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Jazzzeitung

2005/12  ::: seite 13

portrait

 

Inhalt 2005/12-2006/01

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / News / break
no chaser:
Mozart marschiert
Jazzle g'macht:
Mein Marsch zum Jazz, Teil I
Farewell: Shirley Horn


TITEL


Ein Souverän der ersten Liga
German Jazz Trophy 2005 geht an Kenny Wheeler


DOSSIER:
KANSAS CITY
Die Coon-Sanders Nighthawks – Begründer des Kansas-City-Jazz


BERICHTE
/ PREVIEW

Jazzfest Berlin // 29. Leipziger Jazztage // Rabih Abou Khalil und Pianist Joachim Kühn in Hamm // Stimmenfang Nürnberg //Wolfgang Haffner in Regensburg // 22. Taktlos-Festival Zürich // Jazz im Audiforum Ingolstadt im Frühjahr 2006


 JAZZ HEUTE

Vernetzung ist Trumpf
Die Macher der Messe „jazzahead!“ im Interview


 PORTRAIT / INTERVIEW

Sängerin und Songwriterin Jhelisa Anderson // Jazz-O-Rama mit Matthias Schriefl // Dave Brubeck // Peter Herbolzheimer


 PLAY BACK / MEDIEN


CD. CD-Rezensionen 2005/12
PlayBack. Wieder da – Kraan: Live 88, Nachtfahrt, Wiederhören
Bücher. Neue Bücher zu Wayne Shorter, dem Saxophon und Del Courtney
Noten. Neues Notenmaterial für Blechbläser und Schlagzeuger
Instrumente. Instrumenten-News
DVD. „Um Mitternacht“, „Bird“ & „Thelonious Monk“


 EDUCATION

Fortbildung // Ausbildungsstätten in Deutschland (pdf)
Abgehört 37. Sounds aus der elektrischen Phase
Soli von Herbie Hancock, Teil II: Reise in die Seventies
Die saugen einen aus
Die Jazz Juniors trafen sich in Marktoberdorf

SERVICE


Critics Choice

Service-Pack 2005/12 als pdf-Datei (Kalender, Clubadressen, Jazz in Radio & TV (264 kb))

Musik als Ausdruck des Überlebens

Sängerin und Songwriterin Jhelisa Anderson

Mit Musik ist sie aufgewachsen, die Songwriterin und Sängerin Jhelisa Anderson: stets wurde in ihrer Umgebung gesungen, Klavier gespielt und vieles mehr. Unlängst nahm sie ihr neues, „Discovery of Amazing“ betiteltes Album auf – in New Orleans, mitten im Herzen des amerikanischen Jazz. Als die altehrwürdige Metropole dann in den Fluten versank, büßte Jhelisa im Lauf der Katastrophe auch einige ihrer dort gelagerten Masterbänder ein. Das alte New Orleans ging unter. Doch den lebendigen Puls dieser Stadt, sagt sie, trage sie weiter in sich.

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Jazzzeitung: Du wurdest in eine musikalische Familie hineingeboren, standst bereits als kleines Kind auf der Bühne. Ist Singen für dich etwas, das sozusagen natürlich und von selbst kam?
Jhelisa Anderson: Ja, das Singen kam einfach so. Es ist für mich so grundlegend wie der Lidschlag des Auges, oder wie die Füße beim Gehen voreinander zu setzen – wenn man das von klein auf kennt … nein, singen fiel mir leicht! Auch hat mich niemand gezwungen, Klavierunterricht zu nehmen. Bei uns zuhause war eben einfach ein Klavier da. Ich durfte ran, wenn mir danach war – genau wie bei meinen anderen Spielsachen auch: Die Klaviertasten waren wie ein weiteres Spielzeug für mich; bestimmt die beste und gesündeste Art für ein Kind, etwas Neues zu entdecken. Ohne Zwang.

Jazzzeitung: Deine Songtexte sind oft extrem kritisch, es gibt wenig Themen, die du nicht anschneiden würdest. Kritik äußern, dem Hörer mitteilen, was sich hinter den verschlossenen Türen von Massenmedien und politischer Korrektheit abspielt, ist das die Pflicht jedes Songwriters?
Anderson: Ich glaube nicht daran, irgendwelche Regeln oder Vorschriften für Singer-Songwriter aufzustellen. Wir sind alle verschieden. Dein Herz bestimmt, welche Dinge zu einem bestimmten Zeitpunkt im Leben aus dir herausdrängen, um gesagt zu werden. Mein Motto: Ich lerne die Welt gerade erst kennen – und schreibe über das, was mir auf meinem Weg auffällt, was mir wichtig erscheint.

