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Jazzzeitung

2013/01  ::: seite 15

rezensionen

 

Inhalt 2013/01

Inhaltsverzeichnis

Sternlein STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene /Jazz-ABC: Massimo Urbani no chaser: Projektwolken

Sternlein TITELSTORY: Raus aus der Talsohle?
Zur Jazzförderung in Bayern

Sternlein GESCHICHTE -
Daddy Plays the Horn
Gedanken zum 90. Geburtstag des Saxophonisten Dexter Gordon (1)

Sternlein DOSSIER/Jazzförderung -
Volle Fahrt voraus
Die Perspektiven der LAG Jazz in Bayern e.V. nach ihrem Vorstandswechsel
Jazz als Kulturgut begreifen
BR-Jazz-Redakteurin Beate Sampson im Gespräch über Jazzförderung
Weitere Artikel zum Thema

Sternlein Berichte
Das 2. Birdland Radio Jazz Festival in Neuburg an der Donau //„Winterjazz“ in Köln

Sternlein Portraits / Jubilee
Saxophonist Yuri Honing // Saxophonistin Nicole Johänntgen //Die italienische Sängerin Anna Lauvergnac

Sternlein Jazz heute und Education
Peter Herbolzheimer European Jazz Academy in Trossingen 2012 //Das Landes-Jugendjazzorchester Bayern auf Sizilientournee // Abgehört: Rasant und intensiv:
John Coltranes Solo über „Giant Steps“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

neues von gestern

Von Marcus A. Woelfle

Gene Ammons: The Soulful Moods / Nice An’ Cool
CD: Jazzplus

Jazz-Sammler leben jetzt wieder unleugbar in „fetten Jahren“. Nachdem sich einige große Firmen nur um ihre Neuheiten kümmerten und viele Aufnahmen aus ihrer ruhmreichen Vergangenheit zu teuer, nur in limitierten Ausgaben, unpraktisch (etwa nur als Bestandteil großer Boxen) oder überhaupt nicht zugänglich machten, sprangen kleine Labels in die Bresche. Diese „Public domain“-Labels veröffentlichen die Schätze nach Ablauf der Urheberrechte oder ohne sich um diese zu scheren. Nun kontert Universal mit seiner Jazzplus-Serie, zum Beispiel mit zwei auf einem Silberling vereinten Alben von 1961/62. Als das puristische Prestige in den 60er-Jahren mit seinem Unterlabel „Moodsville“ auch auf den Easy-Listening-Markt drängte, waren sich die größten Tenoristen der Zeit, Bean, „Lockjaw“ oder Gene Ammons, nicht zu schade, anspruchsvolle Hintergrundmusik zu liefern. Das mächtigste Organ unter den Schülern Lester Youngs besaß Ammons, er war ein Recke boppiger Saxophonbattles, doch gerade er zelebrierte mit butterweichem Sound wie kein Zweiter, was man heute Kuscheljazz nennt. Es mag Jazzfreunde geben, die sich mit den Worten „So ein Kitsch!“ abwenden. Die meisten dürften, ins Herz getroffen, bei diesen lediglich von guten Klaviertrios (Bown, Duvivier, Shaughnessy bzw. Wyands, Watkins, Heard) begleiteten Balladen schmelzen, die schlicht und ergreifend dargeboten werden. Es ist echt! Man hört einem starken Bären in Augenblicken der Zärtlichkeit zu.

Dizzy Gillespie: New Wave! / Dizzy On The French Riviera
CD: Jazzplus

Einige „Public Domain“-Labels machen ihre Arbeit so gut, dass sie die großen Labels arg ins Schwitzen bringen. Sie zwingen diese, sich auf dem Reissue-Sektor mehr zu engagieren, sie in Qualität und Preis zu schlagen. Macht es Universal mit Jazzplus, das wie einige Konkurrenten zwei Alben auf einer CD vereint besser? Jein. Punkt 1: Universal besitzt nicht nur die Rechte, sondern vor allem auch die Originalbänder an den Verve-, Prestige-, Riverside- und Mercury-Aufnahmen, die den Grundstock der neuen Serie bilden. Das Remastering ist (jedenfalls bei den mir vorliegenden Beispielen) exzellent und holt das Beste aus den Aufnahmen heraus. Die Gegner sind zwar meist auch nicht mehr auf dem Stand von vorgestern (rauschende Kopien verknackster LPs), sondern haben selbst oft die legalen CDs abgekupfert und gelegentlich nachgeholfen. Trotzdem: Mit dieser Klangqualität liefert Jazzplus eine hohe Niveauvorgabe. Dieser Punkt geht an Universal. Punkt 2: Es genügt aber ein Blick auf die Original-LPs um festzustellen, dass die Faksimiles der Original-Artworks beim heutigen Stand der Technik weit besser (schärfer, farbechter, schlicht präziser) sein könnten. Sicherlich, Universal retuschiert im Gegensatz zu vorsichtigeren Gegenspielern nicht die Bestellnummern, Label-Namen und -Signets der Originale. Aber sind es immer die Originalcovers? Dizzy Gillespies „New Wave!“ und „On The French Riviera“ etwa waren im Original Philips- und nicht Mercury-LPs, deren Hüllen sogar die Konkurrenz korrekt abbildet. Der weiße Balken mit der dicken Inschrift Philips gehört zur legendären Gestalt dieser Alben, auch wenn Philips damals ein Label von Mercury war (dessen Logo heute vielleicht lieber vorgezeigt wird?). Dieser Punkt geht an die Original-LPs. Punkt 3: Jazzplus tut gut daran, die Rückseite der Cover mit den Original-„liner notes“ abzubilden. Allein: Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganzen Hüllentexte der Jazzgeschichte besäße und an seinem Augenlicht Schaden nähme? Sorry, dieser Punkt geht klar an Kontrahenten wie Poll Winners Records oder Solar, die die Texte der Erstausgaben mit neuen „Liner Notes“ kombiniert – auch nicht gerade in Riesenlettern, aber doch lesbar. Dabei hat Universal einst bei seiner freilich aufwendiger produzierten Verve-Master-Edition vorgemacht, wie sinnvoll die Kombination aus alten und neuen Texteinführungen ist. Bei Jazzplus wäre sogar Platz dafür, eine Doppelseite, die man aus Werbegründen mit einer Auflistung der anderen CDs der Serie gefüllt hat. Punkt 4: Beim Preis-Leistungsverhältnis liegt Jazzplus vorn. Nicht Stan Getz, sondern Dizzy Gillespie nahm als erster Jazzmusiker den Bossa Nova in Gestalt der neuen Songs von Jobim, Bonfa & Co. in sein Repertoire auf. Allerdings wurde der Beweis, seine 1962 aufgenommenen Alben „New Wave!“ und (live und noch mitreißender) „On The French Riviera“, später veröffentlicht. Die Arrangements lieferte Lalo Schifrin, damals regulärer Pianist in Gillespies Gruppe, mit dem Altisten Leo Wright; neben Perkussionisten bringt der brasilianische Gitarrist Bola Sete authentisches Flair. Unverzichtbar!

