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 2001/06

 seite 6
 berichte

 

Inhaltsverzeichnis Jazzzeitung 06/2001


Inhalt 2001/06

standards
Editorial
News
Fortbildung
no chaser Jazz für Amerika
Glossar: Tailgate

berichte
New Orleans Music Festival Wendelstein 2001
Ein Jahr Jason
32. Internationale Jazzwoche Burghausen

kurz aber wichtig
Münchner und Freiburger Jazzchor gemeinsam in Augsburg
Jazz am Tegernsee

jazz heute
Break (von Joe Viera)
Mehr Kulturaustausch
Deutscher Kulturrat will Reform der Ausländersteuer

portrait
Sardiniens Star
Paolo Fresu mit Musik fürs Kino
Prominenter Fan
Dianne Reeves ehrt Sarah Vaughan
Hardcore Jazz
Helge Schneider und seine neue CD

play back.
Meisterwerk
Charles Mingus’ „Tijuana Moods“

education
Grundlagen der Improvisation
Die Neue Jazz School München
Fortbildung

dossier
Women in Jazz
Fotos von Ssirus W. Pakzad

medien/service
TDK mit einer neuen Reihe von Jazz-Konzerten auf DVD
Charts
Link-Tipps
Rezensionen 2001/06
Service-Pack 2001/06 als pdf-Datei (kurz, aber wichtig; Clubadressen, Kalender, Jazz in Radio & TV, Jazz in Bayern und anderswo (527 kb))

 

Stürmische Begeisterung

Bericht zur 32. Internationalen Jazzwoche Burghausen

Dave Brubeck bis auf den letzten Platz besetzt. Erster Tag der diesjährigen 32. Jazzwoche in Burghausen. Am letzten Abend spielt Paul Kuhn vor fast leerem Saal. Die Stimmung dennoch die gleiche: Eine stürmische Begeisterung, mit der hartnäckig nach Zugaben verlangt wurde.

 
 

Zwei sehr verschiedene Tastenzauberer: Paul Kuhn und Esbjörn Svensson. Fotos: Michael Scheiner

Im ersten Fall waren es über 1.200 Burghauser, die kreischten und spitze Schreie ausstießen wie Teenager, als der agile Altmeister „Take five“ anstimmte, den Song seines Altsaxophonisten Paul Desmond, mit dem das Brubeck Quintett in den 50ern weltberühmt wurde. Im anderen Fall war es ein Häufchen echter Swingfans. Eisern ließen sie erst das durchaus goutierbare Esbjörn Svensson Trio und anschließend die „Dodecaband“ des französischen Pianisten Martial Solal mit einem sperrigen bis hochgradig widerborstigen Ellington-Programm über sich ergehen. Burghausen 2001, das war ein bunt gemischtes Mainstream-Programm, mit erwartungsgemäß starker (US-) amerikanischer Dominanz und einigen Appetithappen europäischer Provenienz. Diese konnten sich durchweg mit den Marktführern in Sachen Jazz messen. Von den Oberbayern an der Salzach ist man seit vielen Jahren eine klare Struktur gewohnt: Start mit einem Highlight; freitags nach einem weiteren Highlight die Dancenight; samstags Avantgarde downtown, Gala oben in der Neustadt (in diesem Jahr übrigens das Ausnahme-Vokalensemble „New York Voices“ mit dem beeindruckenden Netherlands Metropole Orchestra) und eine Häufung von „big (American) names“.

Mit dem in New York lebenden Münchner Shooting Star Cornelius Claudio Kreusch (p), dessen Auftritt Ähnlichkeit mit einer Christus-Performance aufwies, dem fusionverfallenen „Consortium“ des Münchner Trompeters Johannes Faber mit einer Klasse-Besetzung, dem Österreicher Christian Muthspiel, der sein extravagantes „Motley Mothertongue“ präsentierte, und dem Mann am Klavier Paul Kuhn, der die Sängerin Silvia Droste mitbrachte, war diesmal aber eine deutlich spürbare Hinwendung zu europäischen Jazzern zu verzeichnen. Selbst die prächtig herausgeputzten, schwarzen „Three Divas of Blues“, die das niederschmetternd verregnete Blues-Open-Air-Konzert stimmgewaltig zu einem trostreichen Happening gestalteten, leben alle seit längerem in Deutschland.

Ob das schon beinahe heftige Liebäugeln mit der europäischen Szene – Martial Solal zählt, wie die farblose holländische Allerwelts-Spacegroove-Rap-Afro-Mix-Tante Saskia Laroo (tp, voc) immerhin auch noch dazu – nun den hinterlistigen Auswirkungen der Waigel’schen Ausländersteuer geschuldet sind oder tiefere Ursachen hat, bleibt abzuwarten.

Alles andere als ein Highlight war das Konzert des Ray Brown Trios mit Regina Carter (v), Sänger Kevin Mahogany, der zupackenden Flötistin Holly Hofmann und einem prachtvollen Nicholas Payton (tp) als Gästen. Wenig inspiriert spulte der Meister seine „beautiful show“ aus Standards und American Songbook herunter, ließ seine Gäste jeweils kurz antanzen, das brave Publikum kurz mitklatschen (und bremste es feldwebelartig wieder aus) und nur in einer einzigen Nummer erkennen, dass er seinem Ruf als führender Bassist noch immer gerecht werden kann. Mehr als entschädigt wurde die auf knapp die Hälfte des Saals geschrumpfte Zuhörerschaft am darauffolgenden Abend. Archie Shepp, um dessen Unzuverlässigkeit und Launenhaftigkeit wilde Gerüchte und Mythen im Umlauf sind, knurrte, stöhnte und schrie hingebungsvoll durch sein Horn. Sichtlich hingerissenen Verehrern lief es bei diesem gebrochenen Ton heiß und kalt den Rücken rauf und runter. Amina Claudine Myers, die den Hohepriester des Blues seit kurzem spürbar in Schwung bringt, verstieg sich einmal im Trio zu wunderlichen repetitiven Vokalisen, die möglicherweise afrikanisch klingen sollten. Sonst gab sich die Pianistin zurückhaltend und legte erst gegen Konzertende im spirituellen Sanges-Wetteifer mit Shepp um die Anrufung des Herrn einen Zahn zu. „Call him Jesus…“ ließen sich die treuen Burghauser Seelen nicht zweimal zurufen und standen wieder einmal Kopf.
Das taten sie auch bei der geschliffen und druckvoll aufspielenden „Big Bop Nouveau Band“ des inzwischen ziemlich kurzatmigen kanadischen Trompeters Maynard Ferguson. Der ließ meistens blasen und gerierte sich in einer ganz schön aufgeblasenen Suite aus klassischer indischer Musik und Bop-Elementen als klangschalenschlagender Erleuchteter.
Paul Kuhn schließlich verpasste dem Festival ungeachtet gähnender Leere im Saal mit seinen Gästen Silvia Droste (voc) und Johnny Griffin (ts), einer Weltpremiere, einen wunderbar unterhaltsamen Abschluss.

Michael Scheiner

 

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