Preisträger-Konzerte im Festival-Format beim NueJazz Festival in Nürnberg

In nur etwas über zehn Jahren hat sich das von den Musikern Frank Wuppinger und Marco Kühnl ins Leben gerufene und geleitete NueJazz Festival nicht nur in der eigenen Stadt Nürnberg etabliert, sondern sich auch überregional einen Ruf erarbeitet. Mit dem Gewinn des Deutschen Jazzpreises als „bestes Jazzfestival des Jahres 2024“ als einstweiligem Höhepunkt. Für die soeben beendete Ausgabe 2025 haben die Festivalmacher nun eine Kooperation mit dem Deutschen Jazzpreis beziehungsweise mit der ihn ausrichtenden Initiative Musik geschmiedet.

Das Programm war zu deshalb zu wesentlichen Teilen (neben der Förderung der lokalen Szene und des Nachwuchses mit „Nuecomer Jazz Award“ und „Nuejazz for Kids“ gerade erst als Abschluss) mit für den Deutschen Jazzpreises 2025 Nominierten bestückt – wer gewinnen würde, war ja zum Buchungszeitpunkt noch nicht klar, die Trefferquote war allerdings hoch. Dazu kamen Nominierte und Preisträgern vergangener Jahre. Ein Preisträger-Konzertreigen im Festivalformat also – ein Novum in der deutschen Jazzlandschaft.

Los ging dies schon mit dem „Warm-Up“ am 17. Oktober und den zwei Solo-Auftritten der Pianistin Shuteen Erdenebaatar (Deutscher Jazzpreis 2024 für das beste Ensemble) und des Drummers Simon Popp (heuer nominiert für „Schlagzeug & Percussion“). Geballt dann an den Kerntagen vom 23. bis 25. Oktober. Die eigentliche Eröffnung am Donnerstag durfte der „Newcomer des Jahres 2025“ und auch noch in den Kategorien „Live-Act“ und „Großes Ensemble“ Nominierten bestreiten, das Berliner Kollektiv Sonic Interventions. Mit dem gerade richtig angesagten, in den verschiedensten Formationen und Stilrichtungen arbeitenden Snarky-Puppy-Mitgründer Bill Laurance folgte der Gewinner der Kategorie „Rundfunkproduktion des Jahres“ aus dem Gründungsjahr 2021 – und mit ihm, soviel sei verraten, ein Höhepunkt des Festivals.

Am Samstag kamen dann Schlag auf Schlag und leider teilweise gleichzeitig sechs aktuelle Repräsentanten des Deutschen Jazzpreises an die Reihe. Erst Daniel Glatzls Andromeda Mega Express Orchester (Gewinner „Live-Act“), danach Schauspielerin/Sängerin Jelena Kuljić, in deren All-Star-Projekt Fundamental Interactions sich mit Christian Lillinger, Kalle Kalima, Tim Dahl und Olga Reznichenko gleich mehrere Nominierte und Gewinner tummelten, und Enji mit ihrem Trio (nominiert in der Sparte „Vokal“). Zu vorgerückter Stunde bespielten dann das Peter Gall Quintett („Album des Jahres“), Sera Kalo (Gewinnerin „Vokal“) und das Trio Camila Nebbia (nominiert bei „Holzblasinsstrumente“), Kit Downes (Gewinner „Piano/ Keyboards“) und Andrew Lisle die drei Säle des Nürnberger Z-Baus.

