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 2001/05

 seite 27-30
 dossier

 

Inhaltsverzeichnis Jazzzeitung 05/2001


Inhalt 2001/05

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dossier
Mythos Miles
Zum 75. Geburtstag von Miles Davis

medien/service
Das Wunder festhalten
Calle 54 – Film und Soundtrack zum „Jazz Latino”
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Rezensionen 2001/05
Service-Pack 2001/05 als pdf-Datei (kurz, aber wichtig; Clubadressen, Kalender, Jazz in Radio & TV, Jazz in Bayern und anderswo (978 kb))

 

Mythos Miles

Zum 75. Geburtstag von Miles Davis · Von Bert Noglik

Beginnen wir mit zwei Momentaufnahmen eines an musikalischen Sternstunden reichen Lebens. Mitte der Fünfzigerjahre spielte der Trompeter Miles Davis in einer Quintettbesetzung mit dem Saxophonis-ten John Coltrane „‘Round About Midnight“. Musik mit jenem Gefühl von Coolness, das unvergesslich bleibt. Klänge, wie hinter einem Schleier gespielt. Milestones, Klassiker der modernen Jazzgeschichte. Drei Jahrzehnte später intonierte Miles Davis  ein simples Liedchen von Cindy Lauper, „Time After Time“. Wie er das tat, bleibt unbestritten originell. Den Jazzpuristen zum Trotz, inszenierte sich Miles Davis als ein Genie, das sein eigenes Image in Frage stellt. „Verrat am Jazz“, schrien die selbsternannten Gralshüter einer (zweifelhaften) reinen Jazz-Lehre wie Wynton Marsalis. „Öffnung zu einer neuen Popularität“ mutmaßten die anderen. In der Tat liegen zwischen beiden Aufnahmen Welten. Doch wie immer man die stilistischen Wandlungsprozesse des wechselreichen Lebens von Miles Davis bewerten mag – immer hat er mit seiner Musik Zeitzeichen gesetzt, Bewunderung oder Kontroversen ausgelöst. Und stets wusste er mit einem an Magie grenzenden Talent, Töne in die Welt zu setzen, die Faszination auslösten.

Foto: Ssirus W. Pakzad

Miles Davis, der am 25. Mai dieses Jahres 75 Jahre alt geworden wäre, hat dem Jazz eines halben Jahrhunderts seinen Stempel aufgedrückt. In seiner Autobiografie schildert Miles Davis zwei Schlüsselerlebnisse. Das eine: „Hör mal. Das wahnsinnigste Gefühl – jedenfalls in Hemd und Hose – hatte ich, als ich Diz und Bird 1944 das erste Mal zusammen in St. Louis, Missouri, gehört habe. Ich war achtzehn und hatte gerade den Abschluss an der Lincoln High School hinter mir.“ Gemeint ist ein Konzert mit Dizzy Gillespie und Charlie „Bird“ Parker als Solisten der Billy Eckstine Band. Der halbwüchsige Trompeter Miles Davis durfte sogar ein paar Titel mitspielen. „Das Gefühl dieser Nacht im Jahr 1944 – ich bin oft nah dran gewesen, es mit meiner Musik einzufangen, aber ich hab’s nie ganz geschafft. Ich war schon ganz nahe dran und hab’s doch nie erreicht. Ich such es immer, ich will es wieder hören und spüren.“

Das andere: „Aber ich kann mich auch noch an den Sound, an die Musik unten in Arkansas, bei meinem Großvater erinnern. Ich war sechs oder sieben. Wir liefen abends die dunklen Landstraßen entlang, und plötzlich diese Musik, die aus dem Nichts zu kommen schien, aus diesen gespenstischen Bäumen, von denen die Leute behaupteten, es lebten Geister drin. Dann sangen ein Mann und eine Frau, und sie erzählten davon, wie man sich fühlt, wenn man am Ende ist. Ein Teil davon ist immer in mir geblieben. Verstehst du, was ich meine? Diese Art von Sound in der Musik, dieser schmutzige, harte Klang, dieser südliche, ländliche Midwestern-Rhythmus. Auf diesen gespenstischen Landstraßen in Arkansas, nachts, als die Eulen herauskamen und heulten, ist mir das, glaube ich, ins Blut übergegangen. Und als ich meine ersten Musikstunden nahm, muss ich schon irgendeine Vorstellung davon gehabt haben, wie meine Musik klingen sollte.“

