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Jazzzeitung

2011/02  ::: seite 4

jazzlexikom

 

Inhalt 2011/02

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Jazzlexikon: Charlie Mariano Farewell: George Shearing


TITEL - Basar der Perspektiven
Über den Jazz in der arabischen Welt

DOSSIER Im Osten viel Neues
Die Pianisten Djangirov, Hamasyan und Neselovskyi


Berichte

Lisa Bassenge entdeckt ihre Muttersprache // Bujazzo: Frühjahr-Arbeitsphase // Das Festival Women in Jazz // Armin Mueller-Stahl veröffentlicht mit 80 Jahren sein Debüt-Album


Portraits

Brigitte Angerhausen // Nguyên Lê // Vokalquartett „Niniwe“ // Magnus Öström // Klaus Treuheit // Neuer Deutscher Jazzpreis 2011 // Neue CDs von Acoustic Music


Jazz heute und Education
Jazz e.V. Dachau ist umgezogen // Zwölf CDs mit Schätzen der „Free Music Production“ // jazzahead! 2011: ein Interview mit Ulrich Beckerhoff // Südtirol Jazzfestival 2011 // Jazz-Workshop für Studenten und Amateure im Münchner Gasteig // Abgehört: Zum 85. Geburtstag von Miles Davis
Miles Davis’ Solo über „Sweet Pea“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Charlie Mariano

12. November 1923 Boston, Massachusetts bis 16. Juni 2009 Köln

Die Quirligkeit des Bebop und die Meditativität des Ostens, sie scheinen nur ein Widerspruch. Die Jazzgeschichte lehrt: es waren ausgerechnet Bopper, Vertreter einer recht unmeditativen, rastlos-großstädtischen Musik, heute über 70-, 80-jährige Bläser wie Yusef Lateef, John Handy, Tony Scott und eben Charlie Mariano, die nicht nur als erste im Jazz eine geistige und musikalische Nähe zu Asien empfanden, sondern noch im frühen 21. Jahrhundert zu den überzeugendsten Vertretern dessen gehörten, was Joachim-Ernst Berendt in den 60er-Jahren „Weltmusik“ taufte.
Charlie Mariano war wirklich beides auf Höchstniveau: ein an Charlie Parker geschulter, doch eigenständiger Altsaxophonist mit einem eindringlichen Sound und Weltmusiker der ersten Stunde, der diversen Blasinstrumenten Leben einhauchte.

Im Laufe seines 85-jährigen Lebens machte er in einer Spanne von über 60 Jahren über 300 Jazzplattenaufnahmen: Was er in den ersten 20 Jahren seiner Laufbahn spielte, lässt sich ja noch in Schubladen stecken: Bebop, West Coast Jazz, Bigband Jazz, modaler Jazz. Von da ausgehend wuchs er immer mehr zum grenzüberschreitenden Solisten. Jazz, das hieß bei dem Italoamerikaner, der in den 50er-Jahren zu den wichtigsten Beboppern der Bostoner Szene gehörte, seit etwa 40 Jahren meist „Jazz und…“: Jazz und Tango, Jazz und arabische Musik, Jazz und Rock, vor allem aber immer wieder, Jazz und indische Musik.
Seine Vielseitigkeit hatte nichts mit Beliebigkeit zu tun. Im Gegenteil: Er hatte einen der persönlichsten, am leichtesten zu identifizierenden Sounds der Jazzgeschichte; es war ein Sound, der zu Tränen rühren konnte und der die tiefe Menschlichkeit offenbarte, die der Künstler auch als Mensch ausstrahlte. So konnte man immer wieder ein kleines Wunder erleben: Ob er mit dem indischen Karnataka College of Percussion, mit Stan Kenton oder Konstantin Wecker auf der Bühne stand, immer hörte man unverkennbar Charlie Mariano, immer bekundete jeder Ton tiefes, eigenes Erleben. Nicht etwa die geschickte Anpassung an eine andere Umgebung. Er trug die ganze Welt in seinem Herzen. Bäume mit starken tiefen Wurzeln können ihre Äste frei nach allen Seiten ausbreiten, ohne Furcht, den festen Stand zu verlieren.

Die bewegende Ausdrucksintensität des großen Saxophonisten Charlie Mariano, der so lange als Wahlkölner auch unsere deutsche Jazz-Szene bereicherte, können wir seit Juni 2009 nur noch auf Tonträgern erleben. Es gibt wenige Musiker, die noch so präsent sind, nicht nur in unserer Erinnerung, sondern zum Glück auch in Form von neuen Alben, die seit seinem Tod immerfort erscheinen und schlicht überragend sind, sei es „The Great Jazz Concert“ mit Philip Catherine und Jasper van’t Hof Live-Schwanengesang, der bewegende, auf Enja erschienene Schwanengesang oder „Good Times“, ein vom Preis der Deutschen Schallplattenkritik auf die Bestenliste gesetztes, von Nagel Heyer veröffentlichtes Album, das er noch als Gast des Martin Sasse Trios eingespielt hat. Selbst eine packende LP, die aus intensiven Zwiesprachen mit seinem langjährigen Basspartner Dieter Ilg besteht, wurde posthum unlängst vom kleinen, feinen audiophilen Label Sommelier du Son auf Vinyl gepresst: „Goodbye Pork Pie Hat“.

Jedes dieser Alben ist ein reiches Geschenk. Hat man sie gerade erst gehört, sucht man vergeblich nach etwas anderem, was man danach noch hören mag. Nichts ist dann für eine gewisse Zeit eine gute Entscheidung, denn seine Musik ist dergestalt, dass man von ihrer Nachwirkung lange zehren kann.

Marcus A. Woelfle

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