Nebel über den Feldern, Blätter rascheln auf dem Boden – es ist Herbst, kühl und grau. In Ebersberg/Grafing dagegen bringt der Jazz Stimmung und Farbe in die Bude. Zum sechsten Mal fanden dieses Jahr die Internationalen Ebersberger Jazztage statt. Mit 19 Veranstaltungen in 7 Locations, 110 Musikern und tausenden jazzgeisterten Besuchern waren die Ebersberger Jazztage auch dieses Jahr wieder ein voller Erfolg.
Dieses Festival ist organisatorisch insofern etwas ganz Besonderes, da es sich hierbei um eine Interessengemeinschaft, die IG EBE-JAZZ handelt, die das komplette Programm mit viel Kreativität und Herzblut auf die Beine stellt. Die Organisatoren selbst sowie ehrenamtliche Helfer sorgen mit ihrem Engagement für einen reibungslosen Ablauf und geben den Besuchern die Gewissheit, Teil einer großen Gemeinschaft zu sein, die den Jazz miteinander so richtig feiert.
Den Auftakt der mit Spannung erwarteten Jazztage bestritt die österreichische Formation SHAKE STEW unter Leitung von Bassist und Mastermind Lukas Kranzelbinder, die mit zwei Drummern und ekstatischen Improvisationen die Stadthalle Grafing aus den Fugen hob. Tags darauf verzauberte MADELEINE JOEL – von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt – mit ihren Hildguards die ehrwürdige Stadthalle und ließ es mit ihrem Programm „Tapetenwechsel“, anlässlich des 100. Geburtstags von Hildegard Knef, musikalisch rote Rosen regnen.
The funky Side of Jazz
Mit „The Funky Side Of Jazz“ lieferte die EBE-Jazz Big Band unter Leitung von Mathias Engl am Folgetag schließlich, vor erneut ausverkauftem Haus, ein musikalisches Feuerwerk das Seinesgleichen sucht. Konzentration war dagegen gefragt bei Spoken Jazz & Live Musik“: In seinem gut zweieinhalb stündigen Programm moderierte Musikjournalist MARCUS A. WOELFLE zum Thema „100 Jahre Oscar Peterson“ und gab so manches Bonmot aus dem Leben des einzigartigen Pianisten zum Besten, kompetent begleitet von CHRISTIAN LUDWIG MAYER und seinem AUWALD TRIO.
Nach zwei Tagen Konzert-Verschnaufpause, überbrückt mit Genrefilmen aus den Bereichen Jazz & Musik in der Grafinger Bücherei und im Alten Kino, gastierte als nächstes Highlight das CAMILLE BERTAULT Quintet im alten Kino. Was für ein Auftritt: keck dargebotene französische Jazz-Chansons wechselten sich ab mit herrlichen Improvisationen, ungezügelter Spielfreude und einer wundervollen Show, mit der Bertault und ihre Band aufwartete.
Spielwitz und viel Groove
Nachdem nun mehr als die Hälfte des Festivals um war, trat am Wochenende die NDR Big Band & TOYTOY unter der Leitung von Steffen Schorn im Alten Speicher Ebersberg auf und überzeugte mit Spielwitz, herrlichen Arrangements und mächtig Groove dahinter. Ein Festival mit zwei Big Bands, das kann sich sehen und hören lassen! Absoluter Höhepunkt war am Samstag die Formation MARE NOSTRUM. Gefeiert wurde das 20-jährige Bestehen des Trios. Paolo Fresu, Richard Galliano und Jan Lundgren entführten das Publikum im Alten Speicher kurzerhand in ihren weltmusikalischen Kosmos mit inspirierten Instrumentalausflügen in ab und an leicht melancholische Sphären. Das Publikum dankte es mit tobendem Applaus und Standing Ovations. Als Vorband stimmte TERESA LUNA die Zuhörer auf den Abend ein und verzauberte den Saal mit ihrer Mischung aus Latin, Pop und Jazzklängen.
Das Drumherum der Internationalen Ebersberger Jazztage war, wie bereits in den Vorjahren, vielfältig und spannend, angefangen von einem Improvisations-Workshop mit dem Saxophonisten Edi May und der Band THREE AND A HALF, dem exzentrisch komplexen Free Jazz Trio MACH, sowie musikalisch weltumspannend mit GUY-EL MABIALAs „Kimuntu“ in der Galerie an der Rampe, den der Kunstverein Ebersberg mit einer raumgreifenden KI-Installation in eine stimmungsvolle Jazzkneipe verwandelt hat. Was sonst noch los war? Das Kinderkonzert mit MAGNUS DAUNER und STEPHANIE MARIN im Alten Kino fand regen Zuspruch und das Gitarrenduo DOMERT & BRÄNDLE präsentierte in der Musikschule von traditionellen bis hin zu modernen Klängen ein ungemein spannendes Programm. Nach den Ebersberger Konzerten fanden im benachbarten Café Mala die legendären Jam Sessions statt, zu dem sich nicht nur Camille Bertault oder Sylvain Romano gesellten, sondern z.B. auch Victor Vollmer, sowie Musiker aus der lokalen Szene.
Der Bayerische Rundfunk war auch dieses Jahr wieder mit an Bord und hat u.a. die NDR Big Band, die BJV-Preisträger Band TERESA LUNA sowie den Headliner des Festivals MARE NOSTRUM mitgeschnitten (erster Sendetermin: 07.11. ab 23:05h in der Jazztime auf BR Klassik).
Danke Ebersberg für dieses wundervolle Festival! Nach den Jazztagen ist vor den Jazztagen – Festivalleiter Frank Haschler schaut verheißungsvoll in die Zukunft, wenn es in zwei Jahren bei den 7. Internationalen Eberberger Jazztagen wieder zur Sache geht.
Text & Fotos: Thomas J. Krebs