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Ausgabe April 1999

STORY

SISTER SADIE

DEBUT MIT FÜNFZIG

Autor:
Marcus A. Woelfle

Sie ist die Tochter von Billie Holiday und Lester Young: Sie singt und spielt Saxofon – wenn auch Alt und nicht das Tenor ihres Vaters; seit dem 2. März, als sie ohne Werbekampagne und Vorberichte im Rico’s Inn, New Jersey, auftrat, tut sie das auch öffentlich. "Ja glauben Sie denn wirklich, ich hätte mich schon früher dem Gespött und dem Vergleich aussetzen können?" Erstaunlicherweise wußte niemand von einer gemeinsamen Tochter der beiden Genies, nicht einmal die florierende Gerüchteküche.

Als sie auf die Welt kam, saß Lady Day wegen Drogenmißbrauchs im Gefängnis. "Dann kam ich ins Heim. Meine Mutter besuchte mich ständig, kümmerte sich dort liebevoll um mich, hatte aber panische Angst, daß meine Existenz bekannt würde. Auch Vater erfuhr von meiner Existenz erst 1959, kurz bevor beide starben. Ich habe ihn nur einmal gesehen." Little Sadie Fagan hätte ihre Herkunft also leicht geheimhalten können. "Ich bin stolz auf meine Eltern und wie hätte ich es denn vor mir selbst verbergen können. Ich wollte ihnen keine Schande bereiten und habe 35 Jahre lang geübt. Jetzt will ich es wissen... Wahrscheinlich hätte ich ohne den Namen meiner Eltern nicht einmal einen Gig gekriegt." Den Mut, überhaupt aufzutreten und aufzunehmen, verdankt sie ihrer besten Freundin. Sie hat sich letztes Jahr ans Klavier gesetzt und Sadie zum Mitspielen gezwungen. "Nach der ersten Nummer sagte sie: ‚Oh Lord! Du klingst ja wie Sister Rosetta Tharpe und Anita O’Day in einem!‘ Da wußte ich, keiner würde mich mit meiner Mutter vergleichen." Ob sie in ihrer seltenen Kombination aus schnellem Scat in Gospel-Timbre sich bewußt von ihrer Mutter abheben wollte? "Nein, wissen Sie, ich höre so gut wie nie Aufnahmen von meiner Mutter. Es geht mir zu nahe. Ich muß immer weinen, wenn ich ihre Stimme höre. Ich weiß, daß es auch Leuten so geht, die sie gar nicht kannten." Als Kind sang sie im Gospelchor des Heims; als junge Frau hörte sie Platten von Anita O’Day, Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan, Dinah Washington und Nellie Lutcher, "all die heiteren." Wegen ihres Alters ("mit über 50 hat man keine taufrische Stimme mehr"), spielt sie hauptsächlich Alt auf ihrer Debut-CD "Sister Sadie" (First Records, in Deutschland bei April Sky im Vertrieb). Nichts klingt da nach ihrem Vater. Mit einem rotzfrechen Sound wie die R&B-Röhre Earl Bostic, in einer Geschwindigkeit wie Johnny Griffin segelt sie da im Quartett (Dexter Wayne -p, Lynn Mays -b und Abdul El-Mallah -d) durch Soul-Jazz-Nummern und (also doch) große Songs des Zweiergespanns Lady Day & Pres. Da hat sie gottlob nicht unerreichbaren Juwelen nachgestrebt, sondern die weniger bekannten Titel des Teams wie "Now They Call It Swing" (mit modernisiertem Text) und "You Can’t Be Mine" aufgegriffen. Bei letzteren kommen einem dann doch die Tränen, daß die Dame "27 Jahre lang in einer Provinzpost immer nur Briefmarken aufgeklebt und abgestempelt hat." (Aus dieser Periode stammt auch noch das Jugendbildnis, das das Cover ziert.) Sadies Cover-Versionen von Horace Silvers "Sister Sadie" und "Cool Eyes" sowie Nat Adderleys "Work Song" sind hitverdächtig.
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