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          |  | Jazzzeitung 2009/04  ::: seite 13-14rezensionen |  |   
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   | Till Martin QuartetDing Dong
 petit paquet records 05
  Till Martins Horizont ist weit gespannt. Kein Tellerrand beschränkt
        seinen Blick, keine Berührungsängste stilistischer Natur engen
        ihn ein. Er zeigt Klasse in Satz und Solo als prägendes Mitglied
        von Al Porcinos Big Band, spielt weltmusikalisch im Ensemble Sarband “Die
        Arabische Passion nach J.S. Bach”, abenteuert mit Amorphous durch
        jazzig-elektronische Landschaften, erforscht mit dem Rosebud Trio gemeinsam
        mit Geoff Goddman und Johannes Herrlich Jazz, Filmmusik und Cowboysongs,
        bleibt dem Grundrauschen auf der Spur und dabei zugleich ganz alltagsbezogen
        mit seiner Musik für Wohnzimmer. Die neue – sechste – CD
        des Müncheners, live aufgenommen bei zwei Gelegenheiten im Januar
        und Mai 2008, repräsentiert die große Bandbreite des Tenorsaxophonisten
        mit dem so sachlich schlanken wie ästhetisch kultivierten Ton. Moderne
        Mainstream Orientierung, der elektrische Jazz der 70er und Impulse aus
        der mittelöstlichen Musik werden in der musikalischen Sprache hörbar.
        Die CD enthält ausschließlich Eigenkompositionen: Sensible
        Transparenz und stete Beweglichkeit in klar bemessenen Räumen, die
        weder beengen noch beängstigen, Luft zum Atmen lassen und zugleich
        zum Rundgang auffordern. Mit Henning Sieverts an Bass und Cello sowie
        Bastian Jütte, dr, hat Martin ein sensibel aufeinander eingespieltes
        Rhythmusgespann an seiner Seite, mit Christian Elsässer einen erstaunlich
        flexiblen und variantenreich aufspielenden Pianisten, der auch dem Fender
        Rhodes markante Eigenständigkeit entlockt. Tobias Böcker
 Mayra Andradestória, stória…
 RCA Victor/ Sony Music
  Sesshaftigkeit liegt Mayra Andrade nicht gerade im Blut. Die 24-Jährige
        stammt aus Kuba, wuchs heran auf den Kapverden, in Senegal, Angola und
        Deutschland; derzeit lebt sie in Paris. Kein Wunder, dass sich auch in
        ihrer Musik ganz verschiedene Einflüsse treffen. Grundlage ist die
        kapverdische Folklore, die ihrerseits afrikanische und portugiesische
        Traditionen vereint. Auf ihrem zweiten Album „Stória, Stória“ verknüpft
        die Sängerin den musikalischen Facettenreichtum der Atlantikinseln
        mit Stilen aus Westafrika und Lateinamerika. Die temperamentvolle kapverdische
        Funaná hat hier etwas von einer Samba an sich; die melancholische
        Morna klingt nach „Buena Vista Social Club“. Eine Bandera,
        den kapverdischen Walzer, unterlegt Mayra Andrade mit eleganten Jazz-Bläserchören.
        Federleicht wie ein französisches Chanson kommt die kapverdische
        Mazurka mit ihrer Akkordeon-Begleitung daher. Und ein Jazzpiano ergänzt
        den leichtfüßigen rituellen Tanz namens Batuku. Die Begleitung
        für Mayra Andrades interessant überhauchte Stimme besteht aus
        Gitarre, Bass und Perkussion. Hinzu gesellen sich diverse Gäste:
        ein Kora-Spieler aus Guinea, die Perkussionisten einer Sambaschule, der
        kubanische Pianist Roberto Fonseca und ein brasilianischer Kinderchor.
        Mayra Andrade hat Talent fürs Songwriting. Luftig und beschwingt
        sind ihre Lieder. „Seu“ etwa, eine Ode an die Kraft der Musik,
        hat eine bittersüße, melancholische Melodie, die von Trompete
        und Cello umtänzelt wird. Das Album erfrischt wie ein Himbeer-Sorbet. Antje Rößler
 Rainer TempelTempelektrisch
 Jazz’n’Arts 4409
  Der Strom kommt aus der Steckdose. Gute Musik braucht mehr als das.
