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Jazzzeitung

2010/04  ::: seite 18

jazz heute

 

Inhalt 2010/04

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Jazzlexikon: Hank Jones


TITEL -
Ein Haus für den Jazz in Rom
Junge Hamburger Musiker auf Italienreise


DOSSIER - Jazzgeschichte. I remember Bill
Vor 30 Jahren verstarb der Pianist Bill Evans


Berichte

18. Augsburger Jazzsommer 2010 // „Jugend jazzt“ für Jazzorchester mit dem Škoda Jazzpreis // Festival Jazz an der Donau im Jahr 2010 // Jazzopen Stuttgart 2010 // Jazz Sommer 2010 im Hotel Bayerischer Hof // Bayerisches Jazz-Weekend 2010 // Südtirol Jazzfestival


Portraits

Jason Moran & the Bandwagon // Frank Chastenier // Die dänische Sängerin Sinne Eeg // Charlotte Ortmann // Thomas Quasthoff // Über den Tenorsaxophonisten Booker Ervin // Fritz Rudolf Fries zum 75. Geburtstag


Jazz heute und Education
Dresdens Hochschule für Musik baut die Förderung künftiger Jazz-Musiker aus // Ein Interview zum Jazz in Deutschland mit Joe Viera // Abgehört: Wayne Shorters Solo über „Wildflower“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Wesentliche Musikform

Ein Interview zum Jazz in Deutschland mit Joe Viera

Der 1932 in München geborene Saxophonist und Jazzpädagoge Joe Viera ist der Tausendsassa des Jazz in Süddeutschland. Seit 1960 hat er Seminare, Workshops und Vorträge (zum Teil auch in anderen Ländern Europas) gegeben und organisiert. 1970 begann er mit der Herausgabe der reihe jazz, einer umfangreichen Serie von Jazzunterrichtswerken, für die er ausgezeichnete Instrumentalisten hinzuzog. Gemeinsam mit Helmut Viertl begründete er ebenfalls 1970 die Internationale Jazzwoche Burghausen, deren künstlerischer Leiter er seither ist. Anfang August fand unter seiner Leitung der 500. Jazz-Kurs im Mautnerschloss Burghausen statt. Viera erhielt 1999 das Bundesverdienstkreuz am Bande.

Tausendsassa des Jazz: Joe Viera. Foto: Pfiffer

Bild vergrößernTausendsassa des Jazz: Joe Viera. Foto: Pfiffer

JazzZeitung: Joe, bevor wir uns mit der allgemeinen Situation des heutigen Jazz befassen, vielleicht noch ein paar Worte zur „Internationalen Jazzwoche Burghausen“, die 2010 zum 41. Mal stattfand. Wo steht die „Jazzwoche“ heute und wie sind die Perspektiven für die Zukunft?
Joe Viera: Letztes Jahr zum 40. Jubiläum hatten wir trotz der Wirtschaftskrise einen Rekordbesuch, aber das darf man nicht zu wichtig nehmen, denn es wird auch wieder musikalisch hochwertige Konzerte geben, die nicht so gut besucht sind. Wichtig ist, dass das Festival auch in Zukunft ein Allroundfestival bleibt. Es wurde ja von Anfang an so konzipiert, dass es die verschiedensten Stilrichtungen des Jazz abdeckt. Das Angebot an Gruppen, die in Burghausen auftreten möchten, ist enorm groß. Aber auf der anderen Seite gibt es auch immer wieder jemand, den wir schon lange wollen, aber aus den verschiedensten Gründen einfach nicht bekommen, wie zum Beispiel die „Clayton-Hamilton Big Band“ oder James Moody und Hank Jones.
Manchmal ist es auch so, dass wir jemand holen könnten, es aber aufgrund einer nicht so aussagekräftigen Besetzung lieber lassen. Deshalb war es mir zum Beispiel wichtig, dass David Sanborn nicht in einer großen Formation kam, sondern in einem Trio mit dem vitalen Hammondorgel-Spieler Joey de Francesco und dem Drummer Gene Lake, wo Sanborn wirklich zeigen konnte, was er drauf hat.

