Pfeifen im dunklen Wald – eine subjektive Bilanz der Jazzahead 2025

Gute Miene zum bösen Spiel – so könnte man die Stimmung bei der Jazzahead 2025 in Bremen zusammenfassen. Mit dem Krisenmodus wohl vertraut, lassen die meisten Besucher dieses großen Familientreffens der Jazz-Gemeinde – und der immer noch größten Fachmesse des Genres in Europa – sich von ziemlich sicher kommenden neuen Grausamkeiten erstaunlich wenig beeindrucken.

Wer im Jazz zuhause ist und regelmäßig die Jazzahead besucht, der braucht für die 150 Meter vom Messe-Eingang bis in die Halle gerne mal eineinhalb Stunden. Denn man kommt keine zwei Meter weit, ohne wieder jemanden begrüßen zu müssen. Freilich sind es nicht ganz dieselben Player wie in Vor-Corona-Zeiten, als die Messe noch ein ordentliches Stück größer war. Die Booker und Agenten schwirren noch herum, und eher noch mehr Musiker, nicht nur die, die bei einem der 32 Showcases oder den 60 Konzerten der Clubnacht spielen.

Dafür gibt es so gut wie keine Stände von Labels mehr, und auch die Veranstalter haben sich eher rar gemacht. Einer der da war, Michael Stückl vom Münchner Jazzclub Unterfahrt, schätzt, dass vom Veranstalter-Verband „European Jazz Network“ nur ungefähr zehn Prozent vertreten waren. Gebuchte Stände finden sich fast nur noch von Institutionen und Ländern. Was zur Folge hat, dass einem auf der Jazzahead ganz überwiegend Leute begegnen, die etwas verkaufen wollen. Aber nur noch sehr wenige Käufer. Umso erstaunlicher, wie aufgeräumt die Stimmung trotzdem war. Höchstens „durchwachsen“, wie mancher noch zugestand.

Dabei hätte es Gründe genug gegeben, laut wehzuklagen oder Alarm zu rufen. Aber vom Kahlschlag der Jazz-Sendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk über die schon anlaufenden Kürzungen öffentlicher Förderungen bis zur GEMA-Reform wurde gewissermaßen nur hinter vorgehaltener Hand geredet. Dabei sind dies alles Dinge, die das ohnehin schon minimierte Einkommen der Jazz-Musiker und am Ende auch die Umsätze der an ihnen hängenden, sehr klein gewordenen Industrie ernsthaft bedrohen.

Symptomatisch mochte einem erscheinen, dass von den in neun Kategorien von „Awareness“ und „Sustainability“ über „Funding“ und „Export“ bis zu „Networking“ aufgeteilten 45 Panels und Podiumsveranstaltungen ganze zwei zum Thema „Jazz In The Media“ stattfanden: „Finally All That Jazz“ und „The State Of Jazz On The Radio“ hießen die – offensichtlich hat man sich damit abgefunden, keine Rolle mehr zu spielen.

So wurde einem als Journalist – und damit halbwegs neutralem Beobachter – die Diskrepanz umso deutlicher. Nämlich die zwischen der Entwicklung von Vermittlung, Vermarktung und Versorgung des Jazz und der Entwicklung der Musik selbst. Denn bei den halbstündigen Showcases (wie auch den Konzerten der Clubnacht), ob nun mit Künstlern aus den „Re-Connect“-Gastländern Spanien, Frankreich und Schweiz, den unter dem Logo „German Jazz Expo“ versammelten einheimischen oder Bands aus aller Welt: Hier war wieder die ganze Pracht dieser sich mit immer mehr herausragenden Musikern geradezu exponentiell entwickelnden Musik zu erleben. Obwohl einem manche Jurorin und mancher Juror unter der Hand gestand, dass seine Favoriten gar nicht erwählt und damit vertreten waren.

Man konnte wie immer nur einen Bruchteil der gebotenen Musik hören, aber auch so waren die Eindrücke stark. Was man zum Beispiel von einem Marco Mezquida auch erwarten konnte, der wie immer keine Angst vor Pathos und Emphase hatte, aber dies mit seiner Technik, seinem Tempo und seiner Lebensfreude ins Ziel brachte. Oder auch von Eva Klesse, die mit ihrem „Stimmen“-Projekt begeisterte, in dem nicht zuletzt Michael Schiefel wieder einmal einen ganz großen Auftritt hatte. Auch der ja stets von Fado-Melancholie angehauchte Carlos Bica, das israelische Powertrio Shalosh oder das Nils Kugelmann Trio waren sichere Sachen.

Und wie immer gab es reichlich Raum für Entdeckungen. Die Kenianerin Kasiva Mutua etwa, kein Jazz-Act und musikalisch nicht revolutionär, erwies sich im vierten eigenen Konzert ihres Lebens als geborene Entertainerin, die den Saal im Sturm eroberte. Der 27-jährige Senegalese Momi Maiga wiederum spielte die Cora so modern und jazzig, wie man sie selten gehört hat. Und wer den Posaunisten, Elektroniker und kommenden Star Robinson Khoury mit seinem unwiderstehlich druckvollen, so noch nicht gehörten Mix der Stile und Kulturen noch nicht auf dem Zettel hatte, der wusste es nach dessen Abschlussauftritt besser.

So kann man als Fazit festhalten, dass man sich um die Musik selbst nach wie vor keine Sorgen machen muss. Qualität, Vielfalt und Innovation ist im Jazz und den angrenzenden Bereichen in Hülle und Fülle vorhanden. Aber die Vermittlung und nicht zuletzt der Verkauf dieser Musik wird immer schwieriger. Was auf dieser Jazzahead eher mit einem Pfeifen im dunklen Walde zur Kenntnis genommen wurde.

Beitragsfoto: Kasiva Mutua
Text und Fotos: Oliver Hochkeppel

 

 

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