        Für solches Mehr gibt’s Komponisten, Arrangeure, Musiker wie
        Rainer Tempel. Der 37-jährige Wahl-Tübinger, nach seinem Studium
        in Nürnberg auch ohne Wanderjahre binnen einer Dekade zu einem der
        wichtigen Jazzschreiber und Projektausdenker des Landes avanciert, legt
        immerhin schon sein 14. Album unter eigenem Namen vor. Immer wieder was
        Neues, diesmal im optimal besetzten Septett! Axel Schlosser, tp, Christian
        Weidner, as, Nils Wogram, tb, Frank Möbus, g, Jim Black, dr, und
        Wolfgang Zwiauer, b, Tempels Professorenkollege an der Musikhochschule
        Luzern, sind mit von der Partie, garantieren für eine Elektrizität,
        die mehr in der Musik als an den Instrumenten liegt. Tempel sinniert
        im Klappentext über die Möglichkeiten moderner Synthesizer,
        bekennt sich dann aber klar zu einem elektrischen Instrument, dessen
        Stärke es eben nicht ist, Natursounds zu imitieren, sondern am eigenen
        Sound erkennbar zu sein: Das Fender Rhodes harmoniere ohnehin zuweilen
        besser mit Blasinstrumenten. Zugleich differenziert und kraftvoll ist
        die Musik auf der neuen Scheibe, erinnert durchaus an die gute alte Zeit,
        in der das Rhodes neben den ersten polyphonen Synthies noch unangefochten
        die Bühnen zierte, gibt bei aller durchgearbeiteten Struktur der
        Phantasie der Solisten genügend Raum und überrascht mit herrlichen
        Farben und kurvenreich wendigem Drive. Da schlägt das Spannungsmessgerät
        schon mal oben an. Tobias Böcker
 Jaime CuadraCholo Soy
 Happy Hours Records 2022, in-akustik
  Globalista funktioniert! Man muss nur die richtigen Kontakte haben,
        am besten nach Hollywood. Wie Jaime Cuadra aus Peru, dessen Musik den
        James-Bond-Film „Ein Quantum Trost“ polstert. Mit diesem
        Popularitätsschub kann der Komponist, Multiinstrumentalist und Produzent
        gelassen durchstarten. Dabei bekennt er sich zu „Cholo Soy“,
        nämlich ein Mestize und unabhängig zu sein. Und so ist seine
        Musik auch eine ziemlich eigenwillige Fusion aus Latino-Tristeza und
        Rap-Gesang in „Cariño mala“, wo ein Bassklarinetten-Motiv
        sich quer zum Elektrobeat stellt. Die Lounge-Atmosphäre seiner Songs
        wird oft von solchen fremden Timbres gesprenkelt, etwa wenn Klangfetzen
        eines Akkordeons seine schmachtende Stimme im peruanischen Hit der 1970er „Regresa“ begleiten.
        Oder Step-Perkussion das Samba-Ambiente in „La Valse créole“ unterstützt.
        Typischer Chanson-Stil für „La noche de tu ausencia“ bekommt
        einen Dreh zum Jazz durch improvisierende Flöte und zu „Cardo
        o ceniza“ schmücken elegante Gitarrenornamente den Latinswing.
        Prominente Gefährten auf seinem Album sind die Sängerinnen
        Eva Ayllón und Susana Baca sowie der 80-jährige Vokalist
        Luis Abanto Morales, der im modern aufgepeppten „Cholo Soy“ nostalgische
        Tupfer hinzufügt. Nichts ist eindeutig, denn Jaime Cuadra versucht
        offenbar, der konservierten Gefühls- und Klangwelt der Andenkultur
        einen Kick zur postmodernen Gegenwart zu geben. Das gelingt ihm zwar
        technisch perfekt, aber sein Konzept ist doch manchmal zu oberflächlich. Hans-Dieter Grünefeld
 Eldar:
        Virtue Sony Classical 88697558662
   Der mittlerweile 22-jährige, in Kirgisistan geborene Pianist Eldar
        Djangirov ist schon lange kein unbeschriebenes musikalisches Blatt mehr.