Foto: Ssirus W. Pakzad

Die nennenswerten Stationen in der musikalischen Laufbahn von Miles Davis beginnen mit seiner Ankunft in New York. Er kommt aus St. Louis. Sein Vater hat ihm die Fahrt bezahlt und unterstützt sein Musik-Studium an der Juillard School mit einem wöchentlichen Scheck von 50 Dollar. Miles Davis sucht im Dschungel der Metropole nach dem Altsaxophonisten Charlie Parker und findet ihn in den Clubs der 52nd Street. Dort entsteht ein neuer Stil, der später als Bebop bezeichnet wird. Und Miles, der fortan das Glück hat, immer zur rechten Zeit mit den richtigen Musikern zu spielen, ist dabei. Der junge Mann, aufgewachsen als Sohn eines Zahnarztes in einer wohlhabenden Familie der gehobenen schwarzen Mittelklasse, wird zu dieser Zeit als schüchtern und verängstigt beschrieben. Er quittiert die klassische Ausbildung, um sich dem Kreis um Charlie Parker anzuschließen.

Rückblickend kommentierte er: „Wenn ich sage, dass mir die Juillard School nichts brachte, meine ich, sie konnte mir nur insofern weiterhelfen, als mir klar wurde, was ich wirklich spielen wollte. An der Schule hatte ich nichts mehr zu suchen. Schließlich spielte ich mit den größten Jazzmusikern der Welt. Was sollte ich da bereuen?“ Mit den Tempi von Parker kann er nicht mithalten, sein Trompetenspiel erweist sich als unsicher, aber sein Klang lässt aufhorchen. Anders als Dizzy Gillespie überzeugt er nicht mit Höhenflügen, sondern mit einem relaxten Lyrismus und einem eigenen Ton – unverkenn- und unverwechselbar wie ein Fingerabdruck oder die DNS-Signatur. Diesen Ton hat er kultiviert und zeit seines Lebens in andere musikalische Zusammenhänge eingebracht. Dizzy Gillespie über den Trompetenkollegen: „Er war ein Mann, der mit sich einen Pakt abgeschlossen hatte, sich niemals selbst zu wiederholen.“ Das ist ebenso wahr wie der Satz, Miles Davis habe stets nur das eine, sich selbst gespielt. Und auf die Frage, was er denn hinterlassen wolle, sagte er lapidar: „My sound“.

