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Jazzzeitung

2010/04  ::: seite 4

berichte

 

Inhalt 2010/04

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Jazzlexikon: Hank Jones


TITEL -
Ein Haus für den Jazz in Rom
Junge Hamburger Musiker auf Italienreise


DOSSIER - Jazzgeschichte. I remember Bill
Vor 30 Jahren verstarb der Pianist Bill Evans


Berichte

18. Augsburger Jazzsommer 2010 // „Jugend jazzt“ für Jazzorchester mit dem Škoda Jazzpreis // Festival Jazz an der Donau im Jahr 2010 // Jazzopen Stuttgart 2010 // Jazz Sommer 2010 im Hotel Bayerischer Hof // Bayerisches Jazz-Weekend 2010 // Südtirol Jazzfestival


Portraits

Jason Moran & the Bandwagon // Frank Chastenier // Die dänische Sängerin Sinne Eeg // Charlotte Ortmann // Thomas Quasthoff // Über den Tenorsaxophonisten Booker Ervin // Fritz Rudolf Fries zum 75. Geburtstag


Jazz heute und Education
Dresdens Hochschule für Musik baut die Förderung künftiger Jazz-Musiker aus // Ein Interview zum Jazz in Deutschland mit Joe Viera // Abgehört: Wayne Shorters Solo über „Wildflower“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Ekstatische Zwischenzustände erreicht

Das Bayerische Jazz-Weekend 2010

Wenn ein Schweizer Bandleader vom Schlage eines Kaspar Ewald als Zugabe augenzwinkernd eine Kollektivimprovisation ankündigt, darf man sich auf einiges gefasst machen: Und tatsächlich: seine Truppe zelebrierte die finale „Danse sacrale“ aus Strawinskys „Sacre du printemps“ (ohne Dirigenten!) in einer rhythmischen Vollendung, dass einem die Spucke wegblieb.

Der russische Saxophonist Evgeny Ring. Foto: Juan Martin Koch

Bild vergrößernDer russische Saxophonist Evgeny Ring. Foto: Juan Martin Koch

Ein „exorbitantes Kabinett“ ist es fürwahr, was Ewald da aus zehn fantastischen Bläsern geformt hat. Die zwischen atemberaubenden Unisonokaskaden und labyrinthisch verzweigten Kontrapunkten changierenden Sätze werden von einer jazzrockig groovenden Rhythmusgruppe rund um den phänomenalen Drummer Gregor Hilbe befeuert, was die intellektuellen Höhenflüge dieser komplex gedachten Musik wunderbar erdet.

Dieser Auftritt war der vielleicht spektakulärste, sicher aber der originellste innerhalb eines schweißtreibenden und hochkarätigen Weekend-Jahrgangs. Zum Auftakt hatte der blutjunge Shootingstar Grace Kelly vom ersten Ton an jeglichen Verdacht zerstreut, diese 18-Jährige im Aprikosenkostüm sei vielleicht nur ein gekonnt eingefädelter PR-Gag aus Übersee. Vielmehr zeigte die Saxophonistin bei allem Spielwitz eine Reife der klanglichen Gestaltung und der Solodramaturgie, die so manchem älteren Semester das Fürchten lehren könnte. Ihr Kaliber zeigt sie auch dadurch, dass sie sich keine mediokren Nebendarsteller mit auf die Bühne holt, sondern gleichwertige Mitgestalter und mit Jason Palmer einen Trompeter von einem Format, das nicht jeder Bandleader neben sich dulden würde. Für finalen Weekend-Freudentaumel sorgte die Les Artmann Group rund um den explosiven Pianisten Lásló Szitkó, deren furioser Latin-Jazz vom großen Toni Lakatos dergestalt veredelt wurde, dass man nach vierwöchiger Vuvuzela-Tortur den Glauben an die Gattung der Blasinstrumente zurückgewinnen konnte.

Neben diesen großen Namen, die Regensburg und seinem unverwechselbaren Jazzfest trotz bescheidener Gage die Ehre erwiesen, gab es aber auch wieder vielversprechende junge Spieler zu bewundern: So bestätigte die tschechische Band „Jazz Mistake“ den Eindruck, dass die Musiker aus den östlichen Nachbarländern bei mindestens ebenbürtiger instrumentaler Ausbildung der hiesigen Konkurrenz oft eines voraushaben: sie scheinen um ihr Leben zu spielen.

Vašek Greif an den Saxophonen, František Nedved am Klavier und Gitarrist Jan Dolejš sind solche Kandidaten. Hochgeschaukelt von den nicht bloß süffig dahingroovenden, sondern komplex ineinander verhakten Jazzrock-Rhythmen Ivan Habernals und Petr Zemans verbeißen sie sich in ihre Soli und lassen nicht locker, bis exstatische Zwischenzustände erreicht sind.

Oder der russische Saxophonist Evgeny Ring, der mit seinen 23 Jahren ein Saxofonist von erstaunlicher Reife und Kompromisslosigkeit ist. Mit seinen Leipziger Studienkollegen Sascha Stiehler am Klavier, Philipp Rohmer am Bass und dem kaum zu bändigenden Energiebündel Dominique Ehlert am Schlagzeug hat er ein Quartett zusammengestellt, das fein aufeinander reagiert und so eigene, klischeefreie Nummern ebenso zum Sprechen bringt wie die Klassiker.

Das Kölner Quintett „Offshore“ schließlich versteht das Vibraphon als integrale Farbe seines Bandklangs. Wenn Dierk Peters ein Solo Christoph Möckels kaum merklich grundiert, scheint es, als hätte dieser an seinem Sopransaxophon neue Obertöne entdeckt. In der programmatischen Nummer „Offshore“ entlässt Pianist Constantin Krahmer seine Mitspieler nach und nach in die Freiheit: Dierk Peters bearbeitet seine Metallplatten so mit Holz statt Filz, als wäre die Spieluhr, die Drummer Rafael Calman zuvor fast unhörbar ans Mikro gehalten hat, aus dem Takt gekommen. Gut, dass das Weekend neben viel Mainstream und Gute-Laune-Jazz weiterhin die Ohren für solche Feinheiten öffnet.

Juan Martin Koch

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