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Jazzzeitung

2010/03 ::: seite 5

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Inhalt 2010/03

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Jazzlexikon: Naomi Susan Isaacs Farewell: Herb Ellis / Lena Horne


TITEL -
Stimm-Recht
Bobby McFerrin, Michael Schiefel, Theo Bleckmann & Co


DOSSIER -
Der Spaziergänger von Hollywood
Der Komponist Harold Arlen


Berichte

Jazz ECHO-Verleihung in Bochum // Internationale Jazzwoche Burghausen 2010 // Jazzahead 2010 // Tim Allhoff Trio erhält Neuen Deutschen Jazzpreis // Sylvie Courvoisier und Mark Feldman im Théatre Vidy in Lausanne // Schweizer Trio Rusconi nähert sich dem wilden Punk-Rock von Sonic Youth


Portraits

Martin Kälberer // Jacques Loussier // Charlie Parker // Lisa Wahlandt


Jazz heute und Education
Das Groove Research Institute Berlin // In Münchens Jazzszene etablieren sich neue Spielorte // Festivals in Frankreich: Blick ins Paradies? // Abgehört: Kurt Ellings Verse über ein Solo von Dexter Gordon

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Back to Bach

German Jazz Trophy 2010 für Jacques Loussier

Im Olymp der Pianisten zählt Jacques Loussier zu den Spätberufenen: Erst im Alter von zehn Jahren weckte ein Konzert eines kleinen, unbedeutenden Tanzorchesters in der französischen Provinzstadt Angers in ihm das Verlangen, ein Instrument zu spielen. „Meine Schwester spielte schon Klavier. Und als mich meine Mutter fragte, ob ich auch spielen wolle, sagte ich ja.“ So begann Loussiers klassische Ausbildung unspektakulär, aber erfolgreich. Schon während seines Studiums am Pariser Konservatorium bei Yves Nat schien eine Karriere als Konzertpianist vorgezeichnet.

Er entdeckte den Jazzer in J.S. Bach: Jacques Loussier. Foto: Hans Kumpf

Bild vergrößernEr entdeckte den Jazzer in J.S. Bach: Jacques Loussier. Foto: Hans Kumpf

Doch es kam anders: Der ursprüngliche Impuls durch die leichte Muse war noch immer lebendig. Mitte der 50er-Jahre hatten Loussier und seine Kollegen am Konservatorium nicht nur Bach, Beethoven, Brahms im Ohr, sondern auch den Sound des MJQ, des Modern Jazz Quartets. Loussier war von der Kunst von Milt Jackson, Percy Heath, Kenny Clarke elektrisiert, vor allem aber zog ihn die Persönlichkeit des Pianisten John Lewis an. In einer Phrasierung a la Modern Jazz Quartet spielte er damals mit und vor Gleichgesinnten Jazzmusik, nur dass ihm das Great American Songbook samt dazugehöriger Improvisationstradition fremd war. Er war in der Welt von J.S. Bach zuhause und machte ein folgenreiches interkulturelles Experiment, indem er Bachs „Material“ verjazzte. „Play Bach“, seine erste Platte, hatte er 1959 nur zum Vergnügen und für Freunde aufgenommen, doch die Sammlung Bachscher Klavierstücke gemischt mit Jazzrhythmen und Improvisationen erreichte unglaubliche Popularität. So wurde aus Loussier ein Klavier-Pionier, und zwar ein über die Maßen erfolgreicher. Interessanterweise wurde er nicht stilbildend für eine europäische Jazztradition wie es etwa seinem Landsmann Django Reinhardt einige Jahre vorher gelungen war. Seit über 50 Jahre nimmt er als Mr. Play Bach eine Alleinstellung ein, doch im Vergleich zu anderen Größen aus dem Jazzmetier, hat seine Kunst nichts von ihrer Anziehungskraft aufs Publikum eingebüßt.

Auch im Alter von 76 Jahren ist seine Finger- und Kunstfertigkeit nach wie vor faszinierend. Was an Motorik und Spritzigkeit fehlt, wird durch etwas anderes ausgeglichen: Sparsamkeit, Verzicht auf jede improvisatorische Geschwätzigkeit und die Gleichberechtigung der drei Akteure tun dem „Play Bach“-Konzept gut. Die Verbindung zwischen Loussier und Bach stimmt auch nach über einem halben Jahrhundert noch immer. Gefragt, was er tun würde, wenn er Bach heute begegnen könnte, antwortet er: „Ich bin mir sicher, er würde mögen, dass ich über seine Themen improvisiere. Das ist bereits in die Musik des größten Musikers aller Zeiten hineingeschrieben.“

Eines von nur zwei Konzerten, die Loussier dieses Jahr in Deutschland gibt, fand an Christi Himmelfahrt in der Bayreuther Stadthalle statt. Dem Feiertag zum Trotz lässt er sämtliche im Programmheft angekündigten Choralbearbeitungen weg und konzentriert sich auf Konzerte, etwa das Brandenburgische Konzert Nr. 5, das Konzert d-Moll, eine Fuge D-Dur und ein „sehr, sehr bekanntes Stück“. Sein Publikum weiß mit dem ersten D-Dur Akkord, um welchen Hit es sich handelt: „Air“ aus der Orchestersuite D-Dur. Nach zwei Stunden Konzert gehen Standing Ovations in rhythmisches Klatschen und Stampfen über, glückliche Gesichter im Publikum, Zugaben werden gefordert. Jacques Loussier betritt zusammen mit seinem Bassisten Benoit Dunoyer de Segonzac und seinem Schlagzeuger André Arpino noch einmal die Bühne und spielt die geforderte Zugabe. Danach tobt der Saal erst richtig, aber es hilft nichts, mehr Glück gibt es heute Abend nicht.
Ausgedehnte Konzerttourneen unternimmt Jacques Loussier nicht mehr, vielleicht kommt er dieses Jahr noch einmal mit einem „Play-Schumann“-Abend nach Deutschland.

Doch eigentlich wollen seine Verehrer nur eines von ihm: „Spiel Bach“. Die nächste Gelegenheit, Loussier zu hören, bietet sich am 25. Juli in Stuttgart im Konzertsaal der Musikhochschule. An diesem Abend wird Loussier die German Jazz Trophy für sein Lebenswerk erhalten, das man trotz aller seiner Bearbeitungen der Musik von Satie, Ravel, Debussy, Vivaldi mit zwei Worten umschreiben kann: Play Bach.

Andreas Kolb

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