Foto: Ssirus W. Pakzad

Wie kein anderer Musiker des Jazz hat Miles Davis an mehreren Schnittstellen Bedeutendes geleistet, sowohl Brüche als auch fließende Übergänge mitgestaltet und vorangetrieben. Was sich heute sogar jazzpädagogisch rekonstruieren und aufbereiten lässt, entstand im Prozess von Spiel- und Lebensprozessen, die auf Risiko setzten. Miles Davis war am Übergang von den hitzigen Musiziermustern des Bebop zur klanglichen Reflexion des Cool Jazz beteiligt und hat, gemeinsam mit Gil Evans, großorchestrale Klanggemälde mit melancholischen Stimmungen geschaffen. Er ist weitergegangen, indem er die modale Spielweise forcierte und die Improvisationen von den Bindungen an die konventionellen Akkordfolgen löste. Und er schuf Beispiele musikalisch spontaner Interaktionen im Gruppenspiel, die bis an die Grenzen der Tonalität führten. Doch Miles Davis folgte nicht dem grenzenlosen Freiheitsstreben des Free Jazz, sondern ging schließlich in eine populärere Richtung, indem er Einflüsse aus Jazz, Rock und ethnischen Quellen fusionierte und seine Musik elektrifizierte. In den Achtzigerjahren bediente er sich auch popmusikalischer Themen, die er allerdings in seine raffiniert arrangierten und produzierten Soundcollagen integrierte. Und über allem schwebt sein Ton, der selten strahlt, sondern eher mit einer unterschwelligen Trauer jubiliert. Neben seinem Ton und seinem Improvisationstalent ließ Miles Davis bereits Ende der Vierzigerjahre eine Begabung erkennen, die zur Besonderheit seines Lebenswerkes beitrug: die konzeptionelle Ausformung von Musik. Gemeinsam mit der Clique um den Arrangeur Gil Evans war er an den bahnbrechenden Aufnahmen eines Nonetts beteiligt, dessen Neuerungen für die Entwicklung des Cool Jazz – und in Folge des Free Jazz – wichtig wurden (siehe auch das Album „Birth Of The Cool“). Mit einer damals ungewöhnlichen Besetzung, zu der Waldhorn und Tuba zählten, entstanden nahtlos ineinander übergehende Solo- und Kollektivpassagen, die mit ihrem verhaltenen Klanggestus und Klangfarbenreichtum eine Alternative zur Expressivität des Bebop demonstrierten. Gemeinsam mit Gil Evans schuf Miles Davis dann auch jazzorchestrale Meisterwerke wie die berühmten „Sketches Of Spain“, von denen der einsam durch Klanglandschaften wandernde Trompeter sagte, es sei Gil Evans um die impressionistische Auffächerung der Saite einer Flamenco-Gitarre gegangen.

Ein weiteres Talent von Miles Davis hat er selbst beschrieben: „Aber das war meine Begabung, verstehst du, die Fähigkeit, bestimmte Jungs herauszufinden und damit ‘ne chemische Reaktion in Gang zu setzen, die sich von selbst weiterträgt; sie spielen zu lassen, was sie können, und darüber hinaus.“ Anfangs, bei Charlie Parker, war Miles Davis der Lernende, dann entwickelte er mehr und mehr die Gruppenkonzeptionen, im Quintett mit John Coltrane, in Besetzungen mit Cannonball Adderley oder Sonny Rollins, dann mit Wayne Shorter, Herbie Hancock, Ron Carter und Tony Williams und im Übergang zur Fusion Music mit Musikern wie Chick Corea, Joe Zawinul oder John McLaughlin, in den Achtzigerjahren mit dem Saxophonisten Bill Evans, den Gitarristen Mike Stern und John Scofield sowie dem Bassisten Marcus Miller. Die Liste ließe sich fast endlos fortsetzen. Es gibt kaum einen Musiker, den Miles Davis ausgesucht hat und der später kein Star mit eigenen Gruppen geworden wäre.
Die Psyche von Miles Davis lässt sich mit seiner Musik vergleichen: Wechselhaft strukturiert, teils hochkomplex, teils von einer Einfachheit, hinter der sich Raffinessen verbargen und Abgründe auftaten. Dass er nicht aus dem Ghetto, sondern aus dem schwarzen Bürgertum kam, gleichwohl die Diskriminierungen eines Afroamerikaners und die Halbwelt des Clublebens kennen lernte, dass er vom schwarzen Selbstbewusstsein angetrieben, aber zugleich von einem weißen Publikum gefeiert wurde – all das mag zur Widersprüchlichkeit beigetragen haben. Nicht selten spielte er mit dem Rücken zum Publikum, beleidigte er Journalisten, verursachte er Skandale. Hinter seinem Hochmut verbargen sich gewiss auch Ängste. Blasphemie diente ihm als Schutz. Gil Evans: „Glauben Sie nicht alles, was Sie über Miles Davis lesen. Hinter der Maske ist er einer der liebenswürdigsten und freundlichsten Menschen.“ Doch er hat oft eine Maske getragen, sich mit dem Habitus der Arroganz sowie – was das Erscheinungsbild anbelangt – in Maßanzügen, Hippie-Look, Fantasy- und Designer-Mode – selbst stilisiert. Er wurde nicht nur zum ersten Superstar des Jazz gekürt, er hat diese Rolle auch selbst gespielt. Zu seiner Aura zählten mondäne Frauen, teure und schnelle Autos, oftmals leider auch Drogen und Alkohol.

