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Jazzzeitung

2009/01 ::: seite 5

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Inhalt 2009/01

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig / R.I.P. / Carter, Ron / Abschied von Klaus Weiss / Dave McKenna


TITEL - Über das Lächeln
Bühnenperformance und Publikum


DOSSIER
- Jazz in NRW

Berichte
Dutch Jazz Meeting 2008 // Klaus Doldinger zu seiner neuen Doppel-CD im Interview // Jazz-Herbst in Dresden // Bilanz: Münsters Jazzfestival // Jazz Orchester Regensburg mit Jones, Lewis & Brookmeyer // Südtirol Jazzfestival Alto Adige


Portraits

Der Saxophonist Charly Augschöll // Cymin Samawatie und ihr Quartett Cyminology // Pianist Lorenz Kellhuber // Joshua Redman // Das Berliner Quartett Triband // Pianistin Antje Uhle


Jazz heute und Education
Der Verein „Jazz am Rhein“: Vorbildfunktion für die Szene // Kurt Maas und seine Engegement für den Jazz // Klingender Nachruf auf einen großen Trompeter: Freddie Hubbards Solo über „Little One“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

 

Keine Frontfrau

Cymin Samawatie und ihr Quartett Cyminology kleiden persische Lyrik in Jazzharmonien

Persische Musik und Jazz klingen ganz verschieden. Doch beide Musikkulturen leben von der Improvisation, die folgerichtig für Cymin Samawatie zum Bindeglied zwischen Orient und Okzident wird. Die deutsch-persische Sängerin ist Namensgeberin der Berliner Formation Cyminology – mit dabei sind der Pianist Benedikt Jahnel, Kontrabassist Ralf Schwarz und Ketan Bhatti am Schlagzeug. Im Januar veröffentlichte das Quartett sein Album „As Ney“, eine Synthese aus vokalem Kammerjazz und persischer Lyrik. Antje Rößler traf Cymin Samawatie in einem Café am Potsdamer Platz.

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Jazzzeitung: Der Iran ist die Heimat Deiner Eltern. Was verbindet dich mit diesem Land?
Cymin Samawatie: Meine Eltern kamen schon zu Schah-Zeiten zum Studieren nach Deutschland. Ich wurde in Braunschweig geboren. Zuhause haben meine Eltern in der Regel persisch miteinander und auch mit mir gesprochen. Aber sobald ich in den Kindergarten kam, habe ich meistens auf Deutsch geantwortet. Bis zu meinem 17. Lebensjahr fuhren wir jeden Sommer für sechs Wochen zu Verwandten in den Iran.

Jazzzeitung: Wie lange lebst du schon in Berlin?
Samawatie: Seit sechs Jahren. Ich habe zuerst in Hannover studiert und anschließend an der Berliner Universität der Künste. Als ich in Berlin ankam, habe ich drei Jahre bei einer Tante gewohnt.
Jazzzeitung: Wo ist dir zum ersten Mal persische Lyrik begegnet ist?
Samawatie: Genau. als ich eines Tages heimkam, hörte meine Tante Rezitationen von Gedichten Omar Chajjams, das ist ein Klassiker der persischen Lyrik aus dem 12. Jahrhundert. Von der Sprachmelodie und vom Sound her hat mich das sofort fasziniert.

Jazzzeitung: Das war also kein Gesang?
Samawatie: Die Gedichte wurden gesprochen. Dabei habe ich den Sinn kaum verstanden. Das ist nämlich Altpersisch und von der heutigen Umgangssprache ziemlich weit entfernt. Das war aber gerade das Faszinierende: Da gibt es eine Sprache, die ich kaum verstehe, die mich aber trotzdem berührt. Ich habe mir dann die Verse übersetzen lassen, und auch der Inhalt hat mich begeistert. So begann ich, die Gedichte auswendig zu lernen. Schließlich habe ich mir einen Lehrer für Altpersisch genommen, weil ich alles ganz genau verstehen wollte.