Jutta Hipp: The German Recordings 1952–1955
LP: Jazzhaus

Das junge Label Jazzhaus ist schon jetzt nicht mehr aus der der deutschen Jazzveröffentlichungslandschaft wegzudenken, veröffentlicht es doch Archiv-Schätze des SWR, die einst von Kennern wie Joachim Ernst Berendt und Dieter Zimmerle produziert wurden (so unlängst Konzerte von Zoot Sims, Albert Mangelsdorff und Dizzy Gillespie). Manchmal sind Trouvaillen dabei, die das Herz höher schlagen lassen.

Am 4. April jährt sich zum zehnten Mal der Tod einer Pianistin, deren geniale Begabung im umgekehrt proportionalen Verhältnis zum Ausmaß ihrer übersichtlichen Diskographie steht, da ihre Karriere gerade mal vier Jahre währte. Jeden Ton (der in der JazzZeitung 2012/01 von Dietrich Schlegel vorgestellten Pianistin – „Leipzig ehrt Jutta Hipp“) gilt es da zu veröffentlichen. Drei Konzerte aus Koblenz (1952, unter anderem mit dem Tenoristen Hans Koller), Baden-Baden (1953, unter anderem mit Koller und dem Posaunisten Albert Mangelsdorff) und Stuttgart (1955 unter anderem mit Mangelsdorff, dem Tenoristen Joki Freund und dem Gitarristen Attila Zoller) zeigen in chronologischer Anordnung ihr wunderbar luftiges, durchgeistigtes und von Einfällen sprühendes Spiel, offenbaren aber auch Schwächen. So liegen im Koblenzer Konzert Gold, Silber und Blei beieinander: Sie swingt kein bisschen, als sie es mit einem „Blues After Hours“ eröffnet, der daherkommt, als würde sie ihn gerade von Noten buchstabieren. Mit „Erroll’s Bounce“ begibt sie sich unvorsichtigerweise auf das Terrain eines Meisterswingers, den man zu gut im Ohr hat, wenn man sie hört. Doch kaum kommt Hans Koller ist Spiel, dessen zartes Spiel an die Nieren geht, ist sie wie ausgewechselt, in „Gone With The Wind“ inspiriert, wenn auch noch nicht perfekt. Im folgenden „You Go To My Head“ legt sie ein so überlegenes Solo hin, wie es eben nur von Jazz-Olympiern kommt. Man hört heraus: Sie war wohl so sensibel, dass sich diese olympischen Qualitäten nur entfalteten, wenn sie sich 100 Prozent wohlfühlte, und das war wohl nicht der Fall, wenn sie etwas spielte, das ihrem Naturell nicht entsprach, oder wenn Unsicherheiten, die vielleicht nicht einmal musikalischer Natur waren, oft nur für Sekundenbruchteile ihr Spiel ins Stocken brachten.

In den beiden anderen Konzerten ist das Zusammenspiel lockerer und die Pianistin souveräner. Das neapolitanische Lied „Come Back To Sorrento“ verwandelt sie mit ihren an Bach gemahnenden Stimmengeflechten in ein Musterexempel des deutschen Cool Jazz.

Und das dritte Konzert, kurz vor ihrer Übersiedelung in die Staaten entstanden, zeigt sie so gelöst und beflügelt in den Soli, in der inzwischen abwechslungsreicher gewordenen Begleitung und in der kontrapunktischen Zwiesprache mit ihrem verlobten Zoller, dass man hofft, es mögen sich noch weitere „Lost Tapes“ von Jutta Hipp im SWR-Archiv finden lassen.

Marcus A. Woelfle

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