Youn Sun Nah eroberte Regensburger Publikum

Wenn es dem Jazzclub gelingt das Theater am Bismarckplatz mit einer bislang im Gäu noch eher unbekannten Sängerin bis auf wenige Plätze zu füllen, dann hat er einiges goldrichtig gemacht. Nun ist die koreanische Musikerin Youn Sun Nah im internationalen Jazzbusiness alles andere als eine Unbekannte. Immerhin hatte sie sich bereits einen erstklassigen Ruf als Musicaldarstellerin in ihrem Geburtsland Südkorea erworben, als sie vor fast einem Vierteljahrhundert nach Paris ging, um Jazz und französische Chansons zu studieren. Ergänzend besuchte sich ein staatliches Musikinstitut und das Boulanger-Konservatorium.

Eine der schönsten Stimmen…

Dennoch dauerte es noch einige Touren durch Clubs und die Jazzkeller Frankreichs, bis „eine der schönsten Stimmen des heutigen Jazz“, wie die Tageszeitung Le Figaro die Koreanerin pries, zunehmend auch international wahrgenommen wurde. Zusätzlichen Schub bekam ihre Karriere als Youn Sun Nah einen Exklusivvertrag mit dem ACT-Label schloss, mehrere viel beachtete Alben einspielte und einen BMW Welt Jazz Award – zusätzlich zu ihren vielen anderen Preisen – gewann. Mit ihrem damaligen Duopartner Ulf Wakenius, einem großartigen dänischen Gitarristen, war sie der große Aufreger bei den Jazztagen Ingolstadt.

Viel Hall und Weite

Ein Gitarrist, Tomek Miernowski, und der Multiinstrumentalist Remi Vignolo begleiteten sie auch bei ihrem umjubelten Auftritt im Theater. Miernowski, ein New Yorker Studiomusiker und Produzent, kommt deutlich vom Folk, Rock und Blues amerikanischer Prägung her, was er vor allem im zweiten Set mit flächigen Sounds, viel Hall und Weite hingebungsvoll zelebrierte. Aber auch auf der akustischen Gitarre bewies der Americana-Stilist ein sicheres Gespür für stilistische Feinheiten. Im bekannten Stück „Asturias“ des spanisch-katalanischen Komponisten Isaac Albeniz, welches von Youn Sun Nah neu arrangiert worden ist, präsentierte er sich mit einem hinreißenden Solo als echter Sympathisant spanischer Musik. Es geriet zur expressivsten Nummer im sonst durchgehend sehr zurückgenommenen, poetisch leisen ersten Set des Auftritts.

Intime Stimmung

Vermutlich war es überhaupt der leiseste Konzertteil in der gesamten Reihe von Theaterkonzerten des Jazzclubs. In dieser intimen Stimmung entfaltete sich Youn Sun Nahs nuancenreiche Stimme in all ihren zarten und getuschten Feinheiten. Mit leichtem Vibrato und einer chinesisch-japanisch anmutenden Intonation beschwört sie in Gedichten Rumis und eigenen Songs Bilder von Nacht und Stille herauf. Die beiden Instrumentalisten unterstützen diese Stimmungen mit klanglichen Gespinsten, die nur aus wenigen zurückgenommenen Tönen, weiten Bögen und illustrativen Klanggebilden vom Keyboard  bestehen. Nur ein einziger Song entwickelte im ersten Tiel einen mitreißenden Groove, den Vignolo – ein exzellenter Melodiker auf dem Kontrabass – am Schlagzeug auf elektronischen Toms mit dumpfen Pattern vorantrieb.

Rockröhre kann sie auch

Diese fast schon zen-buddhistische Stimmung schlug nach der Pause fast ins Gegenteil um, als Youn Sun Nah vokal völlig aufdrehte und mit rauher, schmierig-krachender Phrasierung die Rockröhre raushängen ließ. Sie coverte Popsongs von Marvin Gaye über George Harrison bis Johnny Cash, die sie in neuen Arrangements in eigener, ausdrucksstarker Weise interpretierte. Auf das Ave Maria der kultur-liberalen Szene, Leonard Cohens vielfach ausgepreßtes und regelrecht mißbrauchtes „Hallelujah“, allerdings hätte sie auch – wie auf andere, unnteressant arrangierte Pop-Rock-Songs – gut verzichten können. Es ist vielleicht den kommerziellen Wünschen des Branchenriesen Warner geschuldet, bei dem die eigenwillige Sängerin ihr neues Album „Immersion“ veröffentlicht hat. Selbiges hat sie auf der weltweiten Tour, die sie auch nach Regensburg führte, ihrem Publikum vorgestellt. Dieses war fasziniert von ihrem ihrem variablen Gesang, der von zartem Hauchen, einmal auch begleitet von einer Kalimba, über harmonischen, klassisch inspirierten Schönklang bis zum expressiven Kieksen und Schreien viele Facetten der menschlichen Stimme beleuchtet. Und mit ihre musikalisch populistischen Ausflügen stieß sie mitten hinein ins Herz eines nach emotionaler Wärme und Eingebundensein lechzenden etabliert-angepassten Bürgertums.

Info:   

  Youn Sun Nah – voc
Tomek Miernowski – g, key
Rémi Vignolo – dr, perc, b

 

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