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Jazzzeitung

2007/05  ::: seite 4

berichte

 

Inhalt 2007/05

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig


TITEL - Endzeitstimmung
Wir erleben die Apokalypse des Jazz


DOSSIER

Individualisten aus Chicago
Zum Tod des Pianisten Andrew Hill und des Geigers Johnny Frigo

I like the way you play
Abschied von Joe Zawinul mit Erinnerungen an eine bewegte Zeit


Portraits

Jean-Luc Ponty, Kristin Asbjørnsen, Daniel Smith, Harald Banters Media Band, Besuch bei Richie Beirach

… und mehr im Inhaltsverzeichnis

Eigenständige Wege, gestylter Swing

Zum Festival Jazz an der Donau 2007: Vielfalt und große Stars

Da hätte sich wohl auch Seal gefreut, stand am Sonntag Morgen doch die waschechte „Heidi Klum der Blasmusik“ im Straubinger Jazz-Zelt am Hagen auf der Bühne. Dabei bewies der von seinem Kollegen Thomas Gansch mit diesem schrulligen Lob ausgezeichnete Basstrompeter Leonard Paul nicht nur, dass er mit langem wallenden Haar und dem einzigen knallrosa Jackett die Blicke des Publikums auf sich ziehen kann, sondern dass er ebenso wie die anderen sechs Mitglieder der Formation sein musikalisches Handwerk auf höchstem Niveau beherrscht.

Feuerwerk afrikanischer Rhythmen: Dee Dee Bridgewater. Foto: Hans Kumpf

Bild vergrößernFeuerwerk afrikanischer Rhythmen: Dee Dee Bridgewater. Foto: Hans Kumpf

Die Rede ist von „Mnozil Brass“ und immer wenn von „Mnozil Brass“ die Rede ist, dann darf man ins Schwärmen geraten. So wurde auch der Auftritt des bekannten österreichischen Bläserseptetts im Rahmen des Straubinger Festivals zu einem unvergesslichen Klangerlebnis, das sowohl durch die humoristische als auch die musikalische Komponente restlos zu begeistern wusste.

Denn wo erlebt man schon eine hochkarätige Bläserformation, deren Bearbeitungen stilistisch vom Renaissance-Choral über Schlager und Volksmusik bis hin zum Free Jazz und zur frei improvisierten Musik reichen und die ganz nebenbei auch noch als A-cappella-Chor und Musikkabarett-Truppe das Publikum bis zur Raserei in Beifallsstürmen begeistern kann.

Aber nun erst einmal der Reihe nach: Das Festival begann ja bereits am Donnerstag Abend und damit am 19. Juli mit dem Auftritt des Pop-Acts Seal und des Funkers Karl Frierson. Dass der Veranstalter in diesem Jahr den Pop-Act quasi „outgesourcet“ hat, tat „Jazz an der Donau“ gut, schaffte es doch eine klarere Strukturierung. Auch das erstmalige Miteinbeziehen einer Formation aus der Region fand zurecht viel Lob.

So wurden die Besucher im Jazz-Zelt am Hagen am Freitag Abend vom Auftritt des Quintetts „Liquid Blue“ mitgerissen. Denn was die Formation in ihren kreativ eigenständigen Interpretationen von Sting-Nummern zum Auftakt des zweiten Festivaltags über die Bühne ließ, kann sich mit vielem messen, was auf internationaler Ebene hoch gelobt wird.

Selbiges gilt auch für den Top-Act des Freitag Abends und damit für die Saxophonistin und Sängerin Candy Dulfer, die unter dem Bandnamen „Candy Dulfer & Friends“ mit sieben Kolleginnen und Kollegen auf der Bühne stand. Von Beginn an ließ Dulfer keinen Zweifel aufkommen, dass sie neben ihrer optischen Attraktivität auch als Musikerin unglaublich viel auf der Pfanne hat.

So entwickelte sie in einem improvisierten Zwiegespräch mit Drummer Johnson – in welchem sie nach Maceo-Parker-Manier immer wieder einen Halbton höher ging – auf ihrem Altsaxophon eine Leidenschaft, die sofort auf das Publikum übersprang.
Die perfekt aufgestellte Band brachte einen Sound über die Bühne, der alles bot, was man sich von einer kernigen Funk-Jazz-Formation erwartet, inklusive den erdigen Bass-Slaps im Solo von Rhonda Smith.

