„We Insist 2025!“ – „We Exist“. Der Jazz-Sommer im Hotel Bayerischer Hof hat mittlerweile eine jahrzehntelange Tradition und ist zugleich über die Tore Münchens hinaus ein Garant für hochkarätige Konzerte in einer einzigartigen Atmosphäre. Auch in diesem Jahr hat der künstlerische Leiter Oliver Hochkeppel unter dem Motto „Voices“ ein vielversprechendes, zündendes Programm zusammengestellt.
Grand Dame des Jazz: Dee Dee Bridgewater
Den diesjährigen Jazz-Sommer eröffnete die international gefeierte Grand Dame des Jazz Dee Dee Bridgewater mit ihrem Quartett „WE EXIST!“. Ihr Konzert findet im Festsaal des Hotels statt, geballte Frauenpower auf der Bühne mit Carmen Staaf, Rosa Brunello und Shriazette Tinnin. An dem Abend präsentiert Bridgewater unter anderem Stücke wie Abbey Lincolns „Throw It away“, Nina Simones „Missisippi Goddam“ und „Four Women“, sowie eine ergreifende Version von Abel Meeropols „Strange Fruit“, ein Klassiker der durch Billie Holidays Interpretation bekannt geworden ist.
Auch bei „Gotta Serve Somebody“ von Bob Dylan zeigt sich die unbändige Kraft Bridgewaters. Die Botschaft dieses Songs: niemand ist frei von der Verpflichtung, jemandem oder etwas zu dienen, und die Wahl des Guten führt zu einem sinnvollen und erfüllteren Leben. Das Publikum im Festsaal des Bayerischen Hof, restlos begeistert, wurde mit der Zugabe „Compare To What“ verabschiedet. Alles in allem ein mehr als gelungener Mix unterschiedlicher Stile und Genres, Protestsongs, Standards, Improvisationen, herrliche Arrangements und einer hoch inspirierten Band mit der zurzeit amtierenden Queen des Vocal Jazz.
Senkrechtstarter Tyreek McDole
Den Auftaktabend des Jazz-Sommers beschloss der haitianisch-amerikanische Sänger Tyreek McDole im Nightclub des Hotels. Er ist ein absoluter Senkrechtstarter der aktuellen Vocal-Jazz Szene, ausgezeichnet mit diversen prestigeträchtigen Preisen. Seine aktuelle Band, heterogen zusammengesetzt mit Dylan Band am Saxophon, dem Pianisten Karim Blal, Daniel Finn am Bass und dem jungen Schlagzeuger Gary Jones III musizierte geschlossen und homogen. Das Motto „Open Up Your Senses“ wurde konsequent umgesetzt. McDole überzeugte auf ganzer Linie. Ein derart intimes Clubkonzert mit Tyreek McDole wie im Nightclub dargeboten, wird in Zukunft wahrscheinlich rar werden. Auf einen so großartigen Performer und Entertainer warten die großen Bühnen.
Melodisch, liedhaft
Im weiteren Verlauf des Festivals trat Lars Danielsson mit seiner seit 2012 bestehenden Formation “Liberetto“ auf. Obwohl die Band über keinen Sänger verfügt, manifestieren sich in seinem Spiel vermeintlich melodische, liedhafte Klänge. Die Musik zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Kombination aus Jazz, Folk und klassischen Einflüssen aus. Es ist erstaunlich, wie zeitgemäß und faszinierend bekannte Stücke wie „Lviv“ nach wie vor klingen und wirken. Zudem wurden neue Kompositionen präsentiert, die eindrucksvoll demonstrieren, dass „Liberetto“ auf seiner musikalischen Reise noch lange nicht am Ende ist.
Ohne Eitelkeiten
Alma Naidu trat mit einer ganz besonderen Formation auf, zusammen mit Susi Lotter, Hannes Stollsteimer und Valentin Renner. Als Special Guest dabei: der Sänger und Gitarrist Torsten Goods. Abwechselnd musizierten die beiden gemeinsam oder auch mit Goods solo als Sänger im Vordergrund. Die beiden Protagonisten ergänzten sich auf der Bühne in vorbildlicher Weise, ohne Eitelkeiten und boten einen gelungenen, vielseitigen Abend.
Ein weiteres Highlight des Jazz-Sommers war zweifelsohne Christie Dashiell. Neben Grammy Nominierungen und diversen Auszeichnungen ist sie gemeinsam mit Terry Lyne Carrington maßgeblich beteiligt an dem gerade erschienen Album „We insist 2025!“, einer Huldigung der wegweisenden Freedom Now Suite von Abbey Lincoln und Max Roach. Das Repertoire von Dashiells Setlist zeichnet sich durch bemerkenswerte Vielfalt aus und umfasste eine ganze Reihe abwechslungsreicher Stücke von Balladen über Friendship, „Into my Heart“, eigenen Songs aus ihrem Album „Journey in Black“ wie z.B. „Brother Sister“, bis hin zu Stevie Wonders Klassiker „I just Called…“. Die Einzigartigkeit der Arrangements ihres Pianisten Allyn Johnson hat einen prägenden Einfluss auf ihre Musik. Nach der ersten Zugabe „Can’t Hide Love“ waren die Zuhörer derart aus dem Häuschen, dass Dashiell kurzerhand noch einen spontan improvisierten Blues zum Besten gab. Eine weitere unvergessliche Performance!
Für Fans
Den Abschluss des Festivals bestritt das Jazz Department der Söhne Mannheims mit special guests Dominic Sanz Gesang, dem Saxophonisten Joe Reinhuber und Matthias Bublath an den Tasten. Der Club war, wie auch an den Abenden zuvor, außerordentlich gut besetzt, wobei die Söhne Mannheims ihr „eigenes“ charakteristisches Fanpublikum versammelt hatten. Mit lupenreinem Jazz haben die „Jazzheads“ nicht viel am Hut. Gespielt wurden Hits wie „Geh davon aus“ „Volle Kraft“ oder „Vielleicht“. Der Jazzstandard „On Green Dolphin Street“, mit einer Vokaleinlage von Michael Koschorreck war dann doch eher etwas für die Fans vor Ort als für Jazzpuristen. Obwohl Koschorreck den Zuhörern im Laufe des Abends versuchte musikalische Besonderheiten des Jazz zu erläutern, das Eurythmics Cover „Sweet Dreams“ funkig aufpoliert, funktionierte da besser als das „Jazzexperiment“. Nichts desto trotz für Fans der Söhne Mannheims ein grandioses Konzert.
„We Insist 2025!“ – „We Exist!“
Lang lebe der Jazz mit all seinen Facetten und vielseitigen Ausprägungen! Der Festsaal bei Dee Dee Bridgewater und die Clubkonzerte an allen Abenden pickepacke voll, das Publikum begeistert und die Musiker durchgehend relaxt und inspiriert. Wie man es allerdings hinbekommt, über das gesamte Festival eine von Anfang an verstellte Lichtanlage im Nightclub nicht zu justieren, bleibt unterdes ein Rätsel. Eine Bitte daher für zukünftige Konzerte im Nightclub: setzt die Musiker bitte ins rechte Licht, vor allem die Pianisten! Zu guter Letzt: Gratulation an den Veranstalter und die künstlerische Leitung. Damit dürften die Weichen für die Zukunft weiter gestellt sein. Wir sind schon gespannt auf den nächsten Jazz-Sommer im Bayerischen Hof.
Text & Fotos: Thomas J. Krebs