Der „unelektrischste E-Bassist“: Norbert Dömling ist seit über 50 Jahren auf der Bühne

Ein richtiger Franke!

Hat man Norbert Dömling am Telefon, weiß man nach wenigen Sätzen, wo er als Junge Fußball gespielt hat. Der Bassist ist ein waschechter „Frangge“, um dem Idiom des gebürtigen Würzburgers zu folgen. Obwohl Dömling mit seiner Frau Ane schon lange in Südhessen lebt, kann er seine dialektverbundene Herkunft aus dem unterfränkischen Weinland nicht leugnen. Hier hat auch seine Karriere begonnen, die ihm vergangenes Jahr den mit 5000 Euro dotierten Darmstädter Musikpreis „für herausragende musikalische Leistungen“ eingebracht hat.

Sein 50-jähriges Bühnenjubiläum konnte der Bassspieler mit dem singenden Ton bereits einige Jahre früher feiern. Bevor er erstmals größere Bekanntheit mit der zum Krautrock zählenden Jazzrockgruppe Missus Beastley erlangte, spielte er in regionalen Bands Soul und Blues. Oft „für die Amis in deren Clubs“, wie die amerikanischen Soldaten damals genannt wurden.

Ein Autodidakt als Jazzprofi?!

Das Bass spielen hatte er sich selbst draufgeschafft, nachdem er in Kindheit und Jugend einige Stunden Blockflötenunterricht und „zehn Stunden auf der Gitarre bei einer Nonne“ bekommen hatte. Die Gottesfrau konnte ihm nicht mehr beibringen, da aber war Dömling schon lange vom Virus Musik infiziert. Dömling machte selbst weiter, indem er einfach vieles auf der Gitarre ausprobierte, sich den ersten E-Bass beim Versandhaus Quelle – damals in Fürth – bestellte und mit anderen spielte.

Für die Eltern, eine eher kulturferne Arbeiterfamilie, waren das Flausen. Sie steckten den Realschulabgänger in ein Geldhaus. Erst einmal sollte er eine Banklehre machen, die ihm später noch zu Gute kam. Wie der proletarische Nachkriegsjunge überhaupt zur Musik kam, erzählte Wolfram Knauer, Laudator bei der Verleihung des Musikpreises: „Das Ganze fing eigentlich in seinem Kopf an. Wenn Norbert etwas an seiner fränkischen Heimat störte, war es das Gefühl, „was am lautesten gesagt wird, ist richtig“. Dagegen half ihm, in sich hineinzuhören. „In meinem Kopf hörte ich immer Musik“, erinnert sich Norbert Dömling. „Schräge Sachen, Bigband und Streicher, immer instrumental, aber nichts, was ich in Wirklichkeit gehört hatte.“ Irgendwie Jazz also. Ein Grund dafür war ein studentischer Untermieter, mit dem die Eltern das karge Familieneinkommen aufbesserten. An dessen Tür lauschte der neunjährige Knabe und war von den völlig fremden Klängen fasziniert. Erstmals begegnete er einem seiner späteren großen Vorbildern: John Coltrane.

Erste Beteiligung in Bands

Die Faszination für die Musik erhielt er sich durch die pubertären Verstrickungen und Entwicklungen hindurch im Gefühl. Er holte das Abitur nach, kaufte sich den ersten Kontrabass, nahm einige Stunden und spielte, was das Zeug hielt. Praktisch unmerklich entwickelte er sich zum Profimusiker, heute kaum mehr vorstellbar, und landete Anfang der 70er bei Missus Beastly (1973-1977). Dazu Knauer: „Norbert Dömling hatte hier gleich mehrere Funktionen. Sein Gespür für Groove sorgte für das antreibende Moment der Musik, er war harmonische Stütze, zugleich aber wirkte sein Spiel immer auch melodisch.“

Irgendwann wollte Dömling etwas anderes machen. Er stieg bei der auch finanziell erfolgreichen Band aus. Wenig später rief ihn Joachim Kühn an. Parallel zum Trio, in das ihn Kühn geholt hatte, spielte Dömling, der damals in einer WG mit Christoph Spendel in Bremen lebte, in der Band Electric Circus von Toto Blanke, mit Jasper van´t Hof und zahlreichen anderen Musikern und Bands. Seeheim, wohin er mit seiner Frau schließlich zog, wurde zum Dreh- und Angelpunkt seines beruflichen und familiären Lebens. In den folgenden Jahrzehnten arbeitete und spielte er mit den Gitarristen Juraj Galan und Bireli Lagrene, dem Liedermacher Peter Horton, im Trio mit Billy Cobham, mit dem Projekt Jazz meets Tango, Juan José Mosalini und Peter Gigers Family of Percussion zusammen.

