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Jazzzeitung

2011/03  ::: seite 16

rezensionen

 

Inhalt 2012/01

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig no chaser: Totenkult Farewell: Frank Foster Paul Motian

TITELSTORY: Töne, Schweiß und Ohrenkitzel
Warum der Jazz wieder Kritiker braucht, die über Augenblicke schreiben

GESCHICHTE - Basies Weggefährten (2)
Am 2. März wäre Eddie „Lockjaw“ Davis 90 Jahre alt geworden...

Berichte
20 Jahre ACT // Zum Deutschen Jazzfestival Frankfurt 2011 // Martin Schmitt startet mit „Aufbassn“ neu durch // 10 Jahre Unerhört Festival – die aktuelle Musik in Zürich

Portraits
Eva Cottin // Jutta Hipp // Alexandra Lehmler // Lizzy Loeb // Jens Thomas

Jazz heute und Education
Hans Lüdemann – ein Jahr Unterricht an einem US-College und die Folgeng // Nachrichten // Fortbildungskalender 2012 (pdf) // Abgehört: Fusion goes Bebop: Larry Coryells Gitarrensolo auf „Tadd‘s Delight“ von Tadd Dameron

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Scheffners Vinylarchiv

Der Musiker unserer heutigen Kolumne ist sicherlich kein Unbekannter unter den Jazzfans. Im Gegenteil, er gehört zu den Musiker-Persönlichkeiten, die wesentliche Wege des Jazz maßgeblich mit geformt haben Pietro ‚Pete‘ Rugolo, Pianist, Arrangeur, Bandleader, aber auch als Produzent für Capitol-Records, MGM und Mercury, war er in allen Funktionen überaus produktiv und erfolgreich.

1915 in Sizilien geboren, kam er, gerade mal fünf Jahre alt, mit seinen Eltern in die USA. Schon sehr früh wurde er von seiner Tante am Klavier unterrichtet, lernte aber auch verschiedene Blasinstrumente, was später für seine Tätigkeit als Arrangeur sehr hilfreich war. Er studierte unter anderem bei Darius Milhaud und machte seine ers- ten praktischen Erfahrungen in diversen Tanz-Bands, aber auch in den Orchestern von Johnny Richards, Gene Krupa und, nachdem er zur Armee eingezogen wurde, in einer Army-Band. Die wichtigste Station seiner Laufbahn war aber sicher seine Zeit im Stan Kenton Orchester, für das er viele Arrangements und auch diverse Kompositionen schrieb. Er hat in den äußerst produktiven Jahren von 1945 bis 1950 den Sound der Band wesentlich mitgeprägt. Daneben produzierte er viele Platten für Capitol (Benny Goodman, Mel Tormé, Nat King Cole, The Four Freshman, aber auch die eng mit Kenton verbundenen Sängerinnen June Christy und Peggy Lee), und einen der Meilensteine in der Geschichte des Jazz, die „Birth Of The Cool-Sessions“ von Miles Davis. Rugolo schrieb und arrangierte viel Musik für Film und Fernsehen, deren Orchester er oft leitete. Später wechselte er über MGM zu Mercury Records, wo er dann viele Aufnahmen unter eigenem Namen einspielte. Die LPs trugen so programmatische Titel wie „Adventures In Rhythm“, „Rugolmania“, „Brass In Hi-Fi“, „Percussion At Work“, „Ten Trumpets & Two Guitars“ oder „Ten Saxophones & Two Basses“, die bereits vorgaben, welche Art von Musik sich dahinter verbirgt. So auch bei der hier vorgestellten Platte:

Reeds In Hi.Fi Pete Rugolo and his Orchestra
Mercury Records MG 20260

Die Musiker sind, unter anderen: Bob Cooper, Bud Shank, Dave Pell, Chuck Gentry, Barney Kessel, André Previn, Joe Mondragon, Shelly Manne, aufgenommen am 30.10. und 1.11.1956

