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Jazzzeitung

2006/10  ::: seite 11

farewell

 

Inhalt 2006/10

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / News / break
no chaser:
Sound Recycling
jazzfrauen: Gertrude „Ma“ Rainey
Farewell: Maynard Ferguson, Duke Jordan und Dewey Redman


TITEL

Alte Wege, neue Pfade
German Jazz Trophy ‘06 für Dick Hyman


DOSSIER
- Geschichte
Aufbruch in ein neues Leben
Der Jazz in München nach 1945


BERICHTE
/ PREVIEW
27. Jazzfestival Saalfelden || Magnus Mehl Quintett erfolgreich beim Getxo Jazz Festival || International besetzt: 14. Augsburger Jazzsommer || 15. Kulturarena in Jena
Kurz, aber wichtig: 30. Leipziger Jazztage || JazzFestes Berlin 2006 || Stride Piano Summit


 PORTRAIT / INTERVIEW
tok tok tok || Lutz Büchners Projekt „Ring“ || Geburtstag der Sängerin Ruth Hohmann

 JAZZ HEUTE
Arabian Aspects
Zur „Orientalisierung“ des Jazz


 PLAY BACK / MEDIEN

CD.
CD-Rezensionen 2006/10
CD. Scheffners Liste
Bücher: Drei Jazzbücher, rezensiert von Joe Viera
Noten.Drei Jazzbücher, rezensiert von Joe Viera
Instrumente. News


 EDUCATION
Ausbildung. Ausbildungsstätten in Deutschland - Fortbildungen, Kurse (pdf) (62 kb)
Abgehört 44. Teil IV • Kenny Wheelers Solo über „Iowa City“


SERVICE

Critics Choice

Service-Pack 2006/10 als pdf-Datei (Kalender, Clubadressen, Jazz in Radio & TV (150kb))

Boss der Stratosphärentöne

Abschied von Maynard Ferguson

Mit Maynard Ferguson verstarb der legendärste High-Note-Spezialist unter den Trompetern. Der nach Oscar Peterson berühmteste Jazzer Kanadas wurde bekannt durch seine über dreijährige Tätigkeit als Lead-Trompeter bei Stan Kenton. Populär wurde er durch die zahlreichen im Laufe seiner Karriere von ihm selbst geleiteten Bands, deren stilistisches Spektrum von Bebop und West Coast Jazz zu Jazzrock und Funk reichte.

Maynard Ferguson. Foto: Hans Kumpf

Bild vergrößernMaynard Ferguson. Foto: Hans Kumpf

Er hat ein für alle Mal gezeigt, dass man in allerobersten Lagen nicht nur lärmend herumquietschen kann, sondern Musik machen kann. Es waren nicht etwa vage Figuren, sondern blendende Feuerwerke, die er in buntesten und klarsten Farben in den Himmel malte.

Seine virtuosen Linien hatten mit den Figuren eines Feuerwerks auch gemeinsam, dass sie hoch oben ihre Vollendung zeigten, unten aber blasser wurden. Er konnte auch in tie­feren Registern spielen, schon. Aber das Feuer seiner Phantasie schien sich erst dort zu entzünden, wo andere nicht hinkommen. Es muss eine Art Höhenrausch gewesen sein, der andere zum Everest treibt, mit dem Unterschied, dass es kein Ego-Trip blieb, sondern stets auf das Du des Mitspielers und Hörers bezogen war, der, so dafür empfänglich, unwillkürlich mitgerissen wurde in die wundersame Welt der Stratosphärentöne.

Ferguson und seine Musiker standen für kraftvolle Musik, deren freudige Erregung sich sofort übertrug. Als Solist besaß Maynard Ferguson neben dem beeindruckenden Sound und der Brillanz im hohen Register, mitreißenden Elan, Einfallsreichtum und ein gerüttelt Maß Originalität – Eigenschaften, die ihm für immer einen Platz unter den großen Jazztrompetern sichern.

Dennoch war Maynard Ferguson nicht immer beliebt bei den Kritikern. Musiker, die ihr Handwerk vollkommen beherrschen, vielleicht allzu perfekt sind, wirken auf viele suspekt. Man traut ihnen nicht zu, dass ihre Musik auch leidenschaftlich ist, Wärme ausstrahlt, menschlich bleibt. Man muss aber schon auf einem Ohr taub sein, um in Fergusons glutvollem Spiel nicht auch all diese Qualitäten zu hören.

