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Jazzzeitung

2007/05  ::: seite 15

rezensionen

 

Inhalt 2007/05

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig


TITEL - Endzeitstimmung
Wir erleben die Apokalypse des Jazz


DOSSIER

Individualisten aus Chicago
Zum Tod des Pianisten Andrew Hill und des Geigers Johnny Frigo

I like the way you play
Abschied von Joe Zawinul mit Erinnerungen an eine bewegte Zeit


Portraits

Jean-Luc Ponty, Kristin Asbjørnsen, Daniel Smith, Harald Banters Media Band, Besuch bei Richie Beirach

… und mehr im Inhaltsverzeichnis

analog - digital

Oscar Peterson
The Complete Songbooks

United Archives

Oscar PetersonNorman Granz war besessen von der Idee, die Musiker seiner Labels Songbooks aufnehmen zu lassen. Ella Fitzge-rald verwirklichte eine umfassende Serie, während Charlie Parker vor seinem Tod nur ein Cole-Porter-Album verwirklichte. Oscar Peterson war Vorreiter. In den Jahren 1951 bis 1955 nahm er die Songbooks von Porter, Berlin, Gershwin, Ellington, Kern, Rodgers, Youmans, Warren, Arlen, McHugh und Basie auf. Sie zeichnen die Entwicklung seines Trios nach: Das Duo mit Ray Brown ergänzte er nach Vorbild des Nat King Cole Trios mit einem Gitarristen, zunächst dessen Sideman Irving Ashby, dann Barney Kessel, der bei Peterson nicht recht zur Geltung kam. Mit Herb Ellis stimmte die Chemie zu 100 Prozent. Die Songbooks sind ein Meilenstein der allumfassenden Instrumentalbeherrschung des schon in jungen Jahren vielbeanspruchten, unablässig swingenden Urenkelschülers von Franz Liszt, der trotz einer fast fließbandartigen Produktionsweise jedem Stück ein eigenes Gepräge verleiht. Nach gründlich zusammengestellten und dokumentierten Boxen leistet sich United Archives leider viele Schlampereien: Herb Ellis wird hier oft Hellis, spielt angeblich wo es Kessel tut. Die Behauptung des Kommentators, das Trio hätte mit dem Schlagzeuger Alvin Stoller nur ein Stück aufgenommen, ist schlicht falsch. Schade, denn mit ein bißchen mehr Sorgfalt wäre die Reihe eigentlich unschlagbar.
Marcus A. Woelfle

That Devilin’ Tune – A Jazz History [1895-1950] by Allen Lowe
Volume 1 (of 4) [1895-1927]

West Hill Radio Archives

A Jazz HistoryDie Jazzgeschichte bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts nicht nur in einem Buch darzustellen, sondern in vier Boxen, von denen jede ein Viertel-Buch und neun CDs enthält, in der sich diese Geschichte annähernd chronologisch nachhören läßt – was für eine sinnvolle und dabei gewaltige Aufgabe! Allen Lowe, der die Kompetenz des Fachkundigen mit der Sensibilität des Musikers und der Eigenständigkeit des Unbeirrbaren verbindet, hat sich ihr gestellt und sie bravourös, aber auch auf unvergleichlich persönliche Weise gelöst. Wie originell, das kann man dem Untertitel der ersten Box kaum ansehen: „Rare recordings by Al Jolson, Bert Williams, W. C. Handy, Eubie Blake, Kid Ory, Bessy Smith, King Oliver, Louis Armstrong and others, in state-of-the art digital restorations, with extensive notes.“ Zu unterstreichen sind nämlich die Wörter „rare“ und „others“. Lowes Blick ist umfassend, zugleich ist sein Blick im ursprünglichen Sinne des Wortes „ex-zentrisch“. Er berichtet uns nicht seitenweise über die im Untertitel genannten Persönlichkeiten, die im Zentrum bekannter Jazzgeschichten stehen, sondern mit Vorliebe über die Vergessenen, scheinbar unbedeutenden Randfiguren, deren Stellung in der Historie er rekonstruiert, revidiert, in manchen Fällen auch nur erahnt. Hier wird der Kenner unendlich viel Neues erfahren.
Marcus A. Woelfle

That Devilin’ Tune – A Jazz History [1895-1950] by Allen Lowe
Volume 2 (of 4) [1927-1934]

