50 Jahre auf der Bühne, das muss ihr erst einmal jemand nachmachen. Die Sängerin und Schauspielerin Jenny Evans ist ein Phänomen und auch mit über 70 munter auf den Jazz-Bühnen unterwegs. Anlässlich ihres Jubiläums haben wir mit ihr gesprochen.
Wie bist du zum Jazz gekommen?
Mein Vater hatte Frank Sinatra-LPs und auch das wunderbare Album „Ella in Berlin“. Da habe ich zum ersten Mal Scatgesang gehört. Als 13-Jährige hörte ich aber die Alte Musik und während Gleichaltrige Fans von Bubble.Gum Music waren, war ich fasziniert vom „Early Music Consort Of London“! Als ich nach München kam, war ich im Universitätschor und Münchner Motettenchor. Mein damaliger Freund war aber Amateur-Kontrabassist bei einer Dixieland-Band, und er fragte, ob ich nicht in seiner Band einsteigen könnte. Ich kannte eh alle Songs. Bald habe ich aber erkannt, dass Jazz für mich etwas anders bedeutete und gründete meine eigene Band. Die ging ab wie eine Rakete. In den 1970ern gab es überall Musik-Kneipen, und wir haben fünfmal die Woche gespielt. Dann wurde ich eingeladen, mit dem alten Drummer Freddie Brocksieper zu singen. In seiner Band habe ich angefangen, sogenannten Head Arrangements zu singen, also spontane, musikalischen Arrangements auf der Bühne zu kreieren. Ich konnte mit seiner Band und mit Pianisten wie Hans van der Sys, Rio Gregory und Otto Weiß mein Repertoire sehr erweitern. Sie konnten alle Songs in meine Tonart transponieren. Jazz gab mir die Möglichkeit, einen Song nach meiner Art zu interpretieren. Das Lied wurde quasi meins.
Was bedeutet das Jubiläum für dich?
Die Erkenntnis, dass ich seit 50 Jahren das machen kann, was ich liebe, ist ein wunderbares Gefühl. In meiner Dankesrede für den Schwabinger Kunstpreis 2016 habe ich meinen Eltern dafür gedankt, dass sie mir ein starkes Rückgrat gegeben haben. Ich bin immer zu meinen Überzeugungen gestanden und konnte in allem, was ich beruflich tat, authentisch sein. Dann habe ich mich bei den Musikern bedankt, die mir mit ihrem Können erst die Möglichkeit gegeben haben, mich zu entfalten. Ich habe viel von ihnen gelernt. Bei meinen Konzerten lerne ich Fans kennen, die mich als Studenten gesehen haben. Es erfüllt mich mit einem gewissen Stolz, dass ich über die Jahre mit meinem Gesang so viele Menschen berührt habe.
Was waren Highlights und Tiefpunkte in deiner Karriere?
Früher habe ich sehr, sehr viele Auftritte gehabt, und ich habe festgestellt, dass das Gefühl, dass alles – das Zusammenspiel auf der Bühne, die Atmosphäre am Auftrittsort – absolut stimmig ist, verhältnismäßig selten vorkommt. Aber in diesem Fall ist alles musikalisch möglich.
In den ersten 20 Jahren meiner Karriere habe ich außer Eigenkompositionen von mir und meinen Musikern hauptsächlich amerikanischen Standards gesungen. Aber ich bin keine Amerikanerin! Ich liebe auch sogenannte klassische Musik vom Frühbarock bis zur zeitgenössischen E-Musik. Auf meiner 2004 aufgenommenen CD „Nuages“ habe ich nur europäischen Komponisten von Jazz bis Klassik interpretiert. Es hat mich sehr berührt, dass diese CD den Preis der Deutschen Schallplattenkritik bekam. Es war für mich die Bestätigung, dass ich Vertrauen in meine Kunst haben kann.
Ich bin ein äußerst positiver Mensch und das hilft in schwierigen Zeiten. Als ich meinen Mann Rudi Martini fünf Jahre lang bis zu seinem Tod gepflegt habe, habe ich mich nicht runterziehen lassen. Ich hatte fabelhafte Pflegekräfte, und ich bin ihnen sehr dankbar. Ich habe in der Zeit zwar sehr viel Gewicht verloren, aber konnte weiterhin Musik machen. Auch hatte ich einige schwere Krankheiten, aber als sie vorbei waren, war ich dankbar, dass ich lebe und weiterhin gute Musik machen kann.
Wie lange machst du weiter?
Das ist eine merkwürdige Frage! So lange ich Engagements kriege. Warum sollte ich aufhören, das zu machen, was ich liebe? Zu meinem 70. Geburtstag war ich in Australien bei meinem Bruder, und ich habe ein paar tolle Konzerte dort gegeben. Als ich dort Noten für die Musiker geschrieben habe, konnte meine Schwägerin sich das nicht vorstellen. „Ich dachte, du bist hier im Urlaub!“
Was hast du noch vor in nächster Zeit?
Ich habe ein paar Konzertanfragen, aber das Datum steht noch nicht fest. Am 19. April 2026 trete ich mit dem Pianisten Heinz Frommeyer in der Reihe „Matter Of Heart“ der Saxophonistin Carolyn Breuer in der Lätarer Kirche, München-Ramersdorf auf.
Am Ende meiner ausverkauften Jubiläumskonzerte habe ich das Publikum mit den Worten verabschiedet: Wir sehen uns zu meinem 80. Geburtstagskonzert! Aber der ist erst in neun Jahren. Ich habe mir schon Gedanken über die Besetzung und Titel für ein 75. Geburtstagskonzert 2029 gemacht!