(Text/Fotos: Oliver Hochkeppel) Das 13. „Like A Jazz Machine“-Festival im luxemburgischen Dudelange bestätigte seinen Rang als eines der interessantesten europäischen Jazzfestivals – doch Vieles wird sich nun ändern.
„Wenn das so toll weitergeht mit den Konzerten, dann wird es nicht auszuhalten sein“, scherzte Patricia Jochheim schon am Donnerstag, dem ersten „richtigen“ von von fünf Festivaltagen mit drei Konzerten im Kulturzentrum Opderschmelz, nach dem „Teaser“ mit Jozef Dumoulin und Lynn Cassiers am Mittwochabend in der Kirche St. Martin. Ein Humor, der einem zukünftig fehlen wird: Jochheim, die das Programm seit 2018 zusammengestellt hat, geht nun mit 64 in Rente. Als Angestellte im öffentlichen Dienst kann sie nicht anders, denn der Veranstalter des Festivals wie des Kulturzentrums ist ja die Stadt Düdelingen beziehungsweise Diddeleng oder Dudelange, wie sie im mehrsprachigen Luxemburg auch heißt.
Ordentliches Umkrempeln
Der Direktor des Kulturzentrums John Rech nimmt dies nun zum Anlass, das „Like A Jazz Machine“ ordentlich umzukrempeln. Zunächst einmal wird das Frühlings- zum Herbstfestival und zieht vom angestammten Mai-Termin auf den Oktober um. Rech begründet das zum einen damit, dass bislang immer ein Feiertag dabei war, an dem Personal und Technik viel teurer sind. Außerdem sei das kleine Team mit der raschen Abfolge von „Zeltik“ (dem keltischen Weltmusikfestival), „Like A Jazz Machine“, „Usina“ (einem Pop-Festival) und der „Fete de la Musique“ von März bis Juni überlastet. Es könnte aber natürlich auch sein, dass Rech, der Comics zeichnet, in einer Folkband spielt und eben kein ausgewiesener Jazzkenner und -freund ist, die Gewichte verschieben will.
Dafür spricht auch, dass er nur noch zwei Tage mit mehreren Konzerten im ideal dafür ausgestatteten Kulturzentrum Opderschmelz machen will. Dafür soll es „in die Stadt und zu den Leuten gehen“, also in Restaurants, eine neue Weinhandlung und Ähnlichem. Man kennt das vom „Jazz in der Altstadt“ oder „Jazz in den Kneipen“ auf vielen Festivals – meist um den Preis, dass sich reichlich Blues- und Pop-Bands ins Programm schmuggeln. Mit Danny Epstein gibt es auch einen neuen, sehr jungen, im Jazz nicht sehr erfahrenen Booker.
Junges Publikum ansprechen
Der Versuch, ein anderes, jüngeres als das klassische Jazz-Publikum anzusprechen, ist verständlich. Man wird sehen, ob es funktioniert. Schade freilich wäre es, wenn dabei die Errungenschaften dieses selbst noch jungen Festivals verloren gingen. Zum einen hat es eine wichtige Rolle beim Coming Out der luxemburgischen Jazzszene gespielt. Von Anfang an hat man hier die für das kleine Land erstaunlich vielen heimischen Talente wie Pascal Schumacher, Michel Meis, Pol Belardi, Claire Parsons, Marly Marques, Maxime Bender, Greg Lamy, Michel Reis, Pit Dahm, Niels Engel, Jeff Herr und andere mit großen europäischen und amerikanischen Namen zusammengespannt, oft als artists in residence. Hat sie mithilfe des Exportbüros „kultur:LX“ unter anderem beim Speed-Dating mit eingeladenen Journalisten, Veranstaltern und Bookern aus den Nachbarländern zusammen- und damit nach und nach auf die europäische Landkarte gebracht.
Und ganz generell gehörten Jochheims Programme wie schon die ihrer Vorgängerin Danielle Igniti immer zu den spannendsten vergleichbarer Festivals. Neben den eigenen Leuten und Festivallieblingen wie Bojan Z., Joachim Kühn oder Daniel Erdmann waren sehr oft die jeweils heftig Angesagten vertreten, ob junge europäische Wilde wie Kit Downes, Nik Bärtsch, Marius Neset, Theo Cecchaldi oder das radio.string.quartet.vienna, ob US-Stars wie Kyle Eastwood, Ravi Coltrane, Lakecia Benjamin (schon 2014!) oder Ambrose Akinmusire. Stets überwölbt von großen Alten wie Enrico Rava, Eric Truffaz, Billy Cobham, Maceo Parker oder Stanley Clarke.
Überraschend fesselnd
Wohldosiert, aufeinander abgestimmt, und doch überraschend und fesselnd war auch diese 13. Ausgabe. Fast alle Eingeladenen hatten nichts Beliebiges am Start, sondern ein ausgetüfteltes Programm mit Anspruch. Vom aufgefächerten Spiel mit den sich aus der Besetzung seines durch Francesco Bearzatti verstärkten Quartetts ergebenden Möglichkeiten, das der Schlagzeuger Jens Düppe in Szene setzte, über dem schon im Bandtitel „The Flow“ angelegten Scofield-Groove eines Greg Lamy bis zur großartigen, humorvollen Ellington-Dekonstruktion von Aki Takase und Daniel Erdmann. Überhaupt Humor: Der fand sich auch bei artists in residence, sowohl bei der neuen Luxemburg-Connection von Bojan Z mit Claire Parsons und Pit Dahm wie bei den Freejazz-Nachklängen der Jazzghosts mit Christof Thewes, Johannes Schmitz und Michel Meis.
Saxofon- (und Rap-)Veteran Chico Freeman verließ sich erfolgreich auf die mit dem Bandnamen Exotica bestens beschriebenen Klangfarben seiner Begleiter, alles voran Schlagwerk-Forscher Reto Weber. Das fein gesponnenste, andächtigste, dadurch vielleicht ergreifendste Konzert lieferte das nagelneue (es war ihr erstes Konzert) Duo des Pianisten Michel Reis und des Saxofonisten Matthieu Bordenave. Wenn er Leidensgeschichten wie seine Scheidung vertonte, war auch der Modern Jazz des US-Saxofonisten Noah Preminger und seines All-Star-Quartetts (herausragend der junge deutsche Schlagzeuger Leif Berger) am stärksten. Der Luxemburger Pianist Arthur Possing wiederum beschäftigte sich auf dem hier vorgestellten Album „Home“ mit den musikalischen Attributen des Heimatgefühls, im Kontrast zu seinem special guest Joel Rabesolo, der aus Madagascar stammt.
Drei junge Bands
Einzig die jüngsten Luxemburger enttäuschten etwas. So Veda and the String Machine der Gitarristin Veda Bartringer, wurde doch bei diesem Projekt kaum ersichtlich, warum ein Streichquartett in die Band integriert wurde. Und auch die drei jungen Bands, die am Samstagnachmittag in der „Kantin“ spielten, einer zur Bar umgerüsteten Fabrikhalle oberhalb des Kulturzentrums, kamen eigentlich allesamt nicht über den Status „Studentenband“ hinaus. Dafür ließ es spätabends Schlagzeuger Benoit Martiny beim 20. Geburtstag seiner Band BMB dort noch einmal richtig krachen.
Alles in allem bestätigte dies alles, was für ein Jammer es wäre, wenn dieses besondere Festival, ein Flaggschiff des Luxemburger Jazz, nun auseinanderfallen würde. Besonders für die eigenen Musiker.