Trotz der beispielhaft im Untertitel genannten Namen Bix Beiderbecke, Paul Whiteman, Duke Ellington, Fats Waller, Jimmy Dorsey, Fletcher Henderson, Django Reinhardt und Art Tatum ist diese Box nicht das wofür man sie halten könnte: ein „Best of“ der Berühmtheiten jener Zeit, sondern der ultimative Beweis dafür, dass die interessantesten Beispiele nicht immer von den bekanntesten Musikern stammen müssen.
„ Four Four Rhythm“, die Aufnahme eines Paul Tremaine aus dem Jahr 1929, das klingt als sei es fünf Jahre später entstanden und so manch anderes Fundstück strafen gängige Chronologien Lügen, die Swing Ära sei erst Mitte der 30er-Jahre losgegangen. Zweimal hinzuschauen und hinzuhören und dabei zu ganz anderen Ergebnisse zu kommen als der Rest der Fachwelt, das ist eine der Tugenden des Autors Allen Lowe. Normalerweise werden Geschichten so erzählt, dass man sich von einem Ausgangspunkt zielstrebig auf ein Ziel zu bewegt und das dazwischen liegende benutzt, um eine Entwicklung zu demonstrieren. Lowe warnt uns, indem er uns zeigt, was bei so einer teleologischen Sicht alles durch den Rost fällt: Musiker, die zu einer späten Zeit altmodisch spielten oder zu einer frühen Zeit modern. Auch geographisch ist er auf der Hut. Wer für die Jahre 1927 und 1934 nur nach Chicago und New York schaut, beraubt sich vieler Genüsse.
Marcus A. Woelfle

That Devilin’ Tune – A Jazz History [1895-1950] by Allen Lowe
Volume 3 (of 4) [1934-1945]

Wie aus den Rezensionen zu den Volumes 1 und 2 hervorgegangen sein dürfte, ist Allen Lowes Jazzgeschichte nahezu vorbehaltlos zu empfehlen. In diesem Band findet man etwa viele Beispiele für den aus so vielen Jazzgeschichten verbannten Western Swing – hier wird man fündig. Wegen seines unorthodoxen Zugangs empfiehlt sich das hervorragende Werk allerdings weniger als Einführung für Anfänger, sondern als Zweiteinstieg, Korrektiv und Ergänzung bereits vorhandener Kenntnisse. Lowe scheint ohnehin vorauszusetzen, dass jemand, der seine Boxen kauft, die Meilensteine und Hits der jeweiligen Zeit ohnehin kennt. Ja, er scheint zu glauben, jeder Käufer besitze auch ausführliche Diskografien. Nur aus dieser Annahme heraus ist der einzige Mangel der Boxen verständlich: das Fehlen der Besetzungsangaben zu den einzelnen Stücken. Nur Bandleader, Titel und Aufnahmedatum werden genannt, so steht man als Hörer immer wieder vor dem Rätsel, wer der eine oder andere Solist ist. Zwar finden sich in den Booklets bisweilen Hinweise, doch hat es damit so seine Bewandtnis. Die späteren Aufnahmen aus Box 2 werden erst im Booklet zu Box 3 kommentiert; die späteren Aufnahmen aus Box 3 im Büchlein von Box 4 beschrieben. Nur wer alle vier Bände und eine Diskographie besitzt, kann also vollen Nutzen ziehen aus diesen so gründlich recherchierten Epochenschauen.
Marcus A. Woelfle

That Devilin’ Tune – A Jazz History [1895-1950] by Allen Lowe
Volume 4 (of 4) [1945-1951]

Die meisten Jazzgeschichten lesen sich als ein Nacheinander von Stilen, doch der Realität entspricht mehr die Gleichzeitigkeit des Disparaten. Band 4 der Dokumentation beschäftigt sich mit dem kürzesten Zeitraum, und doch ist es jener, der das bunteste Bild liefert. In diesem Zeitraum haben wir es nicht nur mit Bebop und frühem Cool Jazz zu tun, sondern auch mit traditionellem Jazz verschiedenster Art. Das Revival des frühen New Orleans Jazz gehört ebenso dazu wie Chicago Jazz à la Condon und alles was man sonst noch zu Dixieland rechnen mag. Combo- und Bigband-Swing bekommt seinen gebührenden Anteil, ebenso Spätausläufer des Western Swing. Wir hören Blues, R & B und Pop à la Sinatra. Progressiver Jazz à la Kenton und früher West Coast Jazz werden ebenso mit repräsentativen Aufnahmen abgedeckt usw. So gelingt es Allen Lowe durch die chronologische Anordnung die Gleichzeitigkeit von Unterschiedlichem sinnfällig zu machen. Die Eureka Brass Band und der junge John Coltrane sind 1951 Zeitgenossen und vielleicht hilft es dem Verständnis der damaligen Jugendlichkeit des Jazz, wenn man sich vergegenwärtigt, dass selbst Urvater Armstrong in jenem Jahr erst 50 wurde. Wieder fehlen genau jene Aufnahmen, die man erwartet, und freut sich über Frank Signorelli, Tony Fruscella, Johnny Carisi, um nur einmal vergessene Italo-Amerikaner herauszugreifen. Glücklich und bereichert beschließt man nach der 36. CD, bald wieder ein paar Wochen Zeit zu finden, um alles noch einmal zu hören.
Marcus A. Woelfle


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