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Jazzzeitung

2012/01 ::: seite 9

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Inhalt 2012/01

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig no chaser: Totenkult Farewell: Frank Foster Paul Motian

TITELSTORY: Töne, Schweiß und Ohrenkitzel
Warum der Jazz wieder Kritiker braucht, die über Augenblicke schreiben

GESCHICHTE - Basies Weggefährten (2)
Am 2. März wäre Eddie „Lockjaw“ Davis 90 Jahre alt geworden...

Berichte
20 Jahre ACT // Zum Deutschen Jazzfestival Frankfurt 2011 // Martin Schmitt startet mit „Aufbassn“ neu durch // 10 Jahre Unerhört Festival – die aktuelle Musik in Zürich

Portraits
Eva Cottin // Jutta Hipp // Alexandra Lehmler // Lizzy Loeb // Jens Thomas

Jazz heute und Education
Hans Lüdemann – ein Jahr Unterricht an einem US-College und die Folgeng // Nachrichten // Fortbildungskalender 2012 (pdf) // Abgehört: Fusion goes Bebop: Larry Coryells Gitarrensolo auf „Tadd‘s Delight“ von Tadd Dameron

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Auf den Punkt

Die Saxophonistin Alexandra Lehmler

Die Mannheimer Saxophonistin Alexandra Lehmler spielt mit ihrer Band einen anspruchsvollen und gleichzeitig sehr gut hörbaren Jazz. „No Blah Blah“ lautet der Titel ihres neuen Albums – keine Mogelpackung, der Titel ist Programm. Als Frontfrau führt Lehmler ihre Band souverän und mit Humor und Tiefgang in ein spannendes, eigenwilliges balkan- und latinbeeinflusstes Terrain.

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JazzZeitung: Alexandra, wie beschreibst du mit deinen Worten den „eigenen Personalstil“, den dir das „Jazz Podium“ seinerzeit bescheinigte?
Alexandra Lehmler: Einem selbst fällt es, glaube ich, immer am schwersten, das einzuordnen, was man tut. Die Musik, die ich schreibe, orientiert sich sehr stark an Melodien. So entstehen zumindest meistens die Stücke: Es gibt ein Melodiefragment, und daraus entwickele ich etwas. Ist es stark genug, dann wird ein Stück daraus. Ich glaube, diese Melodien könnten das „Erkennungsmerkmal“ meines Personalstils sein. Ich versuche, meine Instrumente als „meine Stimme“ zu verwenden – und es ist ja ganz natürlich, dass jeder eine anders klingende Stimme besitzt oder einen anderen Redefluss. Und ich glaube, Musiker können ihren Charakter beim Spielen auch nicht verbergen: Jeder spielt ein bisschen so, wie er ist.

JazzZeitung: Willst du dich mit dem Titel „No Blah Blah“ bewusst vom Jazz-Einheitsbrei distanzieren, vielleicht auch den Hörer ein wenig provozieren? Und wie kam der Titel ursprünglich zustande? Gab es Debatten darüber?
Lehmler: Ich hatte zuerst ein Bild im Kopf, wie das Cover aussehen könnte, wobei der Titel dazu damals schon „No Blah Blah“ lauten sollte. Der Titel ist geblieben, nur das Cover wurde dann doch anders, als ich es mir zuerst vorgestellt hatte. Natürlich gab es Debatten darüber. Es war klar, dass der Titel polarisieren würde. Aber das ist ja auch okay so! Letztlich konnten mich auch die Skeptiker nicht von „No Blah Blah“ abhalten, da ich von Anfang an überzeugt davon war, dass das genau der richtige Titel für diese Platte zu diesem Zeitpunkt ist!

JazzZeitung: Einige der Songtitel fallen ebenfalls auf: „Liegt alles noch vor uns“, „Supergau“, „Nach der Rodung“ – wie sind sie entstanden?
Lehmler: „Liegt alles noch vor uns“ ist die musikalische Fortführung des Titels „Let‘s leave it all behind“ unserer letzten CD „Die Welt von unten gesehen“. Es entstand auf einer Reise – genauer, auf dem Hinweg – worauf sich der Titel bezieht. Man kann ihn aber auch in Hinblick auf das Gesamtprojekt der CD-Produktion betrachten, die ja eben zu diesem Zeitpunkt auch noch komplett vor uns lag.

„Supergau“ datiert sich auf das Wochenende der Fukushima-Katastrophe. In jenen Tagen hatten wir den „Neuen Deutschen Jazzpreis“ in Mannheim, den ich zusammen mit meinen Kollegen von der IG Jazz veranstalte. Ich war sehr inspiriert von der tollen Musik, die ich am Vorabend gehört hatte, so dass ich mich gleich ans Klavier gesetzt habe und ein paar Ideen hatte. Dann kam die Nachricht aus Japan, die mich sehr erschütterte. Das Stück skizziert meine innere Zerrissenheit an diesem Tag. „Nach der Rodung“ schrieb ich nach der Gewalteskalation im Stuttgarter Schlossgarten, quasi als Widmung für Wutbürger, Parkschützer, Idealisten und Weltverbesserer. Gleichzeitig ist es die wehmütige, desillusionierte und resignierte Erkenntnis, dass auch solch bemerkenswertes Aufbegehren der Anständigen wenig zu bewegen vermag.

JazzZeitung: Mit solchen Titeln erhalten die Songs ja auch eine politische oder gesellschaftliche Komponente, obwohl es sich um Instrumentalmusik handelt. Absicht?
Lehmler: Klar ist das Absicht, obwohl ich mich nicht als unglaublich politische Person sehe. Aber Jazz ist auch eine politische Musik – und eben nicht nur „Blah Blah“! Es ist schön, die Zuhörer durch Musik aus dem Alltag zu holen und das Leben durch die Musik vielleicht sogar ein kleines bisschen schöner zu machen. Manchmal ist es aber auch spannend, einen Soundtrack zur knallharten Lebensrealität zu haben.

JazzZeitung: Ändert so ein Titel die Rezeption und das Verständnis der Musik beim Hörer? Sprich, ist es legitim, den Hörer über den Titel sozusagen „zu lenken“?
Lehmler: Wenn der Zuhörer den Hintergrund eines Stücks kennt, dann findet er möglicherweise manchmal leichter Zugang dazu. Ich möchte nicht zuviel lenken, deswegen erzähle ich im Konzert nicht zu jedem Stück eine Geschichte. Es ist sehr schön, wenn dem Publikum beim Hören ganz eigene Bilder einfallen. Im Idealfall „fährt jeder seinen eigenen Film“. Ich denke, es ist durchaus legitim zu lenken, wenn man das möchte.
Immerhin geht es ja um die eigene Musik!

Interview: Carina Prange

CD-Tipp

Alexandra Lehmler: No Blah Blah
JAZZ’n’ARTS JnA 5712

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