Adlmannstein. Von der Elbphilharmonie Hamburg ins Schaulager in Adlmannstein in der Oberpfalz. Je nach Standpunkt adelt diese überspitzte Formulierung den Kunstraum in der Gemeinde Bernhardswald oder es meint hämisch den Abstieg eines Künstlers. Bei Lorenz Kellhuber liegt man mit beidem daneben. Der bei Regensburg aufgewachsene Musiker, der seit längerem in Berlin lebt und eine Professur an der Hochschule in Dresden hat, sucht sich seine Auftrittsorte nach eigenen Kriterien aus. Dazu gehören bei ihm eine starke regionale Verbundenheit, die Lust auf Neues und ein gänzlich uneitles Auftreten.
Für die beiden Galeristen, die das Schaulager in einer umgebauten Scheune betreiben, war das Konzert des Pianisten in mehrfacher Hinsicht eine Premiere. Eigens für dieses und ein weiteres Klavierkonzert wurde ein Flügel angemietet und Kellhubers Auftritt war vermutlich das erste Klavier-Solokonzert in der Geschichte der Ortes. Es fand im Rahmen der Ausstellung von Margit Luf „Ein Sterntalerleben“ statt.
„Der Einstieg und das Ende“, antwortete Kellhuber auf eine Frage von Galerist und Moderator Ingo Kübler nach dem anhaltenden Schlussapplaus, wie er denn wisse, wann Schluss sei, „ist das Schwierigste“. Den Zuhörenden wurden diese Klippen kaum bewußt. Für sie waren die einzelnen Töne, die Kellhuber anfänglich fragend und tastend durch den hohen Raum schickte, ein perfekter Zugang, um sich auf das Kommende zu konzentrieren und einzulassen. Kellhuber selbst wies kurz zuvor in seiner Begrüßung darauf hin, dass er nie wisse „was passiert“ und wohin „mich die Musik führt“. Dabei spiele der für ihn neue Raum, das Licht und „die Offenheit und Mitwirkung von ihnen“, dem Publikum eine Rolle.
Tatsächlich schien Kellhuber im ersten Teil der über einstündigen völlig freien Improvisation die Natur, die Vögel, deren Rufe gelegentlich wahrnehmbar waren, den Regen und das Licht zu ergründen. Der helle Raum, der im Unterschied zu üblichen Konzertbedingungen nicht abgedunkelt war und damit eine viel größere Nähe zum Publikum bot, erwies sich dabei als akustisch bestens geeignet. Nach einem verhaltenen Übergang verdüsterte sich die Musik zunehmend. Sie wurde härter, spannungsreicher und bot in packender Gestaltung hinter jeder Wendung, jedem dichten Akkord neue Überraschungen, gar Schrecken bereit zu halten. Aus diesen aufwühlenden, dunklen Abgründen lotsten versöhnlichere Klänge den in sich versunkenen Pianisten in ruhigeres Fahrwasser.
Die Stimmung veränderte sich mehrmals während des Konzertes, wobei die Klänge vom feinsten pianissimo bis zum forte immer eine starke Körperlichkeit ausstrahlten. Hatte die dunkle Periode einen filmischen Charakter, bekam die ruhigere, erhaben klingende Passage einen leicht melancholischen Touch. Direkt danach erfolgte ein Aufbruch in eine quicklebendiges Spiel, in dem sich tanzende Elfen und Gnome auszutoben schienen. Dabei tauchte Kellhuber wieder vermehrt aus einer gebückten Haltung hervor, mit der er zeitweise fast in das Instrument hinein gekrochen war.
Waren genremäßige Einordnungen während der Improvisation bedeutungslos, outete sich Kellhuber mit dem Jazzstandard „Here´s that rainy day“ von Jimmy van Heusen in einer kurzen Zugabe als famoser und begeistert gefeierter Jazzpianist.
Info: Seit Mai 2020 gibt es das KUNSTPARTNER Schaulager für Künstlernachlässe eröffnet in Adlmannstein (Bernhardswald). Das Obergeschoss eines Stadels wurde bis auf die vorhandene Dachstuhlkonstruktion komplett erneuert und zu einem Dreiklang aus moderner Stadelansicht außen, samtblauer Hülle darunter und einem White Cube im Innenraum ertüchtigt. Hier betreuen die Kunstpartner Wilma Rapf-Karikari und Ingo Kübler den Vorlass von Margot Luf und die Nachlässe von Susanne Böhm und Max Bresele, diesen als Kooperationspartner des Kunstv. Weiden. Eine weitere Matineeveranstaltung rundet das Programm zum 5-jährigen Bestehen des Schaulagers ab. Am 15. Juni (11 Uhr) spielt Kilian Langrieger ein klassisches Klavierkonzert. Anmeldung unter: info@kunstpartner.eu oder telefonisch 0175 3609109.