Auch die vierköpfige Sieger-Formation des „New Generation“-Nachwuchswettbewerbs, „Hornstrom“, welche in diesem Jahr den samstäglichen Konzert-Marathon um 15 Uhr eröffnete, bewies Qualität, reihte sich nahtlos in das hohe Niveau des diesjährigen Festivals ein und begeisterte durch kreative Eigenkompositionen.

Der darauf folgend auftretende Trompeter Nils Wülker wird oft mit Till Brönner verglichen und in der Tat kann man in seinem Spiel hier und da Parallelen zu Brönner entdecken, wenngleich Wülker doch auch sehr eigenständige Wege geht, was ja auch den musikalischen Charakter eines jungen Musikers erst ausmacht.

Besonders deutlich wurde dies unter anderem in seiner Nummer „Fading Mountain“, welche durch die leichten Achtel-Off-Beat-Betonungen auf dem High-Hat einen groovenden Reggae-Touch bekommt, sich bei Wülkers quirligem Solo in einem großen Spannungsbogen aufbäumt, um dann wieder beim entspannten zweistimmigen Bläser-Thema und dem Anfangs-Rhythmus zur Ruhe mahnt, bis die Komposition in einem von Lars Duppler wunderschön im Decrescendo in Szene gesetzten Klavier-Solo ausklingt.

Auf den nun folgenden Gig der großen Soul und African-Beat-Sängerin Dee Dee Bridgewater waren viele der Festival-Freunde gespannt und so füllte sich das 4000 Besucher fassende Zelt zu ihrem Auftritt um 18.30 Uhr fast bis auf den letzten Stehplatz. Und Bridgewater enttäuschte die Fans zusammen mit ihren neun Bandmitgliedern nicht. Man erlebte ein wahres Feuerwerk an afrikanischen Komplemetärrhythmen, welche in der Mischung aus Ursprünglichkeit und dem Verarbeiten verschiedenster Stilelemente ihresgleichen sucht.

Ganz andere, aber ebenfalls hochkarätige Klänge vernahm man dann beim Auftritt des bekannten „Esbjörn Svensson Trio“. Wie gewohnt boten Pianist Esbjörn Svensson, Kontrabassist Dan Berglund und Schlagzeuger Magnus Öström kammermusikalischen Jazz vom Feinsten. Wunderschöne Melodien und ergreifend ausgelegte Spannungsbögen paarten sich auch an diesem Abend mit den experimentelleren Ansätzen, für welche das Trio ebenfalls bekannt ist.

Dann kam nicht nur der große Regen, sondern auch Curtis Stigers, der als Tenorsaxophonist und Sänger einen emotional ergreifenden Abschluss dieses Samstags und damit des dritten Festivaltags bot. Das gilt nicht nur für seine Hits wie „I Wonder Why“, sondern auch für innovativ bearbeitete Fremdkompositionen wie die der Beatles-Nummer „I Feel Fine“.

Wenn einer den Big-Band-Sound und damit natürlich auch den Swing und den Jazz im Allgemeinen für die Jugend attraktiv macht, dann ist er es: Roger Cicero. Da sieht man plötzlich Besucher zu den Klängen der deutschen Version von „Fly Me To the Moon“ tanzen, die noch vor kurzer Zeit ihre Abende ausschließlich in Discotheken zu Techno-Klängen verbracht hätten. Da kreischen Girls nicht aufgrund eines Hüftschwungs irgendeiner austauschbaren Boygroup, sondern aufgrund eines mitreißenden Scats – und das ist gut so.

Man kann das zugegebenermaßen etwas gestylte, klischeehafte Gigolo-Image dieses jungen Sängers inklusive der elaborierten Klamotten aus der Swing-Ära mögen oder nicht, aber eines muss man ihm lassen: Der Mann hat gesanglich etwas zu bieten und das nicht zu knapp. Er versteht es wie kaum ein anderer, den Swing für deutsche Texte zu nutzen.

Das Rezept Ciceros ist es, das Faszinierende der Swing-Epoche herauszupicken und es mit dem heutigen Präsentationsstil eines zeitgenössischen Entertainers zu verschmelzen. Von absolut hochklassigem Niveau präsentierte sich die Begleitband, die mit nur elf Mitgliedern den knackenden Sound einer ausgewachsenen Big Band über die Bühne brachte.

Ein großes Lob gebührt der Veranstalter-Familie Huber und ihren Mitarbeitern, für die trotz des samstäglichen schweren Unwetters organisatorisch bis ins kleinste Detail perfekt durchgeführte viertägige Veranstaltung.

Stefan Rimek

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