Schwerer als das unbegründete Verdikt der Kälte, der jedem Perfektionisten schon mal gemacht wird, wiegt da schon der weniger von der Hand zu weisende Vorwurf, Maynard Ferguson sei nicht immer der geschmackssicherste Musiker gewesen. Man denkt da nicht nur an seinen Flirt mit Pop-Hits in den 70er-Jahren und an die Tatsache, dass er mit „Gonna Fly Now“ zu einem Rocky-Film sogar in die Pop-Charts kam. Wie so viele Virtuosen, denen etwas leicht fällt, hat sich auch Maynard Ferguson vor allem zu Beginn seiner Kariere in den 50er-Jahren zu effektvollen Bravourstücken hinreißen lassen, mit denen sich beim weniger puristischen Publikum garantiert Eindruck schinden lässt. Trotz puristischer Mäkelei hat Maynard Ferguson im Laufe seiner über ein halbes Jahrhundert währenden Karriere immer wieder seine starke Musikerpersönlichkeit bewiesen: Mit seinen fröhlich swingenden Westcoast-Aufnahmen Mitte der 50er-Jahre, mit seinem kraftvollen, mit herausragenden Sidemen bestückten Bands der späten 50er- und frühen 60er-Jahre, die im Birdland und auf dem Newport Festival zu Recht Furore und großartige Aufnahmen für das Label Roulette machten oder mit seiner letzten Formation, die unter dem Motto „Bebop Nouveau“ stand und schon mal vom Bebop den Bogen zur Raga schlug. Denn Ferguson hatte, wie so viele Jazzer schon in den 60er-Jahren östliche Spiritualität und Meditation als Kraftquellen entdeckt und regelmäßig Indien bereist. Das Geheimnis seiner bis ins Alter erhalten gebliebenen enormen Ausdauer und Lungenkraft, ohne welche die Strato­sphärentöne kaum zu erreichen und noch weniger so gezielt einzusetzen sind, lag nämlich am Yoga.

Am 4. Mai 1928 bei Montréal geboren, hatte Ferguson mit 17 in Kanada schon seine erste Big Band geleitet. Als Stan Kenton ihn hörte versprach dieser, ihm einen Platz frei zu halten. Nach Stationen in den wichtigen Bands von Boyd Raeburn, Jimmy Dorsey und Charlie Barnet kam er auch 1950 zu Stan Kenton, wo er der Blechbläsergruppe neuen Glanz verlieh. Legendär sind seine Worte, als er erstmals Shorty Rogers‘ Partituren sah: „Ist es okay, wenn ich alles eine Oktave höher spiele?“ Danach spielte er alles eine Oktave höher. Drei Jahre in Folge, von 1950 bis 1952 ging Maynard Ferguson bei den Polls der Zeitschrift Down Beat siegreich als bester Trompeter hervor – bis er ausgerechnet von einem Musiker „entthront“ wurde, der im Gegensatz zu ihm kein Virtuose war, weder laut, noch perfekt spielen und auch nicht Notenlesen konnte: Chet Baker. Dennoch blieb er für seine Sideman und die ihn neidlos oder neidvoll bewundernden Trompeter „The Boss“.

Nach seiner Zeit bei Kenton, den er 1953 verließ, feierte er seine größten Triumphe als Big-Band-Mann, doch schaffte er es immer wieder mit achtköpfigen Gruppen (1954er-Album „Dimensions“) oder zwölf Musikern (beim Newport Festival 1958), die Power doppelt so großer Gruppen zu erzeugen. Arrangeure wie Don Sebesky, Slide Hampton, Willie Maiden, Don Menza, zum Teil selbst Band-Mitglieder, setzten nämlich in den Bands der charismatischen Bühnenpersönlichkeit Akzente.

In all den Jahrzehnten seiner Karriere war Ferguson ein Förderer junger Talente: Joe Zawinul, Jaki Byard, Don Ellis oder Chuck Mangione verdienten sich bei ihm ihre ersten oder zweiten Sporen bevor sie unter eigener Flagge berühmt wurden. Auch junge Trompeter, die vielleicht lauter oder schneller bliesen als er, stellte er neidlos heraus. Höher spielte ohnehin keiner. Am 23. August hat er vom kalifornischen Ventura aus die Reise zu jenen Sphären angetreten, wohin auch alle Töne entschwinden.

Marcus A. Woelfle

 

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