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Jazzzeitung

2013/01  ::: seite 1

titelstory

 

Inhalt 2013/01

Inhaltsverzeichnis

Sternlein STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene /Jazz-ABC: Massimo Urbani no chaser: Projektwolken

Sternlein TITELSTORY: Raus aus der Talsohle?
Zur Jazzförderung in Bayern

Sternlein GESCHICHTE -
Daddy Plays the Horn
Gedanken zum 90. Geburtstag des Saxophonisten Dexter Gordon (1)

Sternlein DOSSIER/Jazzförderung -
Volle Fahrt voraus
Die Perspektiven der LAG Jazz in Bayern e.V. nach ihrem Vorstandswechsel
Jazz als Kulturgut begreifen
BR-Jazz-Redakteurin Beate Sampson im Gespräch über Jazzförderung
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Sternlein Berichte
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Saxophonist Yuri Honing // Saxophonistin Nicole Johänntgen //Die italienische Sängerin Anna Lauvergnac

Sternlein Jazz heute und Education
Peter Herbolzheimer European Jazz Academy in Trossingen 2012 //Das Landes-Jugendjazzorchester Bayern auf Sizilientournee // Abgehört: Rasant und intensiv:
John Coltranes Solo über „Giant Steps“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Raus aus der Talsohle?

Zur Jazzförderung in Bayern · Von Theo Geißler

Was hier folgt, hat – wie es im jazz-förderfreudigen Baden-Württemberg heißen würde – ein „Gschmäckle“: Der Autor dieser Zeilen war im vergangenen Jahr einige Monate ehrenamtlicher Vorsitzender der „Landesarbeitsgemeinschaft Jazz in Bayern“ (LAG). Er trat gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen zurück, als Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) mit einem Hau-Ruck-Dekret seinen Zuschuss für die Geschäftsstelle der LAG, das „Bayerische Jazzinstitut“ (BJI), einfror. So wäre der LAG-Vorstand persönlich für die feinen Gehälter der BJI-Mitarbeiterinnen haftbar gewesen. Neben dem Autoren-„Gschmäckle“ verbleibt, was die handelnde Politik in Stadt und Land sowie den mehrfach nicht entlasteten Uraltvorstand der LAG betrifft, ein Modergeruch: resultierend aus langjährigen Förder-Fehlkonstruktionen und trotz aktueller Deodorant-Überduftungsversuchen des Kunstministeriums und des Regensburger Oberbürgermeisters Hans Schaidinger (CSU).

Das Landes-Jugendjazzorchester Bayern (LJJB) auf Tournee in Sizilien, hier während eines Open-Air-Konzertes in Trapani. Lesen Sie dazu unseren Bericht auf S. 18. Foto: LJJB

Das Landes-Jugendjazzorchester Bayern (LJJB) auf Tournee in Sizilien, hier während eines Open-Air-Konzertes in Trapani. Lesen Sie dazu unseren Bericht auf S. 18. Foto: LJJB

Was juckt uns Vereinsmeierei – Hauptsache die Musi spielt cool.“ Eine sehr menschliche Haltung, die aber dann nicht mehr passt, wenn der Boden für die „Musi“ weggebaggert wird. Und zum Boden gehört heutzutage, ob man es mag oder nicht, eine fachkundige, politische Stimme, die – in unserem Fall – alle Interessen des Jazz in Bayern auch gegenüber öffentlichen Händen unabhängig vertritt.

Das hätte seit vielen Jahren der Verein „Landesarbeitsgemeinschaft Jazz in Bayern“, kurz LAG, tun können. Tat es aber nur sehr begrenzt. Vorsitzender (bis Mai 2012) Tiny Schmauch (Allgäuer Jazzinitiative) räumte ungefähr fünf monatliche Arbeitsstunden für den Verband ein. Stellvertreter Harald Rüschenbaum, seit langen 15 Jahren gut honorierter Leiter des Landes-Jugendjazzorchesters war wohl dank der Ausübung seiner jazzpädagogischen Fähigkeiten hinlänglich ausgelastet. Und der wunderbare alte Jazz-Bolide Joe Viera gab mit der Zeit leider seinen guten Namen für eine fragwürdige Sache.

Das schwächliche Engagement des ehrenamtlichen Vorstandes für die LAG-Mitglieder wäre eigentlich kein Problem gewesen. Denn mit dem „Bayerischen Jazzinstitut“ in Regensburg hätte die LAG als Trägerin eine vom Bayerischen Wissenschaftsministerium auskömmlich finanzierte Geschäftsstelle gehabt. Hätte. Denn seit Jahren (Gründer Richard Wiedamann erkrankte schwer, starb Anfang 2011, Stellvertreterin Sylke Merbold verfolgte und verfolgt ganz andere Interessen) spielte die Zuarbeit dieser „Geschäftsstelle“ für die Belange der LAG nur eine geringfügige Rolle. Mittlerweile wurde diese „Geschäftsstelle“ per ordre Mufti (OB Hans Schaidinger, Minister Heubisch) aus sehr fragwürdigen Gründen der LAG entzogen und samt anderthalb steuerlich finanzierten Planstellen dem Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen (VBSM) zugeschlagen.

