(Text und Fotos: Michael Scheiner) Es war ein Einstand, der einem die Härchen auf der Haut zum Vibrieren bringen konnte. Mit einem dunklen bluesig-balladesken Song weckte die Sängerin Cecile Verny im Leeren Beutel Regensburg Erinnerungen an eine der größten Bluessängerinnen der Rockgeschichte, die unvergeßliche Janis Joplin. Gleichzeitig klang das harmonisch einfache „The Dream“, redundant gespielt, wie die Blaupause eines unbekannten Doors-Songs – intensiv, düster und erregend. Ein fernes Echo an jene bewegte Zeit, als Verny in der Elfenbeinküste gerade auf die Welt gekommen war.
Tatsächlich gibt es etwas, was die beiden ganz unterschiedlichen Sängerinnen, die mehr als eine Generation und auch sonst Welten auseinanderliegen, verbindet. Beide sind ohne formale Gesangsausbildung zur Musik gekommen, haben autodidaktisch angefangen und sich ihren Ausdruck selbst erspürt und erarbeitet. Verny, die mit zwölf Jahren nach Frankreich kam und früh zu singen begann, kennt Joplin sicher, obwohl der Blues bei ihrer Liebe zum Jazz nur eine untergeordnete Rolle spielt. Mit ihrem vor Jahrzehnten gegründeten Quartett ist sie bereits mehrfach in Regensburg aufgetreten. Zuletzt vor knapp zehn Jahren, mutmaßten einige Jazzclubmitglieder, die sich die Köpfe darüber zerbrachen, wie oft Verny bereits beim Club aufgetreten ist.
Im leichteren Gang
Nach diesem fulminanten Start schaltete das Quartett mit dem genervt-spöttischen „Talking, Talking, Talking“ in einen leichteren Gang. Der vom Langzeitbassisten Bernd Heitzler geschriebene Song setzt sich musikalisch mit einem allseits bekannten Phänomen auseinander. Mit Menschen, die gern und viel reden. Die dann aber, hört man einmal genau hin, nur schwätzen und „nichts substantielles von sich geben“, wie Verny das auf englisch gesungene Lied vorstellte. Die Stimmung im fast voll besetzten Saal erreichte schon nach kurzer Zeit Betriebstemperatur und sank erst am Ende nach zwei Zugaben langsam wieder.
Randbereiche
Die Themen der Songs sind so vielfältig wie die musikalischen Genres, mit denen die Band in viele Randbereiche des Jazz hinein schnuppert. Von Gospel über Funk bis zum Pop reicht das Spektrum, das Verny mit ihrem ausdrucksstarken Gesang zusammenhält. Sie scheint jeden Ton aus der Tiefe ihres Körpers zu holen, wenn sie lustvoll scatted, voller Zärtlichkeit eine Ballade anstimmt oder kraftvoll aufschreit. Von den Musikern, neben Heitzler und Pianist Andreas Erchinger noch Lars Binder am Schlagzeug, wurde die Sängerin zurückhaltend und einfühlsam begleitet. Sie stellten ihr Spiel ganz in den Dienst der Stimme und geben sich in gelegentlichen Improvisationen als versierte Solisten zu erkennen.
„Of Moons and Dreams“ nennt die Band sich das Programm, in dem sie Songs aus dem letzten, 2020 erschienenen Album und unveröffentlichte Stücke spielen. Zwei Duonummern, die Verny zusammen mit dem Pianisten sang, gingen besonders unter den Haut. Von ihrer Kindheit und den Eindrücken in der Elfenbeinküste handelte ein innig-warmer Song am Ende des mit anhaltendem Applaus bedachten Konzertes, wo sie voller Sehnsucht und Dankbarkeit aus lebendigen Erinnerungen schöpft.