Vielleicht hätte man mindestens einen dieser Hochkaräter auf den nicht nur wegen fehlender Preisträger schwachen Freitag vorziehen sollen. Besonders unglücklich war insbesondere das gleichzeitig angesetzte „Duell“ des wütenden Antikriegs-Freejazz von Kuljić in der Galerie und des filigranen, äußerst lyrischen Worldjazz von Enji im Roten Salon, zumal wenn das hin und herwogende Publikum alle Zwischentüren öffnete. Enji oder auch das großartige und großartig besetzte Quintett von Peter Gall hätten den fast schon drögen Freitag retten können, bei dem nach dem ziemlich langweiligen Clubbing-Project Àbáse des Berline Ungarn Szabolcs Bognár, dem noch sehr studentischen Gewirbel der Dresdner Jungjazzer Anima und dem etwas altbacken Neo-Soul von Jazzanova tatsächlich Embryo noch den besten Eindruck machte. Also die in kleiner Besetzung spielende Variante des offenbar unsterblichen, von Marja Borchert bewundernswert nicht nur am Leben gehaltenen, sondern weiterentwickelten Münchner Krautrock-, Fusion- und Weltmusik-Kollektivs.

War das Ganze nun also die angestrebte Win-Win-Situation? Nur zum Teil. Alles in allem kamen einem im Rückblick frühere NueJazz-Ausgaben interessanter und stärker vor. Was vor allem daran lag, dass die internationale Dimension fehlte. Bis auf den nicht ohne Grund herausragenden Bill Laurance schwamm man fast komplett im eigenen Sud. Erst am Sonntag schob man mit Sharon Mansur und Bilal sowie am Montag mit Knower noch Amerikaner nach. So fehlten einem am eingentlichen Festival-Wochenende die Kontraste von Heimischen und Fremdem wie etwa ein Tigran oder ein Cory Henry. Und die fürs Festival bisher so typischen spannenden Entdeckungen wie zum Beispiel Mononeon oder Kassa Overall.

Kommt hinzu, dass der Deutsche Jazzpreis sich erfahrungsgemäß nicht nur an die Musik hält, sondern auch an die Kulturpolitik. So mancher Preisträger ist schon für das ausgezeichnet worden, was er repräsentiert oder als Botschaft ausgibt, nicht unbedingt für musikalische Qualitäten. Ganz undiplomatisch darf man das zum Beispiel auch für Sonic Interventions feststellen, das zwar ein überaus ehrenwertes Projekt darstellt, aber musikalisch noch lange keinen strahlenden Festival-Act.

Ohnehin hat man den Eindruck, dass sich die namhaften, fortschrittlichen Jazzfestivals in der Ausrichtung immer ähnlicher werden, vielleicht getrieben von ihrem Zusammenschluss im European Jazz Network EJN. Neben überwiegend jungen Avantgardisten findet da oft wenig anderes Platz, und selbst den Melodischen, Eingängigeren scheint man in die Verträge geschrieben zu haben, dass auch sie pro Auftritt mindestens 15 Minuten wildes Gefrickel liefern müssen. Weshalb einen als professioneller Hörer manchmal das Gefühl beschleicht, wirklich schon alles gehört zu haben. Was natürlich Quatsch ist, man hört es nur nicht mehr bei den angesagten Festivals.

Eine gewisse Rolle spielte beim NueJazz diesmal vielleicht auch, dass an den Kerntagen die AEG Kulturwerkstatt nicht zur Verfügung stand, also alles im Z-Bau stattfinden musste. Und der ist bei allen räumlichen und technischen Möglichkeiten dann doch eher ein Rockschuppen ohne den Anflug einer gemütlichen Keller-Jazzclub-Atmosphäre. Allerdings, und das ist natürlich absolut positiv: Richtig voll war‘s, und wieder einmal mit einem auch alterstechnisch erstaunlich durchmischten Publikum.

Die Macher rund um Wuppinger und Kühnl können das also jetzt als Erfahrung verbuchen, weitermachen und auch wieder an Früheres anknüpfen. Wobei: Dank der Kooperation und der vielen deutschen Acts war das Festival wohl vergleichsweise billig. Ein standesgemäßes Programm wird nun womöglich wieder aufwändiger, und das in Zeiten wegbrechender Förderungen, selbst der vergleichsweise bescheidenen im Jazz. Man wünscht Ihnen in Nürnberg weiterhin glückliche Händchen und gutes Gelingen.

Text und alle Fotos: Von Oliver Hochkeppel

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