        Als dreijähriger begann er Klavier zu spielen, debütierte bereits
        mit neun Jahren und zog mit seinen Eltern kurz danach in die USA. Anfänglich
        noch verhaftet in einer klassisch geprägten Ausbildung, folgte Eldar
        der Vorliebe seines Vaters für Jazz und orientierte sich stilistisch
        zuerst an Oscar Peterson und Bill Evans. „Virtue“, sein mittlerweile
        viertes Album bei Sony Music, wird Mitte September auch in Deutschland
        erscheinen. Nach seinem Grammy-nominierten Album „re-imagination“ von
        2008 ein gelungener Nachfolger! Eldar präsentiert auf „Virtue“ überwiegend
        eigene Kompositionen im Trio mit Jose Armando Gola und Ludwig Alfonso,
        zu denen sich Nicholas Payton, Joshua Redman und Felipe Lamoglia als
        Gastmusiker gesellen. Im Vergleich zu seinen vorigen Alben hat er sich
        beachtlich weiter entwickelt, obwohl nicht zuletzt Virtuosität auch
        auf „Virtue“ immer wieder hervorsticht. Bei allem Respekt
        vor Können oder „Tugenden“ wären ab und zu ein
        paar Töne oder Läufe weniger manchmal etwas mehr, aber Eldars
        ungestümes Spiel sei ihm angesichts seiner Jugend noch verziehen.
        Die Stücke sind trotz allem ausgewogen, beseelt, vor allem aber
        im harmonischen Kontext mit den Musikern. Das Zusammenspiel funktioniert
        intuitiv, man folgt einander gemeinsam, so wie es sich entwickelt. Thomas J. Krebs
 Sara TavaresXinti
 World connection/ edelkultur
   Ihre kapverdischen Eltern kamen einst als Gastarbeiter nach Portugal – Sara
        Tavares gehört also zu jenen Einwanderern zweiter Generation, die
        sich oft weder im Geburtsland noch in der Heimat der Vorfahren wirklich
        zuhause fühlen. Inzwischen ist Sara Tavares 30 Jahre alt und beutet
        als Musikerin ihre vermeintlich gebrochene Identität kreativ aus.
        Auf „Xinti“, ihrem nunmehr sechsten Album, demonstriert die
        Sängerin und Gitarristin einen individuellen, multikulturell globalisierten,
        urbanen Sound. Jazz und Soul spielen darin eine Rolle, die melancholische
        kapverdische Morna, portugiesischer Fado und westafrikanische Rhythmen.
        Sara Tavares’ Herkunft spiegelt sich auch im gesungenen Sprachenmischmasch
        wider: Portugiesisch ist auf der Platte zu hören, das kapverdische
        Kreol und der Lissaboner Straßenslang der Exil-Afrikaner. Sara
        Tavares hat die Stücke allesamt selbst geschrieben. Mal geht es
        ausgelassen zu, dann wieder melancholisch. Die Lieder tragen poetische
        Titel wie „Voz di Vento“ (Stimme des Windes), wo sich eine
        schwermütige Melodie über einem langsamen Samba-Rhythmus entfaltet;
        dazu tropfen kühle Vibraphontöne. Zum Tanzen lädt das
        perkussionslastige und funkig angehauchten „Keda Livre“ (Im
        freien Fall) ein. Der letzte Track enthält eine Tonspur mit dem
        Straßentreiben Lissabons: Wortfetzen, Hundegebell und Autohupen
        gesellen sich zur Lagerfeuer-Gitarre; darüber kreiselt elegisch
        die Stimme... Antje Rößler
 Anne Czichowsky JazzpartoutRise
 Neuklang
   „Mein Instrument ist die Stimme“, sagt Anne Czichowsky entschieden.
        Vergangenes Jahr hat die Stuttgarter Sängerin sich beim „Jazz
        Singer Contest“ in Finnland gegen 16 Sängerinnen aus 15 Ländern
        behauptet. Gleichzeitig legte Anne Czichowsky mit ihrem Quintett Jazzpartout
        ihr Debüt vor. Dem instrumental orientierten Gesang, der mit eigenen
        Texten unterlegt wird, kommt Czichowsky sehr nah. Sie intoniert perfekt,
        phrasiert mit viel Gespür, besticht durch geschmeidige instrumentale
        Führung, solistisch stets stilsicher. Es wäre verfehlt, einzig
        den Stimmumfang als Maßstab zu nehmen. Versteht sich, dass sich
        die Sängerin intensiv mit den Texten auseinandergesetzt hat. Kompositionen
        wie Pat Metheny´s „As It Is“, Chick Corea´s “Spain” oder
        Miles Davis´ “Some New Flamenco Sketches” bekommen
        eine neue Note. Eindrücklich setzt Czichowsky ihre Stimme als Instrument
        ein, rückt dem Bebop mit Scats, ideenreichen Vokaleinlagen, zu Leibe.
