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Jazzzeitung

2012/01  ::: seite 23

farewell

 

Inhalt 2012/01

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig no chaser: Totenkult Farewell: Frank Foster Paul Motian

TITELSTORY: Töne, Schweiß und Ohrenkitzel
Warum der Jazz wieder Kritiker braucht, die über Augenblicke schreiben

GESCHICHTE - Basies Weggefährten (2)
Am 2. März wäre Eddie „Lockjaw“ Davis 90 Jahre alt geworden...

Berichte
20 Jahre ACT // Zum Deutschen Jazzfestival Frankfurt 2011 // Martin Schmitt startet mit „Aufbassn“ neu durch // 10 Jahre Unerhört Festival – die aktuelle Musik in Zürich

Portraits
Eva Cottin // Jutta Hipp // Alexandra Lehmler // Lizzy Loeb // Jens Thomas

Jazz heute und Education
Hans Lüdemann – ein Jahr Unterricht an einem US-College und die Folgeng // Nachrichten // Fortbildungskalender 2012 (pdf) // Abgehört: Fusion goes Bebop: Larry Coryells Gitarrensolo auf „Tadd‘s Delight“ von Tadd Dameron

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Basies Weggefährten (3)

Nicht nur „Shiny Stockings“ – Abschied von Frank Foster

Nennt man den Namen Frank Foster, dann haben Jazzfreunde meist automatisch die Assoziation Count Basie. Er war nicht nur fast ein Dutzend Jahre Sideman, Arrangeur und Komponist beim Count, er leitete sogar ein knappes Jahrzehnt das Orchester des 1984 verstorbenen Pianisten. Der Schatten des großen Basie hat ein wenig den Blick für die Tatsache verstellt, dass Frank Foster eigentlich ein Bopper reinsten Wassers war. Und wer denkt bei Basie schon an Bop. Die Saxophonisten, die ihn in seinen Jugendjahren beeindruckten – Don Byas, Wardell Gray, Dexter Gordon, Sonny Stitt – haben sich seinem kraftvollen, direkten Spiel eingeprägt. Auch seine späteren Lieblinge John Coltrane, Wayne Shorter und Joe Henderson hinterließen Spuren, aber nie so starke, als dass sein Spiel seine unverkennbar eigene Handschrift verloren hätte. Die hat er immer auch als Komponist bei Basie gezeigt. „Shiny Stockings“ ist ein internationaler Evergreen geworden, und Stücke wie „Blues Backstage“ oder „Blues In Hoss Flat“ kann man schon als Jazzklassiker bezeichnen.

Foto: Archiv

Bild vergrößernFoto: Archiv

Der zweite Name, der im Zusammenhang mit Frank Foster so sicher wie das Amen in der Kirche fällt, ist Frank Wess. Wenn Jazzer von den „two Franks“ sprechen, dann sind diese beiden Saxophonisten gemeint. Von 1953 bis 1996 haben sie – zunächst mit, aber bald auch schon ohne Basie – gemeinsame Aufnahmen vorgelegt, die zeigen, was Tenor-Tandems sein können, wenn es nicht nur ums Kräftemessen geht: beglückende Kommunikation unter Gleichgesinnten. Der am 23. September 1928 in Cincinnati geborene Sohn einer Amateurpianistin lernte zunächst als Kind Klavier, dann Klarinette. Frank Foster studierte an der High School und an der Wilberforce University Klarinette und Saxophon. Da er nur einen Kurs in Harmonielehre belegte, sah er sich als Arrangeur immer als Autodidakt. In seinen Jugendjahren spielte er unter anderem mit Earl Warren, Snooky Young und Wardell Gray, einem seiner Vorbilder. Nach seinem Militärdienst in Korea schloss er sich als 25-Jähriger auf Empfehlung von Ernie Wilkins dem Orchester von Count Basie an, was ihn schnell bekannt machte.

Das öffnete dem jungen Tenorsaxophonisten viele Türen, auch zu scheinbar anderen Baustellen, die aber seiner ursprünglichen Veranlagung entsprachen: Der bis vor kurzem nahezu Unbekannte wurde Mitte der 50er-Jahre häufig mit anderen Boppern aufgenommen, zum Beispiel, um nur ein paar Pianisten herauszugreifen, mit George Wallington, Elmo Hope oder Thelonious Monk. Schon der Titel des 1954 eingespielten Prestige-Albums „Thelonious Monk with Sonny Rollins and Frank Foster“ bestätigt: Unser Tenorist war damals kein geringerer Hoffnungsträger als Rollins. Das Album zeigt, dass er gar keine Schwierigkeiten mit den Ecken und Kanten der Monk’schen Klangwelt hatte, die zu diesem Zeitpunkt auch vielen Musikern noch ein Buch mit sieben Siegeln war. Dabei war die Zusammenarbeit im Falle von Foster nur ein kurzes, auf dieses halbe Album beschränktes Intermezzo. Rund um die Uhr bei Basie beschäftigt hatte er freilich nie Zeit, ins Monk‘sche Universum einzutauchen. Bekanntlich stellte Basie gerne Count zwei Tenorsaxophonisten seiner Band kontrastierend gegenüber. In den 30er-Jahren waren der hotte Herschel Evans und der prototypisch coole Lester Young gewesen. Ab 1953 waren es Frank Wess und Frank Foster, deren Partnerschaft 1954 in der Basie-Aufnahme „Two Franks“ verewigt wurde. Die Spielweise der beiden war bei weitem nicht so gegensätzlich wie die von Evans und Young. Es hatte auch in den folgenden Jahrzehnten weniger Battle-Charakter als das schulemachende Tenor-Tandem Gene Ammons und Sonny Stitt. Man hatte das Gefühl, Freunden bei einem lebhaften Gespräch zuzuhören. Da beide begabte Komponisten waren und Frank Wess, ein Wegbereiter der Flöte, im modernen Jazz auch öfters zu dieser griff, war für viel Abwechslung gesorgt. Bei Basie gesellte sich in der hochkarätigen, vom Altisten Marshal Royal angeführten und vom Baritonisten Charlie Fowlkes in der Tiefe verankerte Saxophongruppe, ein dritter Tenorist hinzu: Um Eddie „Lockjaw“ Davis oder wie (auf „Basie At Birdland“) Budd Johnson ergänzt war es eine der swingendsten Saxophongruppen der Welt.