Wenn ich über das amerikanische Schulsystem rede, spreche ich immer von Gehirnwäsche. Du erfährst ja rein nichts, wenn du nicht das Glück hast, dass deine Eltern dir noch eine andere Sicht der Dinge beibringen. Und dann ist da noch deine Umgebung, dein Kulturkreis, der deinen Blickwinkel bestimmt und einengt … wie eine Falle, der man schwer entrinnt. Was mich angeht, eine zweifache: zunächst, geschlechtsspezifisch bestimmt, die Perspektive einer jungen Frau. Dann, durch meine Hautfarbe, die einer jungen schwarzen Frau.

Man ist vorwiegend gefangen in der Rolle seines Geschlechts, dann der seiner Rasse. Und dann ist man Teil einer bestimmten Schicht. Was zu stark zurücktritt, ist die Erkenntnis, einfach Mensch zu sein. Und was es bedeutet, ein menschliches Wesen auf dieser Erde zu sein, darüber sagt einem keiner was. Mir gefällt aber genau diese Sicht auf die Dinge, es ist die offenste von allen.

Jazzzeitung: Ist das schon Philosophie oder noch Kulturkritik?
Anderson: Die Zwänge kultureller Fesseln faszinieren mich immer. Schwarz zu sein und eine Frau… Also, was kann man darüber noch erzählen? Hier die augenfällige Unterdrückung, dort die attraktive, schöne, angenehme Seite. Und dann … was? Man hat immer nur ein bestimmtes, eingeschränktes Bild. Je nachdem, was deine Umgebung meint, wie das Leben als Frau eben sei. Entsprechend fühlst du dich unterdrückt oder geliebt.

Was macht den Menschen aus? Dahin bewege ich mich, reise, interessiere mich für die kleinen Dinge. Elementares erfahren … die Biologie meines Körpers, seine Verbindung zur Physik des Tisches, an dem wir sitzen. Zur Luft, zum Himmel. Die Kultur ist in meinen Augen nur eine Hülle, ein Überwurf, wie Kleidung, die man trägt – es ist nichts, was fest und stetig wäre. Ist ja in Ordnung so; kleide ich mich eben in diese meine Haut, in diese meine Umgebung!

Joe Sample sagte zu mir in einem Interview – er sprach von den Musikern in New Orleans: „Ich war beeindruckt, wie die jungen Leute ihre Instrumente beherrschten. Das waren 16-, 17-Jährige, die nicht nur aus Spaß und Freude spielten, sondern für das nackte Überleben!“

Wow! Das ist großartig beschrieben von Joe Sample „… fürs nackte Überleben!“. Sehr wahr. Das ist ihr Rettungsanker. Ihre einzige Sicherheit. Ihre Art von musikalischem Ausdruck, ihre individuelle Methode, sich selbst zu finden.

Jazzzeitung: Im New Orleans vor der großen Flut zu bestehen, hieß das also für die jungen Musiker, jeweils der beste sein zu wollen?
Anderson: Ja, das ist wirklich wahr: Als ich nach New Orleans kam, stand an jeder Straßenecke ein kleiner Louis Armstrong mit seinem Horn und wartete auf den Bus. Stand da, wartete … und spielte! Das hatte ich vorher in Amerika noch nirgends erlebt. Es tat gut, das mal zu sehen. Weil daraus Hoffnung spricht, und das ist so verdammt wichtig.

Das steht für diese ganze Stadt; Ähnliches habe ich nur in Brasilien gesehen. Mir erschien es, als ob New Orleans auf sehr gesunde Weise funktioniere, weil sich jeder in der Gemeinschaft seinen persönlichen Platz schafft – nicht wie anderenorts, wo die Leute dem Rudel folgen und nur vor der Glotze hängen. Es gehört zu den echt gefährlichen Dingen in Amerika, dass die Leute im Wesentlichen ihre Persönlichkeit übers Fernsehen bilden. Mit Melodien und Rhythmus aufwachsen bedeutet so viel mehr als diese vorgekauten Konserven: Der Puls des Lebens. Du berührst die Welt auf eine ganz unmittelbare Weise, die seit Jahrmillionen existiert. Wie ein Tier, sei es ein Löwe oder ein Insekt, das sich definiert, dadurch dass es sich bewegt, lebt, überlebt: Musik ist ein Ausdruck des Überlebens, wie Joe Sample sagt. Das trifft es auf den Punkt.

Interview: Carina Prange

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