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Jazzzeitung

2012/01  ::: seite 17

rezensionen

 

Inhalt 2012/01

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig no chaser: Totenkult Farewell: Frank Foster Paul Motian

TITELSTORY: Töne, Schweiß und Ohrenkitzel
Warum der Jazz wieder Kritiker braucht, die über Augenblicke schreiben

GESCHICHTE - Basies Weggefährten (2)
Am 2. März wäre Eddie „Lockjaw“ Davis 90 Jahre alt geworden...

Berichte
20 Jahre ACT // Zum Deutschen Jazzfestival Frankfurt 2011 // Martin Schmitt startet mit „Aufbassn“ neu durch // 10 Jahre Unerhört Festival – die aktuelle Musik in Zürich

Portraits
Eva Cottin // Jutta Hipp // Alexandra Lehmler // Lizzy Loeb // Jens Thomas

Jazz heute und Education
Hans Lüdemann – ein Jahr Unterricht an einem US-College und die Folgeng // Nachrichten // Fortbildungskalender 2012 (pdf) // Abgehört: Fusion goes Bebop: Larry Coryells Gitarrensolo auf „Tadd‘s Delight“ von Tadd Dameron

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Gospel, Jazz und Blues

Englischsprachige Bücher, erlesen von Joe Viera

David Eltis and David Richardson: Atlas of the Transatlantic Slave Trade, mit 189 Karten, 9 Tabellen und einer Reihe von Fotos, Yale University Press, New Haven & London, 307 Seiten

Wer hätte gedacht, dass nach so langer Zeit noch derart genaue und umfassende wissenschaftliche Untersuchungen über den transatlantischen Sklavenhandel zwischen 1501 und 1867 möglich sind? Die Ergebnisse haben die beiden Autoren in diesem Buch niedergelegt und sich dabei vor allem einer Darstellung mittels Landkarten mit vielerlei Markierungen und Eintragungen bedient – ein hervorragendes Mittel zur Veranschaulichung und zu Vergleichen und weiterführenden Überlegungen.

Dabei kommt vieles zutage, was die meisten Leser überraschen dürfte. Weniger als vier Prozent der insgesamt rund 12,5 Millionen Gefangenen, von denen etwa 1,8 Millionen die Überfahrt nicht überlebten, kamen in die USA; die meisten, etwa 44 Prozent, wurden nach Brasilien gebracht. Spanien und Portugal dominierten den Sklavenhandel 1450 bis 1650 und dann nochmals in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die meisten Sklaven wurden in Afrika von Afrikanern festgesetzt und zumeist im Tausch gegen verschiedene Waren den Sklavenhändlern übergeben („As this implies, an African identity did not exist in the era of the slave trade“, S. 303).

Hinter all dem steht eines der größten Verbrechen der Neuzeit, was die Lektüre dieses hervorragenden Buches immer wieder überschattet. Die Leiden der Sklaven, die schon auf den zumeist völlig überfüllten Schiffen begannen, sind nicht Thema dieses Buches. Aber sie sind für jeden empfindsamen Leser spürbar.
Bleibt noch eine Frage: Wieviele von den Sklavenhändlern und -besitzern sind für ihre Untaten je bestraft worden?

Howard Reich: Let Freedom Swing – Collected Writings on Jazz, Blues and Gospel, Northwestern University Press, Evanston USA,390 Seiten

Howard Reich ist Kritiker der Chicago Tribune seit 1983 Mitarbeiter des „downbeat“ und Autor mehrerer Bücher. Er schreibt mit viel Sachverstand und Einfühlungsvermögen auch über entlegene Themen und bringt sie uns eindringlich ins Bewusstsein. Die heutige Situation des Jazz in den USA sieht er gefährdet: „You don’t see or hear jazz on TV much anymore, at least not on the networks or major cable channels, where America defines its popular culture. Nor does the music turn up on leading radio stations… Much the same kind of cultural obscurity has been accorded blues, gospel, Afro-Carribean and various forms of ‚world‘ music…” (S. XV).
Gospel, Jazz und Blues in der Chicagoer Southside früher und heute, die St. John Coltrane African Orthodox Church in San Francisco (sie heißt wirklich so!), Jazz in Cuba, New Orleans nach Hurrikan Katrina, Duke Ellington, Frank Sinatra, die Jazz-Dokumentation von Ken Burns (die er hart kritisiert), Susannah McCorkle, George Gershwin, Patricia Barber, Ken Vandermark, Herbie Hancock, Lena Horne, Jazz in Panama – das sind einige der Themen dieses Buches. Unverständlich, dass der Verlag ihm kein Register beigegeben hat.

