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Jazzzeitung

2012/01  ::: seite 3

berichte

 

Inhalt 2012/01

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig no chaser: Totenkult Farewell: Frank Foster Paul Motian

TITELSTORY: Töne, Schweiß und Ohrenkitzel
Warum der Jazz wieder Kritiker braucht, die über Augenblicke schreiben

GESCHICHTE - Basies Weggefährten (2)
Am 2. März wäre Eddie „Lockjaw“ Davis 90 Jahre alt geworden...

Berichte
20 Jahre ACT // Zum Deutschen Jazzfestival Frankfurt 2011 // Martin Schmitt startet mit „Aufbassn“ neu durch // 10 Jahre Unerhört Festival – die aktuelle Musik in Zürich

Portraits
Eva Cottin // Jutta Hipp // Alexandra Lehmler // Lizzy Loeb // Jens Thomas

Jazz heute und Education
Hans Lüdemann – ein Jahr Unterricht an einem US-College und die Folgeng // Nachrichten // Fortbildungskalender 2012 (pdf) // Abgehört: Fusion goes Bebop: Larry Coryells Gitarrensolo auf „Tadd‘s Delight“ von Tadd Dameron

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Frisch polierter heiliger Gral

Zum Deutschen Jazzfestival Frankfurt 2011

Kaum eine Plattenfirma hat die Entwicklung des Jazz zwischen den frühen 60-er und mittleren 70-er Jahren so beeinflusst wie Impulse! Das Deutsche Jazzfestival Frankfurt erinnerte zum 50. Jubiläum an manch wegweisende Produktion aus dem Hause des Labels, etwa von John Coltrane. Interpretiert wurden dessen Werke von jungen Gegenwartskünstlern wie Jonas Kullhammar (unser Foto) und Phönixen wie Archie Shepp.

Foto: Ssirus W. Pakzad

Bild vergrößernFoto: Ssirus W. Pakzad

Eigentlich komisch, dass sonst niemand in diesem Jubiläums-geilen Business auf die Idee gekommen war, Impulse! ein klingendes Tribut auszurichten. Gut, dem New Yorker Lincoln Center ist es spät eingefallen, dass man zum runden Geburtstag eigentlich ein Ständchen spielen lassen könnte.

Doch echtes Engagement zeigten nur die Macher des Deutschen Jazzfestivals in Frankfurt, die ausgesuchte Werke aus dem Impulse!-Katalog in die Jetztzeit zu überführen versuchten.

Dass es mit großen Risiken behaftet war, Meilensteine wie „Ascension“ oder „A Love Supreme“ einen anderen Anstrich zu geben, war dem vierköpfigen Programm-Team des veranstaltenden Hessischen Rundfunks durchaus klar. Und einige Künstler des Festivals waren zunächst auch etwas erschrocken, als man sie mit ziemlich kniffligen Aufgaben betrauen wollte. Der junge schwedische Saxophonist Jonas Kullhammar etwa hat freundlich, aber bestimmt abgelehnt, als die Offerte, John Coltranes „A Love Supreme“ aus heutiger Sicht neu zu deuten, via Telefon an ihn herangetragen wurde. Schließlich hat er sich dann doch getraut – und das war gut so. Natürlich fehlt dem 33-Jährigen die spirituelle Tiefe der Lichtgestalt des Jazz, natürlich kann er sich musikalisch nicht mit ihr messen. Umso bewundernswerter war es, wie unerschrocken er dann doch an diesen „Heiligen Gral“ (Zitat Programmheft) des Jazz heran ging, wie Kullhammar und sein Quartett der Dramaturgie des Werks folgten und sich in eine Intensität steigerten, die dem Album gerecht wurden.

Andere zeigten nicht so viel Geschick beim Umgang mit Coltranes Werken. Das diesmal durch zwei DJs und den Kornettisten Graham Haynes zum Sextett erweiterte Trio „Harriet Tubman“ um den Gitarristen Brandon Ross hat „Ascension“ auf CD ganz manierlich hinbekommen. Im Konzert aber klang das alles nur noch ärgerlich diffus. Der Pianist McCoy Tyner war an den Main gekommen, um an das Album zu erinnern, das Trane einst mit dem Crooner Johnny Hartman aufnahm – dessen geschmeidige Vokalparts übernahm José James, ein junger Mann mit interessantem Timbre. Der von langer Krankheit gezeichnete McCoy Tyner selbst aber blieb blass – es steckt nicht mehr viel Kraft und Zielsicherheit in seinen Tigerpranken – wie unendlich traurig.

Die hr-Bigband wird jedes Jahr mit zwei Projekten in das Frankfurter Festival eingebunden. Für Oliver Nelsons „Blues And The Abstract Truth“ gewann man den zur NDR Bigband übergewanderten Jörg Achim Keller zurück – der lieferte zwar wie immer bestechende Arrangements, aber dem Stück (mit dem quirligen Altisten Vincent Herring als Hauptsolist) fehlte der erfrischende Pep des Originals. Auch „Africa/Brass“ (diesmal stand die hr-Bigband unter der Fuchtel von Charles Tolliver) war nicht vollständig befriedigend, aber hier zeigte Archie Shepp am Tenor, wie sehr wieder mit ihm zu rechnen ist. Als der durch dentale Probleme und versehrte Lippen Gehandicapte dann am nächsten Abend ein Duo mit Pianist Joachim Kühn spielte, erlebte das Publikum den einsamen Höhepunkt des Deutschen Jazzfestivals. Zwei höchst unterschiedliche Temperamente trafen da aufeinander und erzeugten eine Innigkeit, die einem Gänsehäute auf die Arme trieb. Wie Shepp die Töne zerkaute, mit einem Schrei ausspuckte, wie aus all seinen Unreinheiten brüchige Schönheit entstand – das war schon eine Art Naturschauspiel.

Sein Duo-Partner Joachim Kühn punktete auch am Finaltag des Festivals. Rolf und Joachim Kühn sollten an das einzige deutsche Impulse!-Album „Impressions Of New York“ (1967) erinnern – was der Klarinettist und der Pianist nicht taten, weil sie das zeigen wollten, wofür sie „heute musikalisch stehen“. Mit Wayne Shorters Rhythmusleuten John Patitucci (Bass) und Brian Blade (Schlagzeug) tauschten sich die Meisterimprovisateure munter aus, erzeugten Spannung, weil man einander so gut zuhörte. Auch ein Highlight. Sonst gab es in Frankfurt noch Kapitales von „Das Kapital“ und Lyrisches vom Quartett des Pianisten Bob Degen, in dem der „Ensemble Modern“-Trompeter Valentin Garvie glänzte. Am Ende blieb die Frage: Hat das Impulse!-Programm tatsächlich für Impulse gesorgt? Antwort: ein entschiedenes Jein!

Text und Foto: Ssirus W. Pakzad

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