Groove und Klasse bei den Ingolstädter Jazztagen

Fast zu viel des Guten

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Die Jazzparty der Ingolstädter Jazztage steht diesmal ganz im Zeichen des künstlerischen Leiters Wolfgang Haffner. Alles hat Groove und Klasse, aber neun Acts bringen die Zuhörer an die Grenze der Aufnahmefähigkeit

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Schon immer waren die Jazzpartys Höhepunkte der Jazztage Ingolstadt. Daran hat sich auch wenig geändert, seit Wolfgang Haffner die künstlerische Leitung übernommen hat und man vom NH Hotel ins schmucke neue Maritim Hotel umgezogen ist. Allerdings gibt es statt zwei Abende nur noch einen, der freilich statt mit sechs mit acht Acts (plus jeweils einer Session-Band) bestückt ist.

War Haffner im vergangenen Jahr noch gar nicht dabei, weil er die Leitung so kurzfristig übernommen hatte, dass er außer bei Grand Opening und Grand Closing selbst auf Tour unterwegs war, so ließ er es sich heuer nicht nehmen, jedes Konzert selbst anzusagen. Die Begrüßungen fielen ihm nicht schwer, waren doch alles Bands musikalische Geistesverwandte oder gleich Freunde, mit denen er schon selbst gespielt hat.

Was mit Simon Oslender begann, seit einigen Jahren Haffners fester Pianist und Keyboarder. Nicht nur stellte der immer noch erst 27-Jährige wieder einmal unter Beweis – jedenfalls für die Besucher, die einen Platz im rappelvollen Saal ergattern konnten -, das er eines der souligsten und groovendsten Talente der hiesigen Szene ist. Er konnte auch mit erlesenen Begleitern aufwarten. Neben Bruno Müller und Will Lee der legendäre Steve Gadd. Und wer dachte, dass der inzwischen etwas 80-Jährige nicht nur in der Beweglichkeit auf den Beinen, sondern auch am Schlagzeug nachgelassen hat, der hatte sich getäuscht. Immer noch konkurrenzlos ist sein Feeling für groovende Figuren.

Im großen Saal 1 folgten auf sie Trompetenstar Theo Croker mit einer moderneren, jazzigeren Version einer multistilistischen, aber immer noch eingängigen Hochdruck-Beschallung. Während der Acid Jazz von Jean-Paul „Bluey“ Maunicks Incognito-Kollektiv inzwischen doch schon etwas Rost angesetzt hat. Vielleicht hat man es in Ingolstadt hnehin zum letzten Mal hören können, Maunick hat ernste gesundheitliche Probleme.

Für die cubbigeren Acts war der Saal 2 reserviert. Erst das jugendlich besetzte, frech vertrackte Sounds kultivierende Quartett des Blumentopf-Mitgründers Sepalot, dann die R’n’B- und Soulgetränkte, immer wieder überzeugende Show des Sänger, Mundharmonika-Spielers und Charismatikers San2.

Im Saal 3 schließlich gab es die feineren Töne. Erst das hörbar nordische, Pop in kammermusikalischen Jazz verwandelnde Duo der stimmgewaltigen Cæcilie Norby und ihres Ehemanns Lars Danielsson an Kontrabass und Cello. Dann – als ein Höhepunkt des Höhepunkts – das wieder einmal umwerfende Dieter Ilg Trio: Ilg selbst rückte sich erneut als einer der weltbesten seines Fachs ins Gedächtnis. So filigran, so swingend, so musikalisch, so melodisch und so wuchtig, wenn nötig. Nicht minder eindrucksvoll Rainer Böhm, der auf einer Stufe mit einem Michael Wollny stehen müsste, wenn es in der Musikrezeption gerecht zuginge. Und schließlich Patrice Heral mit seinem perkussiven Schlagzeugspiel und seinem eigenwilligen Humor. Alles zum ersten Mal nicht auf der Betrachtung einer Klassik-Ikone ausgerichtet, sondern unter dem Titel „Motherland“ auf Lieblingsstücken verschiedenster Provenienz, darunter eben auch viele eigene.

Und schließlich noch das kubanische-lateinamerikanische Element mit Marialy Pacheco und ihrem Trio, schwungvoll und lebenslustig. Bevor es oben in der Bar mit einer von Tom „Torpedo“ Jahn geleiteten Session auf die lange Schlussgerade ging.

Eine beachtliche Bandbreite wurde hier also abgedeckt, wenn auch das Sperrige, Avantgardistische, frei Improvisatorische ausgeblendet blieb. Was aber ja zum einem dem Geist von Wolfgang Haffner wie dem Sinn einer Jazzparty entsprach. Wenn man etwas einwenden könnte, dann die Masse: Neun Acts an einem Abend sind selbst für einen Berufs-Jazzhörer an der Grenze zur Aufnahmefähigkeit, abgesehen davon, dass man natürlich kein Konzert ganz anhören konnte, ohne Teile von anderen zu verpassen. Vielleicht wäre weniger mehr. Sechs Bands wie früher würden es auch tun.

Text und Fotos: Oliver Hochkeppel
Beitragsbild: die britische Acid Jazzz-Band Incognito

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