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Jazzzeitung

2008/04  ::: seite 15

rezensionen

 

Inhalt 2008/04

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig / Die Abenteuer des Werner Steinmälzl, Teil 4 / Cat Anderson / Zum Tod von Esbjörn Svensson


TITEL - Generation Swing
Hugo Strasser ist Preisträger der German Jazz Trophy 2008


DOSSIER
- Erst das Fressen, dann der Jazz
Stipendien und Fördermaßnahmen in Deutschland

Berichte
Jazz an der Donau 2008 // Pat Metheny im Juli in der Oper Halle // Jazzsommer 2008 im Bayerischen Hof // Till Brönner und Band bei den Regensburger Schlossfestspielen 2008 // 26. Südtirol Jazzfestival Alto Adige // Preview: International Stride Piano Summit am 31. Oktober im Münchner Amerika Haus


Portraits

Torsten Goods // Niels Klein und seine Arbeit mit dem European Youth Jazz Orchestra // David Sanborn mit neuem Album und im Interview


Jazz heute und Education
Die Politikerin Monika Griefahn im Interview // Wolfram Knauer über seine Zeit an der New Yorker Columbia University // Johnny Griffins Solo über „The Boy Next Door“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

 

analog -> digital

Charlie Parker
The Yardbird Sessions

Universe

Wenn man es sich beim Kopieren zu leicht macht: 1997 erschien auf dem Label Rhino eine vorzügliche Jazz-Anthologie, „Yardbird Suite. The Ultimate Charlie Parker Collection“. Das größte Manko der auf zwei CDs beschränkten, immer noch erhältlichen Auswahl aus dem Schaffen Charlie Parkers, ist ihre Kürze. Die Mühe einer eigenen Zusammenstellung haben sich die auf legaler Basis operierenden italienischen Kompilatoren bei „The Yardbird Sessions“ nicht gemacht, ja Titel und graphische Merkmale (Stempel auf der Vorderseite) sollen das Verwechseln des Plagiats mit dem doppelt so teuren Original erleichtern. Die Macher übernahmen komplett die Auswahl der amerikanischen Profis in deren chronologischer Reihenfolge, fügten aber neun Stücke hinzu. Dabei machten sie sich nicht einmal die Mühe, die zusätzlichen Stücke in die von Rhino so hübsch vorgegebene chronologische Reihenfolge einzupassen, womit sie auch gut ihre Einfallslosigkeit hätten verschleiern können. Diese Zusatzstücke decken nicht die unten genannten, von den Rhino-Leuten gelassenen Lücken. Das 60-seitige, mit Bildern reichlich ausgestattete Büchlein mit den bebilderten gelungenen Begleittexten namhafter Jazzjournalisten konnten sie nicht kopieren. Für „ihr“ Booklet kopierten sie eine Parker-Biografie aus dem Netz, löschten aber die verlinkten Namen statt sie umzuformatieren. Daher musiziert Parker etwa mit „players that included... and...“, was immer wieder Lustiges Rätselraten garantiert. Die Chancen des hübschen Formates „Digibook“ wurden also nicht ausgeschöpft. Fast jede wichtige Parker-Komposition („Koko”, „Parker’s Mood”, „Now’s The Time”) findet sich in einer ihrer gelungensten Aufnahmen (nicht aber etwa „Barbados”, „Billie’s Bounce”). Es wurden allerdings nur Bebop-Klassiker ausgewählt – überwiegend jene Studio­aufnahmen, die Parkers verwirrte Kollegen vor 60 Jahren kauften, um jeden Ton auswendig zu lernen. Den Anteil an Live-Aufnahmen hat man, vielleicht aus Gründen der Aufnahmetechnik und der Titellängen, auf ein Minimum beschränkt. Die Folge ist nicht nur, dass einige legendäre Auftritte gänzlich fehlen (z.B. in der „Massey Hall” und leider auch im „Royal Roost”). Auf Nebenschauplätzen entdeckt man Charlie Parker nie: Parker mit Big Band, Bird auf Mambo-Pfaden und als Begleiter von Vokalisten, Yardbird auf einer All-Star-Jam-Session mit traditionellen oder mit europäischen Musikern gibt es hier nicht. Auch die Enden sind ausgespart: Beispiele aus dem Frühwerk (z.B. mit Jay McShann), die uns gezeigt hätten, von welcher Swing-Rampe (Kansas City) das Genie zum Bebop startete, fehlen ebenso wie die allerletzten Aufnahmen (Cole-Porter-Titel) – all dies hätten die neun zusätzlichen Titel bieten können, ohne dass es auf Kosten des essentiellen Combo-Bebop gegangen wäre. Ein bisschen weniger Schlamperei und es wäre eine ideale Kurzeinführung in das Schallplattenwerk jenes genialen Improvisatoren.

Jazz Goes Hawaiian
Feat. Louis Armstrong u.a.