Erste Abstürze

Eines seiner Alben widmete Miles Davis dem Boxer Jack Johnson, der 1908 als erster Schwarzer den Weltmeistertitel im Schwergewicht errungen hatte. Auch der Trompeter Davis war ein Boxer – als Amateur im Ring und in der Arena des Lebens. Als schmächtiger, unbescholtener Junge kam er 1944 nach New York. Zwei Jahre später musste er einen schweren Zusammenbruch seines von Heroin und Alkohol abhängigen Bandleaders Charlie Parker miterleben. Nach der Rückkehr von seiner ersten Europa-Reise im Jahre 1949 – Paris liegt ihm zu Füßen und Miles schwärmt für Juliette Gréco – verfällt Miles Davis im tristen Musikalltag von New York selbst den Drogen. 1954 schafft er es – wenngleich nicht für immer –, sich von der Sucht zu befreien. Der Kraftakt ist enorm und sagt einiges über die Willenskraft von Miles Davis aus. Nach einer „Cold Turkey“ benannten Methode gelingt ihm der Selbstentzug: „Es ging mir schlecht, und ich war dieses Zeug leid geworden. Wisst ihr, man kann alles satt kriegen, auch das Angsthaben. Ich legte mich aufs Bett und fing an, zwölf Tage hintereinander die Decke anzustarren. Es war wie eine schwere Form von Grippe, nur etwas schlimmer. Ich musste alles erbrechen, und ich stank, als ob ich in Hühnerbrühe eingetaucht gewesen wäre, nur etwas schlimmer. Dann hörte es auf.“

Krise und Sucht

Miles Davis ist mehrfach tief abgestürzt und wieder aufgetaucht. Als besonders gravierend erwies sich sein Rückzug Mitte der Siebzigerjahre: „Von 1975 bis 1980 rührte ich mein Horn nicht an, über vier Jahre rührte ich es nicht ein einziges Mal an. Es verschwand einfach aus meinen Gedanken, weil ich mit anderen Dingen beschäftigt war; Dinge, die zum größten Teil nicht gut für mich waren.“ Der sich verschlechternde Gesundheitszustand wird zum Auslöser für die Krise mit neuerlichen Symptomen der Sucht. Miles Davis erleidet einen Kollaps mit blutendem Magengeschwür und eine Lungenentzündung, muss sich einer Hüftgelenks- und einer Stimmbandoperation unterziehen. Über die Motive seines Rückzugs sagte der Trompeter: „Gelangweilt, das ist das Wort. So gelangweilt, dass du gar nicht mehr wahrnimmst, was Langeweile überhaupt ist. Ich ging vier Jahre nicht aus dem Haus.“