Jazzzeitung: Diese Gedichte sind etwa 900 Jahre alt, was hat dich daran so fasziniert?
Samawatie: Viele der Inhalte sind sehr offen und erlauben einen gewissen Interpretationsspielraum. Sie haben auch eine spirituelle Dimension; tiefe Weisheiten werden ganz schlicht und einfach ausgesprochen: „Ich weiß nicht, was hinter dem Vorhang ist, der alle Dinge verhüllt. Wenn ich es herausfinde, werde ich nicht mehr auf dieser Welt sein.“

Jazzzeitung: Sind deine eigenen Texte von diesen alten Versen inspiriert?
Samawatie: Auf jeden Fall. Wenn ich die-se klassischen Gedichte lese und mich mit den Inhalten beschäftige, inspiriert mich das und beeinflusst auch meine Gedanken. Zuerst schreibe ich meistens auf Englisch oder Deutsch. Dann übersetze ich die Gedichte zusammen mit einem persischen Lehrer. Meine Texte entstehen oft situationsbedingt.

Jazzzeitung: Was ist ein Beispiel für solch eine Situation?
Samawatie: Etwa „Delbasstegi“, von unserer neuen Platte. Da geht es darum, dass ich manchmal die traurige und deprimierende Realität vergessen möchte und stattdessen in die Schönheit des Lebens eintauchen will. Das kennt wohl jeder. Man weiß, wie viel Leid es auf der Welt gibt, aber manchmal möchte man einfach nicht draufschauen, sondern sich auf die schönen Dinge konzentrieren. Dorthin möchte ich die Leute gerne manchmal mitnehmen.

Jazzzeitung: Auch durch die Musik?
Samawatie: Absolut. Wir waren zum Beispiel gerade auf Tour im Kaukasus. Da habe ich ein wunderschönes Kompliment erhalten. Zu einem Konzert in Armenien kamen drei Frauen, die mir sagten, sie hätten durch unsere Musik Frieden gefunden. Das hat mich sehr berührt.

Jazzzeitung: Die Faustformel, mit der man häufig Eure Musik beschreibt, lautet: persische Lyrik plus Jazz. Ich finde das nicht ganz treffend. Ist denn nicht auch die Melodik Deines Gesangs orientalisch beeinflusst?
Samawatie: Nicht bewusst. Ich bemühe mich, intuitiv Musik zu machen und treffe nicht etwa eine Entscheidung für diese oder jene persische Skala. Zumal ich mich da gar nicht auskenne. Persische Musiker haben mir aber gesagt, dass sie dennoch bestimmte persische Skalen in meinem Gesang erkennen. Ansonsten ist unsere Musik eher europäisch beeinflusst, auch von der Klassik. Ich liebe zum Beispiel die Musik von Debussy und Bartók.

Jazzzeitung: Sind Eure Stücke eher durchkomponiert, so wie in der klassischen Musik?
Samawatie: Komposition und Improvisation greifen ineinander. Die meisten Titel nehmen ihren Anfang, indem ich zuhause improvisiere und das aufnehme. Was mir am besten gefällt, das notiere ich und bearbeite es dann. Dann kommt mein Entwurf in die Band, die wieder damit improvisiert. Auch die Songs auf Platte sind Momentaufnahmen, die sich dann weiter entwickeln.

Jazzzeitung: Aber die Stücke wirken so, als wäre die Gestaltung der Form für Dich ein wichtiger Aspekt. Manche der Songs sind dreiteilig, und auf dem neuen Album gibt es ja sogar eine Trilogie.
Samawatie: Die Form ergibt sich meistens von selbst. Allerdings wird mir das Schema Thema-Impro-Thema in der Tat manchmal langweilig.
Dann denke ich: Es muss doch Möglichkeiten geben, das interessanter zu gestalten. Ich sage dann zum Beispiel zu den anderen: Wir nehmen dieses Thema, dann sehen wir, was passiert, und am Ende möchte ich gerne dort landen. Da will ich den Mittelteil gar nicht vorgeben. Das Konzept lässt also genug Raum für spontane Entwicklungen.

Jazzzeitung: Das Quartett ist nach Dir benannt. Hast Du auch künstlerisch den Hut auf?
Samawatie: Nein, wir entwickeln die Sachen gemeinsam. Sicher erwecke ich mehr Aufmerksamkeit, einfach weil ich die Sängerin bin. Aber besonders bei Live-Auftritten ziehe ich mich gerne bewusst zurück und betrachte mich einfach als Bandmitglied. Ich sehe mich nicht als Frontfrau. Jeder von uns bemüht sich, dem anderen zuzuhören und den anderen gut klingen zu lassen. Dann kommt das beste Ergebnis raus.

CD-Tipp

Cyminology: As Ney
ECM
www.cyminology.de

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