. „Bei diesen Liedern musste ich mich endlich nicht mehr verbiegen, sondern konnte meinen eigenen Weg finden“, sagt Linss.

2003 begann sie mit dem Jazz-Studium in Maastricht und wechselte nach einem Jahr an die Nürnberger Musikhochschule, in der so exzellente Musiker wie Steffen Schorn oder Paolo Morello zu ihren Lehrern zählten. Hier wurde ihr klar, dass „Musik keine stilistischen Grenzen haben, sondern sich in Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten Musikrichtungen frei entwickeln soll“. Sie begann zu komponieren und machte in der Jazzszene der Frankenmetropole rasch auf sich aufmerksam. 2006 veröffentlichte sie ihre erste CD „Yara Linns & Band“, und ein Jahr später kam ein Konzert, das für sie den „Durchbruch“ bedeutete: Beim Stimmenfang-Festival in Nürnberg war der Stargast, die Portugiesin Maria João erkrankt, Linns sprang ein und wurde vom Publikum begeistert gefeiert. Auch die öffentliche Anerkennung ließ nicht lange auf sich warten: 2008 erhielt die junge Sängerin für die „frei schwebende Songpoesie zwischen Bossa Nova und improvisiertem Vocal Jazz“ das Kulturstipendium der Stadt Nürnberg, 2009 gewann sie den Bruno-Rother-Wettbewerb der Musikhochschule Nürnberg sowie den bayerischen Part des Weltmusik-Awards „Creole“.

Zu neuen musikalischen Ufern brach Yara Linns kurz darauf mit ihrem Projekt „Poems“, der Vertonung von Gedichten, auf. Mit von der Partie waren der exzellente Pianist Peter Fulda, Andreas Blüml an der Gitarre, Alex Bayer am Bass, Werner Treiber am Schlagzeug und der Saxophonist Joachim Leonhardt. Aus 30 Lyrikbänden hatte sie Gedichte ausgewählt, die sie besonders berührten. Der Bogen spannt sich von Heinrich Heine über Else Lasker-Schüler, „eine meiner Lieblingsdichterinnen“, bis zu James Joyce, Dorothy Parker sowie zeitgenössischen brasilianischen Poeten. Sie vertonte jedoch nicht Wort für Wort, sondern setzte den Tonfall und die Stimmung der Gedichte in Musik um, mit immer neuen Wendungen, Farben und Schattierungen. „Die Lyrik und die Komposition sollten in meinen Songs eine Einheit und ein klangliches Gesamtbild“ bilden, resümiert Linss.

Die Presse war voll des Lobes über dieses Projekt, dessen Realisierung über ein Jahr dauerte. „Eine variable, klangfarbenprächtige Musik, voller vielschichtiger Harmonien und überraschender Rhythmuswechsel, die weit mehr sein will als nur Hintergrundtapete für die schönen Worte“, urteilten die Nürnberger Nachrichten. Beate Sampson vom Bayerischen Rundfunk hob hervor, dass die Sängerin „mit ihrer Musik den Moment so fassen möchte, wie er nie wieder sein wird“. Und der „Plärrer“ konstatierte kurz und bündig: „Yara Linss – eine Ausnahmeerscheinung.“
Noch ist Linss vor allem um Nürnberg herum zu hören, doch Gigs in Braunschweig, Leipzig, Freiburg, oder nächstes Jahr bei der renommierten Konzertreihe des Kallmann-Museums in Ismaning bei München zeigen, dass sie auch überregional wahrgenommen wird. In Franken und Brasilien wird sie freilich auch in Zukunft verwurzelt bleiben. Sie engagiert sich in dem von Peter Fulda gegründeten Verein „Metropolmusik.de“, der es sich zum Ziel setzt, über alle stilistischen Grenzen hinweg den „kreativen Musikschaffenden ein gemeinsames Forum zu bieten, und so möglichst große Aufmerksamkeit auf dieses charakteristische regionale Potential zu lenken“. Zum anderen ist sie vermehrt in Brasilien unterwegs, arbeitet mit Musikern dieses Landes eng zusammen und möchte sie auch nach Deutschland holen.

Im Frühjahr des kommenden Jahres wird Yara Linss ihre Vielseitigkeit mit einem weiteren interessanten Projekt im Spannungsfeld von Jazz, Neuer Musik und Dichtung unter Beweis stellen: In der Kammeroper „Der starke Wanja“ von Peter Fulda und Horst Hawemann hat sie die Rolle der Zarentochter übernommen. Vielleicht nimmt ihre musikalische Entwicklung damit eine ganz neue Wendung. Es lohnt also, Yara Linns weiter im Blick zu behalten.

Werner Kraus

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