Ein neues Label für die Gemeinde der Big Band-Fans Bigband Records präsentiert fünf empfehlenswerte CDs

Im Widerspruch zu vielem Geraune der letzten Jahre sind Big Bands längst nicht out. Der großen Gemeinde ihrer Fans wird mit dem neuen Label „Bigband Records“ ein attraktives Angebot unterbreitet. Es ist eines von mehreren Labels bei NRW Jazz (Vertrieb). Unter anderen gehören dazu noch NRW Records und Wizmar Records.

CDs von BigBand Records

Inhaber Jürgen Czisch setzt in Zeiten allgemein nachlassenden CD-Absatzes auf den Vertrieb sorgfältig produzierter, grafisch ansprechend gestalteter, mit fundiert informativen Texten versehener Editionen außergewöhnlicher Big Band-Projekte für ein anspruchsvolles Jazzpublikum. Das neue Speziallabel wird wiederum unterteilt in Produktionen mit Ausrichtung auf Folklore und Weltmusik, auf Projekte von Big Bands, die ihre eigenen Mitglieder featuren, sowie auf Big Band-Musik und Literatur. Fünf CDs, teils Neu- teils Wiederveröffentlichungen, liegen vor.

In der ersten Sparte finden sich gleich zwei Produktionen der WDR Big Band Cologne, die sich seit je Folk und Weltmusik öffnet und dabei Musiker aus den entsprechenden Regionen miteinbezieht. Auf der CD „Balkan Jazz“ sind das der aus Rumänien stammende Saxophonist Nicolas Simion mit seiner Band. Simion, der neben Tenor, Sopran und Klarinetten auch die ganze Scala balkanischer Holzblasinstrumente beherrscht, kann als d e r Protagonist des Balkan-Jazz gelten, dem die Verchmelzung der Volksmusik Südosteuropas mit zeitgenössischem Jazz beispielhaft gelingt (vgl. Jazzzeitung 04/2009). Bill Dobbins hat 2004 als damaliger Chef der WDR Big Band Simions kleine Band meisterhaft in die Big Band integriert und seine Musik ohne Abstriche der typischen Balkan-Klänge und -Rhythmen auf die Großformation übertragen. Ebenso mitreißend wie auf diesen Konzertmitschnitten, aber auf eine andere regionalspezifische Weise, geht es auf der CD „jazz al arab“ zu, ein Mitschnitt aus der Kölner Philharmonie von 2006 vor begeistertem Publikum. Arrangeur und Dirigent Michael Gibbs hatte der WDR Big Band vier marokkanische Solisten (voc, dr, perc) zugesellt. Gemeinsam entfalten sie ein wahres Feuerwerk aus kehllautigem Gesang und arabesken Rhythmen, ausgebreitet auf dem satten Power House Sound der Big Band.

In der zweiten Sparte wird nochmals die WDR Big Band präsentiert, die auf der CD „Very Personal 1“ fast alle ihre Mitglieder als Solisten, Komponisten, Arrangeure featured und damit die hohe musikantische und musikalische Qualität sowie die stilistische Bandbreite dieser vielseitigen Band demonstriert. Im Herbst folgt die CD „Very Personal 2“.

Auch der NDR unterhält zum Glück seine erstklassige Big Band, die vom neuen Label mit der 2008 aufgenommenen CD „Coburger“ gewürdigt wird – einer Produktion des in der Hamburger Szene verwurzelten, gerade erst preisgekrönten Saxophonisten Gabriel Coburger. Kraftvolle, groovende Arrangements mit Free-Elementen, gewürzt durch Soli des Komponisten sowie von Reiner Winterschladen, tp, Peter Bolte, as, und Stefan Lottermann, tb.

Die aufs erste ungewöhnlich erscheinende Sparte Big Band und Lyrik wird gleich mit einem absoluten Highlight eröffnet, dem Konzertprojekt „Odyssee“ (vgl. Jazzzeitung 03/2011). Der Saxophonist und Komponist Heiner Schmitz hat Homers großes Epos in doppeltem Sinne in eine zeitgenössische Jazzsprache übertragen, nämlich für einen Rezitator, der hier niemand anderes ist als der großartige Christian Brückner, und Big Band, hier das fantastische Cologne Contemporary Jazz Orchestra mit dem überragenden Trompeter Frederik Köster als „Odysseus“. Unmöglich, diese hervorragende Produktion auf knappem Raum auch nur ansatzweise zu beschreiben. Man kann sie nur dringend empfehlen.

Dietrich Schlegel

Alle Angaben unter www.nrw-jazz.de