Über die langjährige Dysfunktion des BJI berichtete Oliver Hochkeppl ausführlich in der „Süddeutschen“ und auch in diesem Blatt. Was sich vor Jahrzehnten der lokale Jazz-Heroe Richard Wiedamann als Konstrukt ausgedacht hatte, um Bayerns Jazzförderung von möglichen kommerziellen Interessen fernzuhalten, kehrte sich mit der Zeit gegen die ursprüngliche Intention. Das Institut, beheimatet in Wiedamanns investitionsintensivem denkmalgeschützten Altstadthaus, geriet zu einer Art schwer erreichbarem Jazz-Kuckucksheim, gefüllt mit Archivbruchstücken in teils ungeklärten Besitzverhältnissen – und auf Selbsterhaltungs-Präsentation bedachtem Personal.

Um die Rolle der Stadt Regensburg in diesem traurigen Theater zu skizzieren: Sie hat all die Jahre die Miet- und Sachkosten für das Institut finanziert. Sie hat ihr politisches und ihr kulturelles Interesse als Standort auch für die LAG immer wieder betont. Oberbürgermeister Hans Schaidinger bekannte sich noch im Sommer vergangenen Jahres klar zu diesem Konstrukt. Alles Makulatur. Schaidinger versäumte es, mit einer (versprochenen) klaren Absage an den Trägerwechsel hin zum Wissenschaftsministerium eindeutige Verhältnisse zu schaffen. Trotz anderer Zusagen finanziert die Stadt jetzt weiterhin mit mittlerem fünfstelligen Betrag Instituts- und Archivmiete sowie die „künstlerische Intendanz“ des Regensburger Jazzweekends im alten BJI-Ambiente.

Zuständig für einen jährlichen Zuschuss des Wissenschaftsministeriums als „Jazzförderung“ in hohem fünfstelligen Bereich ist das Referat B 6 für „Musik- und Heimatpflege, Musikakademien, Nachwuchsförderung in Musik und Ballett“ unter Ministerialrat Herbert Hillig. Dass der Jazz in Hilligs Aufgabenspektrum gar nicht genannt ist, mag erklären, weshalb er die jährlichen Rechenschaftsberichte des BJI als Grundlage für weiteren Geldfluss akzeptierte. Denn diese – wie von zahlreichen aktiven und professionellen Jazz-Menschen bestätigt – aufgeblasenen und mit reichlich Poesiealbum-Content geschmückten Zahlenspiele hätten es sicher schwer, einer genauen sachkundigen Prüfung standzuhalten. Als das Murren unter den Mitgliedern der LAG über diese Zustände unüberhörbar wurde, der alte Vorstand etliche Jahre keine Entlastung mehr bekam, schrillte wohl auch im Ministerium ein Alarmglöcklein.

Während einerseits zukunftsorientierte und reformwillige Kräfte in der LAG viel Zeit und Hirnschmalz aufbrachten, um die gröbsten Konstruktionsfehler in den Beziehungen zwischen Geldgebern, Jazzinstitut und LAG auszubügeln, pflas-terten Ministerium und Jazzinstitut einen „kleinen Dienstweg“. Auf ihm wurde die Trägerschaft für das Institut weg von der unbequem gewordenen LAG samt Stellenplan hin zu einem sicherlich sehr fleißigen, finanziell ministeriell wohlbedachten Verein, dem „Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen“ (VBSM) transportiert. So können eventuelle vergangene Zuwendungsproblematiken gewissermaßen im Vorzimmer des verantwortlichen Ministerialrates Herbert Hillig geräuscharm aus der Welt geschafft werden – bayerische Amigo-Eleganz –, aus meiner Sicht schon längst ein Fall für den Bayerischen Rechnungshof.

Abgesehen davon, dass dieser Transfer fachlich gesehen so schlau ist wie die Zwangseingliederung eines angeschlagenen Fußballvereins in einen Gleitschirm-Club: Dem Jazz in Bayern – förderungstechnisch völlig unterbelichtet im Vergleich zu anderen Bundesländern – wurde erstmal die Chance genommen, sich sachkundig und zielorientiert neu aufzustellen. Das hat Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch – vielleicht ja eine rasch vorübergehende Erscheinung – als Klumpen in seinem Verantwortungs-Paket. Eine kleine Dokumentation der Fehlentwicklungen in Bayerns Jazzförderung ist als PDF unter www.jazzzeitung.de kostenlos abrufbar.

Seit Dezember vergangenen Jahres hat das aufgelaufene Boot LAG mit einem dynamischen neuen Vorstand – aber bislang ohne Förderzusage einer öffentlichen Hand – wieder ordentlich Fahrt aufgenommen. Wir wünschen gute nautische Instrumente und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel…

Theo Geißler


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