(Text und Fotos von Stefan Pieper) 60 Meter über dem Moers-Festival in der Sponsor-Kran-Gondel: Spielzeughaft breitet sich funktionale Nüchternheit aus. Die schmucklose Festivalhalle, umgeben von anderen Gebäuden. Buden, Menschengewimmel, Fahrzeuge, kleine Konzertbühnen. Im Hintergrund verstreute Campingzelte im weitläufigen Park. Ruhrgebiets-Zechentürme und grüne Landschaft bis zum Horizont. Der von unten heraufwehende elektrische Gitarrensound erinnert an eine verwehte Jimi-Hendrix-Improvisation. So handzahm „erlebt“ man Caspar Brötzmann selten, der tief unten auf einer kleineren Kran-Bühne agiert. Tim Isfort hatte den Sohn des „Festival-Pioniers“ Peter Brötzmann zu Recht gebeten, an diesem Ort sanfter zu spielen. Es muss einen auch etwas auffangen aus dieser luftigen Höhe… Renaissance-Kunst zwischen Mensch und Maschine Der erste Tag dieser 54. Festivalausgabe pulverisierte die kulturellen Hierarchien, vor allem mit einer Premiere: Das Projekt „Multiple Voices“ führte Thomas Tallis‘ „Spem in Alium“ (1570) fünf Stunden lang auf. Terry Wey (Countertenor) und Ulfried Staber (Bariton) singen live, während Soundengineer Markus Wallner die Stimmen durch den Raum schichtet. Aus zwei werden vierzig Stimmen. Das Publikum – vom ergrauten Jazzveteranen bis zu hippen Zwanzigjährigen – wird Teil einer kollektiven Meditation. Den distinguierten Herren hinter den Notenpulten haftet eine Aura von …
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