Anzeige

Startseite der Jazzzeitung

Anzeige

Startseite der JazzzeitungZum Archiv der Jazzzeitung (Datenbanken und pdf)Zur Rezensionsdatenbank der JazzzeitungZur Link-Datenbank der JazzzeitungClubs & Initiativen Die Jazzzeitung abonnierenWie kann ich Kontakt zur Jazzzeitung aufnehmen
 

Jazzzeitung

2009/01 ::: seite 4

portrait

 

Inhalt 2009/01

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig / R.I.P. / Carter, Ron / Abschied von Klaus Weiss / Dave McKenna


TITEL - Über das Lächeln
Bühnenperformance und Publikum


DOSSIER
- Jazz in NRW

Berichte
Dutch Jazz Meeting 2008 // Klaus Doldinger zu seiner neuen Doppel-CD im Interview // Jazz-Herbst in Dresden // Bilanz: Münsters Jazzfestival // Jazz Orchester Regensburg mit Jones, Lewis & Brookmeyer // Südtirol Jazzfestival Alto Adige


Portraits

Der Saxophonist Charly Augschöll // Cymin Samawatie und ihr Quartett Cyminology // Pianist Lorenz Kellhuber // Joshua Redman // Das Berliner Quartett Triband // Pianistin Antje Uhle


Jazz heute und Education
Der Verein „Jazz am Rhein“: Vorbildfunktion für die Szene // Kurt Maas und seine Engegement für den Jazz // Klingender Nachruf auf einen großen Trompeter: Freddie Hubbards Solo über „Little One“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

 

Schritt nach vorne

Joshua Redman mit neuem Album

Frei zu sein bedeutet auch, die eigene Vergangenheit zu befragen. Nun wirft „Compass“ nicht die Regeln des modernen Jazz über den Haufen. Aber es ist für Joshua Redman ein erstaunlich offenes und pulsierend fließendes Album, das die stilistische Position des Erfolgsjungen aus der Perspektive der auf ihre Vierziger zugehenden Jazzautorität modifiziert.

Die Grübchen beim Lachen hatte Joshua Redman auch schon vor einem Jahrzehnt, und sein sonniges Gemüt nimmt noch immer vom ersten Moment der Begegnung für ihn ein. Trotzdem verändert sich etwas, kaum merklich und ganz natürlich: „Oh ja, ich werde middle-aged. Und so viel denke ich eigentlich gar nicht über meine Musik nach, zumindest nicht darüber, was ich als Improvisator mache. Auf der einen Seite bin ich sehr selbstkritisch, höre mir Fehler an und überlege, was ich besser machen könnte. Aber ich plane nicht bewusst, in welche Richtung sich meine Musik verändern könnte. Das passiert intuitiv. Natürlich gefällt mir der Gedanke, dass meine Musik mit den Jahren mehr Tiefe, mehr Komplexität, mehr Lyrisches bekommt. Und ich habe inzwischen sicherlich ein größeres Spektrum an Quellen, auf die ich zurückgreifen kann. Das befreit, ich fühle mich wohler als früher, wenn ich improvisiere. Ich kann mehr Wörter aussprechen, mit mehr Texturen arbeiten.“

Foto: Ralf Dombrowski

Bild vergrößernFoto: Ralf Dombrowski

Außerdem kann Joshua Redman als einer der wenigen wirklichen Stars seiner Generation und geschickter Netzwerker es sich inzwischen aussuchen, mit wem er in welcher Form zusammenarbeitet. Er ist sogar in der Lage, einem Konzern wie der Warner via Nonesuch ein Album abzuringen, das nicht dem üblichen Erfolgsschema „Quartett spielt Standards“ gehorcht. „Bislang hatte ich meistens eine Working Group. Wir machten ein Album, spielten Tourneen, dann schrieb ich neue Kompositionen, die wir wieder aufnahmen. Das ging eigentlich bis zu meinem letzten Album ‚Back East‘ so. Seitdem hat sich etwas verändert. Ich habe Musik geschrieben, zunächst ohne einen speziellen Musiker oder eine spezielle Gruppe dafür im Kopf zu haben. In den Vordergrund trat eine spezielle Instrumentierung, ein klanglicher Kontext. In diesem Fall war eigentlich ein reines Trioalbum geplant. Als der Studiotermin näher rückte, hatte ich die Idee, das Konzept auf mehr Musiker auszuweiten, aber es erschien mir zunächst albern und konfus.“

Die Vorstellung ließ ihn dennoch nicht los und so fragte Joshua Redman mehrere Kollegen, ob sie bei einem kleinen Experiment mitmachen wollten. Während der drei Tage im Avatar Studio in New York fanden sich die Bassisten Larry Grenadier, Reuben Rogers und die Schlagzeuger Brian Blade und Gregory Hutchinson ein, um Redman in wechselnden Besetzungen beizustehen. Es wurde mehrfach durchgewechselt, im Laufe von dreizehn Stücken kamen alle möglichen Triobesetzungen um das Saxophon im Zentrum vor, rund ein Drittel der Songs entstand sogar mit zwei Bässen. „Ich hatte da großes Vertrauen in die Musiker, mit denen ich schon in verschiedenen Zusammenhängen gespielt hatte. Bei den meisten Alben zuvor hatte ich eine klare Vorstellung davon, was ich hören und erreichen wollte. In diesem Fall haben wir vieles zum ersten Mal gemacht. Da war keine Vision, keine Agenda im voraus. Wir haben es auf uns zukommen lassen.“

Das Resultat „Compass“ ist beachtlich. Joshua Redman komponiert stringent und abwechslungsreich, mit einem Hang zum Elegischen, adaptiert und entkernt sogar den ersten Satz von Beethovens „Mondscheinsonate“ als lyrischen Akzent für den Jazzerkosmos. Stellenweise schweift er ab in frei anmutende, sich vom Beat zugunsten des Pulses entfernende Passagen, die er selbst noch vor wenigen Jahren nicht in seinem Wirkungsfeld vermutet hätte. Damit nähert er sich auch ein wenig dem von seinem 2006 verstorbenen Vater Dewey Redman erforschten Terrain: „Ich glaube, ich fühle mich mit der Zeit mehr und mehr wohl damit, auch einmal außerhalb vorgegebener Strukturen zu spielen. Ich vermeide es, dazu free zu sagen, ich meine, was heißt das schon! Louis Armstrong hat free gespielt. Jedenfalls gibt es auf dem neuen Album mehr Stellen als früher, die keinen eindeutigen Platz auf der harmonischen und rhythmischen Landkarte haben. Und das wiederum ist etwas, das mein Vater und viele Musiker seiner Generation entdeckt und entwickelt haben.“ So wird der Staffelstab der Avantgarde doch noch weitergegeben. Der Musik tut das gut.

Text/Foto: Ralf Dombrowski

| home | aktuell | archiv | links | rezensionen | abonnement | kontakt | impressum
© alle texte sind urheberrechtlich geschützt / alle rechte vorbehalten / Technik: Martin Hufner