Freude am transatlantischen Ahnenwerk: Richie Beirach & Gregor Hübner in der Unterfahrt

Der Bart ist ab. „Corona ist durch“, meint Gregor Hübner mit hoffnungsvollem Unterton, ein guter Augenblick also, um auch optisch ein Zeichen zu setzen. Überhaupt ginge es gerade wieder richtig los. „Ich bin jetzt quasi dreißig Tage auf Tournee“, meint der Geiger, Komponist und Professor an der Münchner Hochschule, „mit verschiedenen Projekten und das ist fantastisch. Aber ich muss mich erst einmal wieder daran gewöhnen“. Und er wird gefordert. Denn im Jazzclub Unterfahrt stand er am 21. April im Duo mit Richie Beirach auf der Bühne. Seit rund einem Vierteljahrhundert arbeiten der Violinist aus Stuttgart und der Pianist aus Brooklyn bereits zusammen. Sie kennen sich musikalisch gut und das heißt auch, dass sie sich musikalisch einiges gegenseitig zumuten. Beide sind außerdem nicht nur improvisatorisch brillant, sondern graben sich gerne in Oeuvres klassischer Komponisten ein, um deren Ideenwelten aus der Perspektive zeitgenössischer Offenheit zu interpretieren.

So gehören nicht nur Standards des großen amerikanischen Liederbuchs und eigene Stücke zum Programm, sondern auch ein Beethoven oder ein Bartók, die als motivisches Ausgangsmaterial fungieren. Beirach und Hübner haben ihren Spaß am Ahnenwerk, zeigen in den Widmungen ihre Ehrfurcht vor der Größe der alten Meister, sind aber entspannt genug, um sich nach der Reminiszenz auch aus der Form heraus zu begeben, die Motive nur noch als Ahnungen zu verstehen, um dann mit viel Nachdruck sich an die improvisatorische Aufarbeitung zu machen. Überhaupt liegt die Kraft dieses Duos neben der instrumentalen Finesse im Spaß an der intellektuellen Frechheit, dem Zerlegen und Verschrauben des Bekannten aus der Perspektive des Runderneuerten. Beirach feierte zwar wenige Tage nach dem Konzert seinen 75.Geburtstag. Das hieß aber nicht, dass er sich altersmilde hätte mäßigen wollen. Musik ist dafür da, um sie zu herauszufordern, lustvoll und aktiv im Sinne der Kraft, die in ihr steckt. Richie Beirach und Gregor Hübner haben diese Idee klanghedonisch inspiriert auf der Bühne ausgelebt.            

Ralf Dombrowski

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