Eigene Veröffentlichungen der 50er- und 60er-Jahre demonstrierten oft schon im Plattentitel („No ‚Count‘“, „Basie is our Boss“) eine Verbundenheit der Basieiten jenseits des Orchesters. Daneben wirkte Foster aber auch auf ausgesprochenen Hardbop-Alben mit, vor allem als Sideman von Größen wie Donald Byrd oder Kenny Burrell. Zu diesem Zeitpunkt erscheint Fosters Spiel wie eine quintessentielle Mischung aus führenden Bebop-Tenoristen wie Sonny Stitt, Wardell Gray und Dexter Gordon. Wenn man bedenkt, dass Gray 1955 starb und Dexter Gordon zwischen 1952 und 1960 die meiste Zeit wegen Drogendelikten hinter Gittern saß, könnte man Foster sogar als einen ihrer besten Nachfolger bezeichnen, der in diesem Stilbereich sicher viel mehr gemacht hätte, wäre er nicht bei Basie so erfolgreich gewesen. „Ich bin ein Hardbopper. Einmal Hardbopper, immer Hardbopper“ hat Foster einmal bekannt. Indes sind die Ausflüge in den Hardbop ab 1957 für etwa ein Jahrzehnt eher selten.

1956 hatte er nämlich mit „Shiny Stockings“ einen großen Hit für Basie geschaffen, der dann von jedermann zwischen Harry James und Ella Fitzgerald interpretiert wurde, Foster selbst zwar leider nicht reich gemacht hat, aber unser Bild von Foster und seiner weiteren Tätigkeit prägte: Er ist der Komponist tanzbarer Ohrwürmer für Swinger und Fingerschnipper. Während seiner elf Jahre bei Basie schlug Foster verlockende Angebote aus, unter anderem von Thelonious Monk und Miles Davis. Foster wollte nicht auf die Sicherheit seiner Anstellung bei Basie verzichten, bei dem er 150 Dollar die Woche verdiente. Er hat seine Entscheidung nie bereut und meinte einmal „Die späten 50er-Jahre waren die aufregendste Zeit meines Lebens. 1956 bis 1961, das waren die besten Jahre überhaupt.” Bis 1964 trug Frank Foster als Komponist, Arrangeur und Saxophonist sehr zum Erfolg des Count Basie Orchestras bei, doch 1986 wurde er musikalischer Leiter der Ghost Band des Count.

In den Jahren dazwischen konnte man den anderen, den „eigentlichen“ Frank Foster kennenlernen. Da legte er modernere, eigene Platten vor, etwa mit seiner Formation „The Loud Minority“. Lange wirkte er bei Formationen von Thad beziehungsweise Elvin Jones, Cousins seiner Frau. In den Gruppen des großen Ex-Coltrane-Drummers Elvin Jones lernte man ihn auch als hervorragenden Sopransaxophonisten schätzen. Moderner großorchestraler Jazz entstand in der Thad-Jones/Mel-Lewis-Bigband. 1985 tourte er mit dem Quintett von Jimmy Smith in Europa. 1986 bis 1995 war er Nachfolger von Thad Jones als Leiter der Basie-Bigband. Als er 1995 sein Amt als Leiter des Count Basie Orchestras niederlegte, hielt Foster drei eigene Bands am Laufen: The Non-Electric Company (ein Quartett bzw. Quintett), Swing Plus (eine 12-köpfige Band), und The Loud Minority Big Band (ein 18-köpfiges Orchester). Wegen eines Schlaganfalls war es Frank Foster seit 2001 nicht mehr vergönnt, Saxophon zu spielen. Zum Glück konnte er seine Aktivitäten als Arrangeur und Komponist fortsetzen. Am 26. Juli 2011 ist der mit so vielen Gaben gesegnete Musiker in Chesapeake, Virginia, von uns gegangen. Seine Musik, in der so viel Können und Lebensfreude steckte, wird vielen Jazzfreunden fehlen. Zum Glück bleiben uns viele, viele Tonträger.

Marcus A. Woelfle

 

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