Foto: Ssirus W. Pakzad

Nachdem die Musikwelt den Trompeter schon fast abgeschrieben hat, gelingt ihm noch einmal ein Aufstieg aus eigener Kraft. 1980 ist Miles Davis wieder da. Der schwarze Prinz etabliert sich als Held der Pop-Kultur, avanciert zum Kunstprodukt, bastelt am eigenen Mythos und mischt wieder neue Sounds zusammen. Was seine Physis anbelangt, so ist er nur noch ein zusammengeflicktes Wrack. Doch das gestylte Fabelwesen behauptet sich durch eine Überdosis Ego, Kreativität, Modebewusstsein und visionäre Klangvorstellungen. Mit ausgefeilten Studioproduktionen wie „Decoy“, „You’re Under Arrest“, „Aura“, „Tutu“ und „Amandla“ sowie mit begeistert aufgenommenen Live-Konzerten beflügelt er den musikalischen Zeitgeist. Das Album „Tutu“ wird vom Musikkritiker Mike Zwerin als „Soundtrack zum Jahrzehnt“ bezeichnet. Miles hat es Bischof Desmond Tutu gewidmet. Einen anderen Aspekt schwarzer Realität reflektiert er mit „You’re Under Arrest“: „Die Idee entstand aus den Problemen, die Schwarze überall mit der Polizei haben.“ Und er fügte eine wohl eher untypische, aber für seine Lebensumstände bezeichnende Episode an: „Sobald ich in Kalifornien durch die Gegend fahre, kriege ich Ärger mit der Polizei. Es gefällt ihnen einfach nicht, dass ich in einem gelben 60.000-Dollar-Ferrari spazieren fahre.“ Kein Jazztrompeter, kein Improvisator, auf welchem Instrument auch immer, kein Komponist mit Antennen für die Klänge ringsum, wird Miles Davis ausklammern können. Man mag ihn mögen oder hassen. Unmöglich, ihn zu ignorieren. Allein das wäre ein Triumph für einen Musiker, der in der Gegenwart gelebt und in die Zukunft gedacht hat, der bei Charlie Parker in die Lehre ging, sich mit Karlheinz Stockhausen und John Cage beschäftigte, der Jimi Hendrix und Prince bewunderte und doch nie vergaß, was er als Kind auf den Landstraßen in Arkansas hörte – den Gesang der Verzweiflung, den Blues des Zusammenbruchs und den Sound des Über-Lebens. Auch nach seinem Tod werden Leben und Werk von Miles Davis Musikwissenschaftler, Soziologen, Psychologen und Biografen zu Detailuntersuchungen inspirieren. Wichtiges erfährt man vor allem aus seiner zwischen Trauer und Stolz, zwischen Melancholie und Aggressivität schwebenden Musik wie auch aus seinen verbalen Selbstäußerungen.

„Als Schwarzer bist du immer Schauspieler“

In seiner Autobiografie schreibt er: „1986 machte ich noch ‘ne andere interessante Erfahrung. Ich spielte in einer Folge von ‚Miami Vice‘ einen Zuhälter und Drogenhändler. Während der Dreharbeiten fragte mich jemand, wie ich mich als Schauspieler fühle, und ich sagte: ‚Als Schwarzer bist du immer Schauspieler.’ Und das stimmt. In diesem Land spielen die Schwarzen jeden Tag irgendwelche Rollen, damit sie durchkommen. Wenn den Weißen klar wäre, was in den Köpfen der meisten Schwarzen vorgeht, hätten sie eine Todesangst. Aber die Schwarzen haben nicht die Macht, den Mund aufzumachen, also setzen sie Masken auf und leisten großartige Schauspielerarbeit, damit sie den verdammten Tag überstehn.“ Und fast am Ende seines Buches (und seines Lebens) notiert Miles: „Der Zwang, Musik zu spielen und zu komponieren, ist heute bei mir noch viel stärker als am Anfang meiner Karriere. Es ist wie ein Fluch. (...) Und ich bin glücklich, dass mir diese Gabe geblieben ist; ich fühle mich wirklich gesegnet.“ Noch wenige Wochen vor seinem Tod am 28. September 1991 infolge von Lungenentzündung, Atemnot und Schlaganfall konzertierte Miles Davis in der Londoner Royal Festival Hall und in der Hollywood Bowl. Über den Boxer Jack Johnson sagte er einmal: „Er starb, wie er lebte – in einem schnellen Wagen.“

Bert Noglik

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