Peter King: Flying High — a Jazz life and beyond, Northway Publ. London, 340 Seiten

Peter King wurde am 11. August 1940 in Tolworth (nahe London) geboren. Nach kurzen Intermezzi mit Klavier und Geige entdeckte er den Jazz (Willis Conover‘s Jazz Hour im Sender „Voice of America“) und begann mit 15 Jahren Klarinette zu spielen. Zur gleichen Zeit litt er auf Grund von Schulproblemen an Depressionen, wogegen er starke Medikamente bekam. Er nimmt an, dass dadurch eine Grundlage für seine spätere Drogensucht entstand. Bald danach, unter dem Einfluss von Charlie Parker, wechselte er zum Altsaxophon. Bei Jam Sessions in London, wo er Musiker wie Don Rendell, Jimmy Skidmore und vor allem Tubby Hayes traf, machte er sich bald einen Namen. 1960/61 war er Mitglied des Johnny Dankworth Orchesters. Danach spielte er eine Zeitlang auch Tenorsaxophon. Begegnungen mit großen amerikanischen Musikern (Bud Powell, Lucky Thompson) schärften seine Suche nach einer eigenen Spielweise. Harte Drogen machten ihm lange Zeit schwer zu schaffen – er spricht darüber immer wieder sehr offen. Er arbeitete mit einer Vielzahl von Gruppen (u.a. Tony Kinsey, Tubby Hayes, Maynard Ferguson, Ray Charles). Daneben fing er an zu malen, beschäftigte sich mit der Musik von Béla Bartók und mit dem Bau von Modellflugzeugen (darüber gibt es sogar ein eigenes Kapitel in diesem Buch) Schließlich konzentrierte er sich wieder ganz auf das Altsaxophon, das ihm offensichtlich mehr lag. Die Arbeitsmöglichkeiten für Jazzmusiker waren damals schlecht, so dass er vor allem in den 70er-Jahren immer wieder in Tanzorchestern spielte. Erneute Depressionen führten zu Selbstmordgedanken. Schließlich fing er sich wieder und gründete – nach vielen Jahren als Sideman – ein eigenes Quintett, mit dem er 1982 die erste Platte unter dem passenden Titel „New Beginnings“ aufnahm. Er war inzwischen zu einem europäischen Spitzenmusiker geworden – sehr schade, dass er in Deutschland, im Gegensatz etwa zu Frankreich, kaum bekannt ist. Seine Life-CD „Hi Fly“ (SPOTLITE SPJ CD 427) von 1984 zeigt ihn in bestechender Form. Er verbindet den drive eines Phil Woods mit eigenen Ideen und einem Ton, die beide bisweilen an Eric Dolphy erinnern. Sein Spiel glüht und nimmt sofort gefangen.

Bis heute ist Peter King aktiv geblieben. Benny Golson sagt in einem Vorwort zu diesem sehr berührenden Buch (S. VIII): „He is not only an exceptional saxophonist whom I admire, but a personal friend whom I hold in the highest esteem.”

Rosemary Clooney with Joan Barthel: Girl Singer – An Autobiography Doubleday/New York, 337 Seiten mit einer komprimierten Diskographie

Ä ltere Leser, die in den 50er-Jahren wie alle Jazzfans oft AFN Munich (den amerikanischen Soldatensender) gehört haben, werden sich bei dem Namen Rosemary Clooney an zwei ihrer Titel erinnern, die damals oft zu hören waren: „Come on-a my house“ und „Botch-a-me“, harmlose Songs mit albernen Texten, die kaum etwas von den Qualitäten dieser Sängerin verrieten. Geboren wurde sie am 23. Mai 1928 in Maysville (Kentucky).Von 1946 bis 1949 sang sie zusammen mit ihrer Schwester Betty in der Band von Tony Pastor. Schon damals bestach sie durch eine sehr volle, melodiöse und klare Stimme. Sie bewunderte Frank Sinatras Art, mit Texten umzugehen; jedes Wort, ja jede Silbe machte er dem Hörer verständlich und glaubhaft. 1949 bekam sie einen Vertrag mit COLUMBIA, was ihr einige Hits einbrachte. Dazu drehte sie ab 1952 eine Reihe von Filmen, von denen vor allem „White Christmas“ (1953) mit Bing Crosby Erfolg hatte. Der Aufstieg des Rock‘n‘Roll in den 60er-Jahren ließ ihre Karriere einbrechen. Dies und Eheprobleme führten zu einer Tablettensucht, die wiederum, zusammen mit dem direkten Erleben des Attentats auf Robert Kennedy 1968 einen Zusammenbruck bewirkten, den sie nur langsam überwand. Dann geschah etwas, mit dem wohl niemand gerechnet hatte. Sie erhielt 1977 einen Vertrag von CONCORD und nahm von da an bis zu ihrem Tod am 29. Juni 2002 rund 30 CDs auf, eine besser als die andere. Ihre Stimme war inzwischen tiefer und rauer geworden, sozusagen von Peggy Lee nach Ernes- tine Anderson „gewandert“, und sie war mit einem Mal mitten im Jazz gelandet, den sie vorher eher nur tangiert hatte, je nach Arrangement und Begleitorchester. Eine ganz erstaunliche Entwicklung, die man auf der Doppel-CD „Rosemary Clooney – Songs from the Girl Singer“ (CONCORD CCD 2-4870-2) in Aufnahmen zwischen 1946 und 1998 studieren kann. Sie erzählt ihr Leben in einer ebenso feinfühligen wie lakonischen Art, anschaulich, mit subtilem Humor.

Joe Viera

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