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Jazzzeitung

2011/02  ::: seite 9

jazz heute

 

Inhalt 2011/02

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Jazzlexikon: Charlie Mariano Farewell: George Shearing


TITEL - Basar der Perspektiven
Über den Jazz in der arabischen Welt

DOSSIER Im Osten viel Neues
Die Pianisten Djangirov, Hamasyan und Neselovskyi


Berichte

Lisa Bassenge entdeckt ihre Muttersprache // Bujazzo: Frühjahr-Arbeitsphase // Das Festival Women in Jazz // Armin Mueller-Stahl veröffentlicht mit 80 Jahren sein Debüt-Album


Portraits

Brigitte Angerhausen // Nguyên Lê // Vokalquartett „Niniwe“ // Magnus Öström // Klaus Treuheit // Neuer Deutscher Jazzpreis 2011 // Neue CDs von Acoustic Music


Jazz heute und Education
Jazz e.V. Dachau ist umgezogen // Zwölf CDs mit Schätzen der „Free Music Production“ // jazzahead! 2011: ein Interview mit Ulrich Beckerhoff // Südtirol Jazzfestival 2011 // Jazz-Workshop für Studenten und Amateure im Münchner Gasteig // Abgehört: Zum 85. Geburtstag von Miles Davis
Miles Davis’ Solo über „Sweet Pea“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Der Himmel der Ungezähmten

Zwölf CDs mit Schätzen der „Free Music Production“ aus 40 Jahren

Das ist eine Schatzkiste. Fünf Kilo radikale Töne. Verstörende und verwegen schöne Musik. Eingepackt in diskretem Paketgrau – doch der Inhalt entführt mit Urkräften in andere Welten.

Da sind die grollenden, rumpelnden und fein zirpenden Klang-Erkundungen des Bassisten Peter Kowald, solo im Jahr 2000 im Berliner Spielort Podewil.

Da ist die klirrende, pulsierende, ganz fein ziselierte freie Kammermusik des Trios von Pianistin Irène Schweizer, Schlagzeuger Louis Moholo und dem Blas-Instrumentalisten Rüdiger Carl 1975 in Moers und Graz.

Da ist der losgelassene Bienenschwarm schwirrender Klänge und das Knarzen und Kribbeln leiser Geräusch-Aktionen vom Quartett des Pianisten Alexander von Schlippenbach 1975 und 1977 im Berliner Konzertsaal Quartier Latin.

Und viel mehr. Zwölf CDs plus ein über 200-seitiges Buch im LP-Format mit vielen Fotos – das Ganze unter dem Titel „FMP Im Rückblick – In Retrospect 1969 bis 2010“. FMP steht für „Free Music Production“. Dieses Label gründete der Sozialarbeiter und Musiker Jost Gebers zusammen mit Peter Brötzmann, Peter Kowald und Alexander von Schlippenbach 1969 nach dem ersten Berliner „Workshop Freie Musik“.

Die FMP wurde zu einem „Zentrum der europäischen Jazz-Entwicklung“ – wie es der Schweizer Publizist und Musikverleger Patrik Landolt auf den Punkt brachte. Was Rang und Namen hatte in der Welt der schrankenlosen Klänge, nahm bei FMP auf und spielte beim „Total Music Meeting“, dem Free-Jazz-Festival, das jedes Jahr parallel zum „JazzFest Berlin“ stattfand. Eine starke Aura umgibt die Namen FMP und „Total Music Meeting“. Die Aura von langen, tönenden Nächten im Quartier Latin in der Potsdamer Straße – mit bärtigen Männern als Türhüter, die junge Neuankömmlinge kritisch beäugten. Eine Aura auch von musikalischen Großtaten. Die vielleicht berühmteste: ein einmonatiges Arbeitsprojekt des großen Free-Jazz-Pianisten Cecil Taylor 1988 in West- und Ostberlin – veröffentlicht in einer aufregenden und wunderbar gestalteten CD-Box mit vielen Stunden voller musikalischer Abenteuer.

Nun also ein Nachschlag mit ganz anderen Akzenten: Aufnahmen aus diversen Jahren von diversen Orten. Das Globe Unity Orchestra, das Free-Jazz-Orchester schlechthin, in Baden-Baden 1975. Saxophonist Steve Lacy in Berlin 1975 und 77. Cellist Tristan Honsinger mit Gitarrist Olaf Rupp 2010 in Berlin. Und: der Saxophonist und Klarinettist Peter Brötzmann (der am 6. März 2011 siebzig geworden ist) einmal solo 1976 und einmal im Quintett 1994 – mit den schönen Titeln „Wolke in Hosen“ und „Die like a dog“. Musik für lange, intensive Entdeckungsreisen. Musik, die nach Pech und Schwefel riecht – und in den siebenten Himmel der Ungezähmtheit führt.

„Und tschüss“, endet Jost Gebers’ Anschreiben in der Postsendung der Box. Endgültiger Abschied? Man weiß es nicht. Auch die Geschichte von FMP nach einer Aufspaltung im Jahr 2000 und dem schweren Fehler Gebers’, damals wegen persönlicher Rückzugspläne die Berliner Senatszuschüsse für das „Total Music Meeting“ aufzukündigen, ist schwer zu begreifen – selbst nach Lektüre sehr substanzreicher Beiträge im Begleitbuch der CD-Box. Man liest, grübelt. Und hört. Zwölf und mehr Stunden – und hofft auf weitere zu hebende Schätze. Mit kompromissloser und immer noch hoch spannender Musik.

Roland Spiegel


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