Igor Beaver / If You Could See Me Now / Yardbird Suite / Impressionism / Walking Shoes / Theme For Alto / Our Waltz / Spring Is Here / Polytonal Blues / Collaboration / Interlude

Pete Rugolo hatte schon immer eine Vorliebe für besondere Klangfarben, die er auch bei den Arrangements für das Stan Kenton Orchester immer wieder verwendete. Hier sind es nur „Reeds“, also fünf Saxophonisten, die aber auch Flöten, Klarinetten und Oboe spielen, sowie weitere Bläser (Flöten, Oboen und Fagott). Die Rhytmus-Gruppe besteht aus Piano, Gitarre, Bass und Schlagzeug. Da die Blech-Instrumente fehlen, entsteht ein wesentlich intimerer Klang als bei einer Bigband üblich. Das beginnt mit Igor Bea- ver, wie es der Titel schon verrät, eine Verbeugung vor Igor Strawinsky, der ein besonderes Interesse für den Jazz zeigte und in einigen seiner Kompositionen Jazz-Elemente verwendete (für Woody Herman schrieb er sogar das „Ebony Concerto“). Hier ist es umgekehrt, Rugulo baut „Stravinsky Clichés“, wie er es ironisch nennt, in eine Jazz-Komposition ein.

Impressionismus ist, wie es schon der Name sagt, reine Lautmalerei, die dem Hörer eine ganze Landschaft vor Augen führt. Bei „Walking Shoes“ denkt man unweigerlich an Gerry Mulligan. Nicht nur, weil er das Stück geschrieben hat, die Aufnahmen des Mulligan-Baker Quartet waren (und sind) ein Paradestück des Cool-Jazz. „Theme For Alto“ hat Rugolo für das Stan Kenton Orchester geschrieben. In der Aufnahme vom 20. März 1951 ist Bud Shank der Solist. Auch auf der vorliegenden Platte spielt Shank das Alt-Saxophon-Solo. Es ist reizvoll, die beiden Aufnahmen zu vergleichen. Die David Rose Komposition Our Waltz hat Pete Rugolo besonders originell arrangiert. Der Walzer wird immer wieder durch einen 4/4-Takt abgelöst, wie man es vom Bayerischen Zwiefachen kennt. Die Bläser erzeugen teilweise einen so sanften Sound, der einen an Streicher denken lässt. André Previn und Dave Pell haben kleine, aber feine Soli. Bei dem Titel „Spring Is Here“, mit einer an moderne Klassik angelehnten Einleitung, gibt es Passagen, die an Ravel erinnern. Die Stimmungen wechseln zwischen Programmmusik und swingenden Teilen mit einem Solo von Dave Pell. „Polytonal Blues“ geht sehr frei mit dem Blues-Schema um, aber die Soli von Barney Kessel, Bud Shank und Dave Pell bringen das Stück dann wieder auf soliden Grund. Die Riffs von Piccolos und Oboen ergeben einen originellen Kontrast zum erdigen Blues und machen das Stück ziemlich spannend. Auch „Collaboration“ ist ein bewährtes Kenton-Schlachtross, das hier allerdings sehr verhalten dargeboten wird. Chuck Gentry am Bariton und Dave Pell, Tenor, sind die Solisten, die von einem Klang-Teppich von Flöten und Oboen getragen werden. Ebenfalls aus alten Kenton-Tagen stammt das letzte Stück der LP: „Interlude“. Waren in der damaligen Aufnahme Posaune und Piano die Solisten, dominieren hier die Flöten.

Dafür, dass Pete Rugolo ein wichtiger Musiker, Komponist und Arrangeur war (er starb am 16. Oktober 2011), wurden seine Aufnahmen auf CD so gut wie nicht veröffentlicht. LPs sind natürlich schon lange nicht mehr lieferbar und auch gebraucht nur schwer zu finden. Die hier besprochene Platte ist vor Jahren einmal bei Fresh Sound in Spanien als CD herausgebracht worden, sogar mit dem Original-Cover. Immerhin, sie ist gelegentlich noch zu finden.

Manfred Scheffner

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