JazzZeitung: Ihr widmet seit dem letzten Jahr mit dem in Höhe von 15.000 Euro dotierten internationalen Nachwuchs-Preis zu Beginn und der Reihe „New Generation“ am Ende gleich zwei Tage des sechstägigen Festivals dem Nachwuchs. Das ist doch ziemlich einmalig bei einer Veranstaltung dieser Größenordnung.
Joe Viera: Ja, der Nachwuchs ist uns wichtig. Wir nehmen uns auch wirklich Zeit dafür. So dauerte die Entscheidung der Jury, welche 5 von den 45 beteiligten Formationen in die Endausscheidung des Nachwuchspreises kommen, über drei Stunden. Das geht natürlich nicht ohne Diskussionen. Erfreulich ist, dass das Niveau der Bewerber-Formationen noch höher war als bei der Premiere des Preises im letzten Jahr. Auch beim mittlerweile schon zur Tradition gewordenen „Next Generation Day“, den wir ja in Zusammenarbeit mit der Plattenfirma „Double Moon Records“ durchführen, ist das Niveau beachtlich. Ohne die wirklich großartige Unterstützung der Stadt Burghausen wäre diese Nachwuchsarbeit und auch das gesamte Festival in dieser Form nicht möglich.

JazzZeitung: Du hast Anfang August in diesem Jahr deinen 500. Jazz-Kurs im Mautnerschloss in Burghausen angeboten. Was ist das Wesentliche an diesen Kursen?
Joe Viera: Das Besondere im Vergleich zu anderen ist, dass wir hier sehr kompakt arbeiten und nach sieben Stunden Unterricht auch noch vier Stunden Session anbieten. So fördern wir bewusst das Ensemblespiel. Deshalb lege ich auch großen Wert darauf, dass die Dozenten gut arrangieren können. In den Meisterkursen unterrichten Jazzgrößen wie Ron Carter, Rashied Ali, Barney Kessel oder Albert Mangelsdorff, auch das dürfte kaum woanders zu finden sein. Seit dem Beginn der Kurse im Jahr 1972 haben sich schon viele Teilnehmer wie Wolfgang Stabenow, Helmut Nieberle, Helmut Kagerer, Dieter Ilg oder Carola Grey einen Namen in der internationalen Szene machen können.

JazzZeitung: Der Jazz machte in hundert Jahren eine ähnliche Entwicklung durch wie die klassische Musik in tausend Jahren. Auch er hat über eine Ausweitung der Tonalität und Miteinbeziehung der Atonalität nun so genannte Crossover-Strukturen und alle erdenklichen Möglichkeiten der Tonerzeugung erreicht. Wo siehst du da noch Entwicklungspotenzial?
Joe Viera: Zunächst stelle ich hierzu mit Freude fest, dass eine Art der Entwicklung in Hinsicht auf die Qualität des Jazz stattfindet. Das wird auf beeindruckende Art auch beim Nachwuchs deutlich. Die Musiker entwickeln sich durch eine fundierte Ausbildung heute schon früh auf immer höherem Niveau. Aber natürlich gibt es auch immer wieder neue stilis-tische Mischungen. Ich bin da durchaus optimistisch.
Festellbar ist auch ein Trend zu ungewöhnlichen Besetzungen und deshalb – weil notwendig – auch zu ungewöhnlichen Arrangements. Das zeigt ja auch das hervorragende französische Trio „Exultet“, das dieses Jahr als Sieger des Nachwuchspreises in Burghausen beeindruckte.
Allerdings sollte man bei der immer noch stattfindenden Verzweigung des Jazz schon darauf achten, dass nicht Dinge als Jazz bezeichnet werden, die mit Jazz nichts zu tun haben. Da würde man dann auch das Publikum in die Irre führen.

JazzZeitung: Wie siehst du die aktuelle Situation des Jazz in Deutschland. Wie ist die Entwicklung, wie sieht es mit der Föderung aus und was für Perspektiven siehst du da?
Joe Viera: Der Jazz nimmt in der Breite in Deutschland zu, aber die Zahl der aus Deutschland kommenden international bekannten Spitzenmusikern wächst nicht proprotional mit. Das Problem ist, dass wir hierzulande zu wenig Auftrittsmöglichkeiten haben. So wichtig und so schön die Nachwuchswettbewerbe auch sind, hier helfen sie nur bedingt. Da könnte nur eine durchdachte Spielstätten-Förderung weiterhelfen. Die gibt es bisher nur in einzelnen Bundesländern wie Niedersachsen oder Baden-Württemberg, aber das müsste in einem viel größerem Umfang geschehen, denn der Jazz ist eine der wesentlichen Musikformen unserer Zeit. Wenn die Klassiker unter den gleichen finanziellen Bedingungen arbeiten müssten wie wir im Jazz, dann gäbe es kein Opern- und Sinfonieorchester mehr in Deutschland. Wenn wir nur die Hälfte an Unterstützung hätten, welche die haben, dann könnten wir ein vielfaches an qualitativer Arbeit leisten.
Aber trotz dieser Schwierigkeiten ist es umso mehr zu begrüßen, dass der Nachwuchs auch hierzulande in alle Stilrichtungen des Jazz drängt. Vielleicht eröffnet das für die Zukunft doch einige Perspektiven.

Das Gespräch führte Stefan Rimek

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