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Ausgabe April 1999

BACK TO THE ROOTS

SAM MORGAN

New Orleans auf dem Prüfstand, Teil 2

Autor:
Richard Wiedamann

Der Melody-Section der Morgan-Band gehörten die Brüder Sam und Isaiah (tp) sowie Andrew (cl, ts), dazu noch Jim Robinson (tb) und Earl Fouche (as) an. Die Rhythm-Section bestand in der Aufnahme-Sitzung vom 14. April 1927 aus Tink Baptiste (p), Johnny Dave (bj), Sidney Brown (b) und Nolan Williams (d). In der zweiten Sitzung vom 22. Oktober 1927 wurde Baptiste durch Walter Decou (p) und Williams durch Roy Evans (d) ersetzt.

Booklet-Schreiber John Wilby bestätigt der Band ein so großes Repertoire, daß sie vor Publikum kaum einmal ein Stück wiederholen mußte, es sei denn, das Publikum wollte dies. Die stilistische Bandbreite reichte von "Hot Jazz" über "Hymnen" bis zu "Neuheiten", sprich eigenen Kompositionen. Die Band spielte regelmäßig in New Orleans und den angrenzenden Staaten. Sie war durchaus populär, trotzdem kam es nur zu diesen zwei Einspiel-Sessions mit insgesamt acht Titeln.

Trotz guter technischer CD-Realisation muß man sich den Sound erst transparent hören. Die kollektive Spielweise, meistens sind alle irgendwie beteiligt, führt zu der charakteristischen Linienvielfalt, die mit der überschaubaren, klaren Diktion einer heutigen Dixielandband nicht viel im Sinn hat. Dazu trägt die starke Präsenz der beiden Saxophone bei, die offensichtlich der Klarinette vorgezogen werden. Sie werden ornamental, zu Verdoppelungen aber auch solistisch eingesetzt. Erinnern wir uns an die zweite Trompete, so weben in der Melody-Section insgesamt fünf "Linienbildner" an der Erzeugung eines Klangteppichs, der noch nichts mit den raffiniert vertikal ausgerichteten Soundcollagen späterer Bläsersätze zu tun hat.

Von den acht Titeln stammen fünf aus der Feder des Bandleaders Sam Morgan. Die harmonische Sprache ist einfach, beschränkt sich weitgehend auf Tonika, Subdominante und Domi-nante, verwendet einfache Akkordstrukturen. Auch die rhythmische Basis hat noch nichts von dem elegant abgefederten Swing der späten dreißiger Jahre, ist wesentlich robuster. Schuller ("Early Jazz: Its Roots and Musical Development", Oxford University Press, New York; siehe Märzausgabe der Jazzzeitung), meint man, nimmt als erstes "den Old-Time-Swing der Band und ein Gefühl von ruhiger unkomplizierter Ausgelassenheit der Band" wahr. "Vieles davon wird von der Rhythmusgruppe – swinging along in a happy, bouncy 4/4 rhythm – ausgelöst". Alle Stücke stehen im 4/4 Takt und sind symetrisch aufgebaut, das heißt viertaktige Phrasen addieren sich zu durch vier teilbare Chorusse. Das klingt nach ermüdender Gleichförmigkeit, was sich in der Praxis aber als Irrtum erweist.

Das erste Stück, "Steppin’ On The Gas" von Sam Morgan, beginnt mit einer kollektiven Intro von vier Takten, der sechs Takte "Stop-Time" folgen, wodurch die Intro (etwas ungewöhnlich) zehn Takte erhält. – "Stop-Time" ist eine Spielweise, bei der die Rhythmusgruppe einzelne Schläge (hier 1 und 3) markiert und dazwischen Luft für melodische Vorgänge läßt (es gibt verschiedene Möglichkeiten in der Ausführung), gewissermaßen den "rhythmischen Fluß" zugunsten dieser Vorgänge unterbricht. – Also. Zehn Takte Einleitung, darauf folgt das 16taktige Thema mit Wiederholung im von der Lead-Trompete angeführten Kollektiv. Betrachten wir diese zweimal 16 Takte als "Chorus" (das ist die meist mit dem Thema identische, der Improvisation zugrundeliegende Längeneinheit), so folgt nun ein Altsaxophon- und dann ein Klarinetten-Chorus. Acht Takte (mit Themenzitat) bringen das Stück zum Schluß.

Analysiert man die anderen Stücke der Morgan-Band in dieser Weise, so stellt man fest, daß zwar immer diese Bausteine, aber in ganz unterschiedlicher Anordnung verwendet werden. Die Band schafft also mit ganz einfachen Mitteln immer wieder andere Verhältnisse. Da könnten manche unserer Bands eine ganze Menge davon lernen. Unabhängig davon, vielleicht haben Sie ja Lust sich da mal selbst intensiver reinzuhören, die CD dazu wäre: "Oscar ‚Papa‘ Celestin/Sam Morgan", Jazz Oracle BDW 8002.

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