Retrieval

Steel Guitar und hotte Trompetensoli, sanftes Aloha – Süßholzraspeln friedvoller Insulaner und Blues – führen da Wege zueinander? Das mag jeder selbst an Hand dieser CD entscheiden. Von der kaum bekannten Liebesbeziehung zwischen klassischem Jazz und Hawaiianischer Musik legt die Anthologie mit Aufnahmen von 1926 bis 1937 Zeugnis ab. Sie verdient Gehör, nicht nur weil nur Wenigen überhaupt bekannt sein dürfte, wie groß dieses Feld ist und weil man so seine Klischeevorstellungen von Hawaii hat (siehe oben), die hier freilich auch bedient werden, ironisch etwa von Fats Waller, aber ganz natürlich von Hawaiianern wie Andrew Aiona. Dass diese beiden musikalischen Welten natürlicherweise zusammenkommen mussten, lag nicht nur an der Neugierde der Musiker, an exotistischen Modeströmungen (und damit zusammenhängend der Suche des Westens nach dem verlorenen Paradies, der Unschuld, der unberührten Natur), es lag auch an den gar nicht so unähnlichen Wurzeln beider Musikrichtungen, die aus der Verschmelzung aus europäischer und nichteuropäischer Musik entstanden. Was aus Verschmelzung entsteht, sehnt sich nach Erweiterung durch weitere Verbindungen. Abgesehen vom einheimischen Aiona, steuert Louis Armstrong die meisten Beispiele bei. Es erstaunt nicht, dass Hawaiianisches in gepflegten, „cooleren“ Jazzformen, etwa dem New York Style eines Red Nichols ein willkommenes Kolorit abgab.

Zoot Sims
Love For Sale

Nagel Heyer

Die Sängerin Chris Connor bekannte vor kurzem: „Niemand überlebt den nächsten Tag, der das sagt, aber ich denke, Zoot war besser als Prez“ – eine Blasphemie (wer darf den Sohn vor dem Vater loben?), doch eine verzeihliche. Zoot Sims war ein geborener, ein natürlicher Swinger. Es war ihm offensichtlich unmöglich, eine unswingende Tonfolge zu spielen – genausowenig wie je eine ungefühlte, rein mechanische Phrase über seine Lippen kam. Das Spiel des späten Zoot Sims war zudem, wie man es von zahlreichen Pablo- oder den weniger bekannten Chiaroscuro-Alben kennt, von fast jenseitiger Schönheit. Als der erdigste Tenor- und Sopransaxophonist unter den Four Brothers 1978 in Dublin, im Lande seiner Vorfahren, beim Kilkenny Arts Festival auftrat, musizierte er mit sehr guten, vermutlich lokalen Musikern, dem Pianisten Noel Kelehan, dem Bassisten Jimmy McKay und dem Drummer John Wadham. Dabei verständigte man sich vorzüglich über gängige, doch unverbrauchte Standards wie „Softly As In A Morning Sunrise“ oder „Emily“. Ein gewöhnlicher Arbeitstag wurde hier dokumentiert (leider in mäßiger Aufnahmequalität, die seinem imponierenden Sound nicht ganz gerecht wird) und doch einer, der bezeugt, wie viel Herzblut in allem steckte, was Sims spielte. Das Titelstück ist außergewöhnlich und bietet einen guten Vergleich zu dem in der Jazzzeitung 2006/11 transkribierten Sims-Solo.

Paul Desmond featuring Jim Hall
Glad To Be Unhappy

RCA Victor

Paul Desmond ist als Altist Dave Brubecks bekannt, oder (je nachdem was man unter Bekanntheit versteht), nicht bekannt genug geworden. Es gab immer wieder Phasen in seiner Laufbahn, in denen es so aussah, als könne der bedeutendste Cool-Jazz-Altist nach Lee Konitz dem übermächtigen Schatten seines kongenialen pianistischen Freundes entfliehen. In den frühen 60ern etwa spielte Desmond an der Seite des feinsinnigen Gitarristen Jim Hall eine Reihe von Alben für RCA ein, von denen ein jedes ein Juwel filigraner Silberschmiedekunst darstellt. Mit scharfen Augen erkennt man, wie fein alles gearbeitet ist, oben hingeschaut, sieht man nur etwas Kleines angenehm glitzern. Auf die Musik übertragen: Ihre gemeinsamen Aufnahmen funktionieren sowohl als entspannende Hintergrund-Musik für gehobene Cocktail- und Schlummer-Freuden am Ende durchwachter Partys als auch als pures Musikvergnügen für Kenner.Der Titel „Glad To Be Unhappy“ ist Programm. Hier haben sich die 1963/64 von Connie Kay trommelnd bzeihungsweise besend sowie von Gene Wright oder Gene Cherico subtil bassierend begleiteten Musiker eine Reihe eher melancholischer Balladen, „torch songs“ wie „Angel Eyes“ vorgenommen, denen sie mit ihrer Kunst der leisen, entspannten Töne den Stachel nehmen. Sie träufeln Balsam auf die Wunden unglücklicher Liebe, statt sie aufzureißen. Und wer die verträumt lächelnden Töne hört, ist nicht unhappy, aber gewiss glad.

Marcus A. Woelfle

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