Mit den Kollegen Vitold Rek und Jürgen Wuchner nahm Dömling Ende des Jahrhunderts eine CD auf, auf der die Unterschiede und Gemeinsamkeiten ihres jeweiligen Ansatzes deutlich wurden. Zudem kamen Unterrichts- und Lehrtätigkeiten hinzu. An der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Mannheim und in Wiesbaden war er Dozent. Daneben veröffentlichte er ein Lehrbuch für E-Bass Flageoletts. Bereits in den 1980er Jahren entwickelte Dömling einen speziellen Tonabnehmer für seinen fretless-Bass, der das Instrument so ähnlich klingen ließ wie einen akustischen Kontrabass. Ein Journalist schrieb damals über sein Spiel: „Dömlings Markenzeichen ist der unelektrischste E-Bass – und der singendste dazu“.

Bis heute ein aktiver Musiker

Ein emotionaler Höhepunkt seiner so reichhaltigen künstlerischen Laufbahn war ein Soloauftritt in Darmstadt beim Jazztalk mit dem Bassisten Eberhard Weber. Der konnte damals schon nicht mehr spielen. Dömling widmete ihm die fantastische Improvisation „Mr. Weber“, die er mit Loop Delay einspielte. Nachzuhören auf Soundcloud.

Heute ist der lebensbejahende 72-Jährige, mit verschiedenen Duos und Besetzungen bis zum Quintett „Norbert Dömling’s Flying Spices“ unterwegs. Mit der Flötistin Stephanie Wagner unterhält er Flute’n’Bass und hat mit ihr das Album „Traces“ veröffentlicht, das fünf Sterne bekommen hat. „Die Debüt-CD des Duos ist eine außerordentlich gelungene Kombination von hohem und tiefem Instrument, die ungeahnt leicht und transparent wirkt“, heißt es dazu in einer Beschreibung. „Sound- und Rhythmus-Experimente und die perkussive Spielweise auf beiden Instrumenten sowie das Beatboxen auf der Flöte lassen kein Schlagzeug vermissen. “ Ein weiteres Duo hat er mit dem Akkordeonisten Martin Wagner, Trios mit Wagner und dem italienischen Rahmentrommler Carlo Rizzo, sowie mit Wagner und dem Gitarristen Jens Mackenthun.

Komponieren als wichtiger Teil der Arbeit

Zudem ist vor kurzem ein Album des französischen Saxofonisten Eric Plande mit Musik von Joachim Kühn – The Feeling Never Stops – bei Unit Records erschienen. Darauf ist Dömling neben Pianist Bob Degen und dem Marktoberdorfer Schlagzeuger Uli Schiffelholz zu hören. Sein neues Quintett spielt nur eigene Kompositionen, denn Komponieren war schon immer ein wichtiger Teil seiner musikalischen Arbeit. Besonders freut sich Dömling darüber, dass am Saxofon Tony Lakatos mit dabei ist, mit dem er Ende der 70er und in den 80er Jahren unzählige Konzerte gespielt hat. Da schließt sich ein Kreis. Infos und Live-Videos von Dömlings „Fliegenden Gewürzen“ sind auf der Website abrufbar.

Norbert Dömling’s Flying Spices:  https://flying-spices.doemling.com

Stephanie Wagner & Norbert Dömling – Flute ’n‘ Bass : www.flute-and-bass.de

Martin Wagner & Norbert Dömling Duo: https://m-wagner-und-n.doemling.com

Text: Michael Scheiner, Fotos: Norbert Dömling

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