        Ihr unbedingter Gestaltungswillen ist bewundernswert. Die Fähigkeit,
        derartige Originalkompositionen der Großen des Jazz sich zu eigen
        zu machen, mit gutem Gespür für das Wesentliche und großer
        Feinfühligkeit, bescheinigte Lauren Kinhan von den New York Voices
        im Covertext der CD. Mit Vokalisen jeglicher Art, dem Hinzufügen
        von Texten zu einem vorher nur als Instrumental bekannten Titel, kennt
        sich Anne Czichowky eben aus. Mit Jazzpartout ist sie auf dem richtigen
        Weg. Reiner Kobe
 Marc Brenken TrioIt could happen to you
 Marc Brenken Music 2009
   Unerbittlich treibend und federleicht zugleich rotieren rasche Sechsachtel,
        ein plakatives melodisches Thema baut sich auf – fast so, als wenn
        gerade der Vorspann eines Films zu inszenieren wäre. Geschmeidig
        lässt Marc Brenken seine die rasanten Klavierläufe wie die
        Tropfen eines warmen Sommerregens dahin perlen. Dann wird im satten Crescendo
        noch mehr Gas gegeben – bzw. im Falle des Essener Pianisten – wohl
        eher fest in die Pedale getreten! Leidenschaftlich mag er nämlich
        nach eigenem Bekunden das Radfahren durch die Landschaft. „Durch
        den Regen fahren“ heißt dann auch der überaus stimmige
        Opener seiner aktuellen zweiten CD, diesmal im „klassischen“ Trioformat.
        In Musik gegossene persönliche Stimmungen, rhythmisch trickreich
        servierte Modern-Jazz- Arrangements oder auch ein bodenständig beginnender,
        aber dann sich spannend verästelnder Blues sowie Balladen und frischer
        Uptempo-Swing – Marc Brenkens Trio übertrifft sich darin,
        solches Vokabular mit individueller Note auszuformen und trickreich gegen
        den Strich zu bürsten. Bassist Alex Morsey hält mit abgrundtiefen,
        ausdrucksstarken Linien bei der Stange, Schlagzeuger Marcus Rieck befeuert
        all dies mit spontanen Impulsen, wird Marc Brenkens Vorliebe für
        aufbrausende Crescendi mehr als gerecht. Herausgekommen ist – wieder
        in Eigenproduktion! – ein entspanntes, ja sehr aufgeräumtes
        Jazzalbum. Stefan Pieper
 Otis TaylorPentatonic Wars and Love Songs
 Telarc Blues CD 83690
   Otis Taylor ist ein außergewöhnlicher Bluesman. Bereits in
        den siebziger Jahren war er musikalisch aktiv, orientierte sich beruflich
        dann allerdings anderweitig, um 1995 wieder zum Blues zurückzukehren
        und zu beweisen: musikalischer Stillstand ist überhaupt nicht sein
        Ding. Was könnte seine Fans nach grandiosen Alben wie “Truth
        Is Not Fiction” oder dem gelungenen 2008er Coup „Recapturing
        The Banjo” nun interessieren? Die Antwort: Love Songs! So legt
        Taylor mit seinen 61 Lenzen auf der aktuellen CD „Pentatonic Wars & Love
        Songs“ ein Album mit Liebesliedern vor. Gute Idee - vor allem aber
        noch bessere Umsetzung: Man begegnet in seinen Songs einem Lover der
        seine Geliebte umbringt, lauscht dem Verliebtsein eines achtjährigen
        farbigen Jungen in ein gleichaltriges weißes Mädchen, erfährt
        von verzweifelten Liebesbeweisen oder hört die Geschichte über
        einen Silberdollar, der Schmerzen nimmt, wenn man ihn auf die Stirn legt.
        Otis Taylors Blues zeichnet sich aber nicht nur durch intensive Texte
        aus, gerade seine musikalische Umsetzung ist einzigartig und erfrischend
        abwechslungsreich für ein Blues Album. Mit von der Partie ist hier
        das Jason Moran Trio (!) mit Tarus Mateen & Nasheet Waits. Gary Moore
        oder Ron Miles sorgen für weitere geniale Überraschungsmomente
        und auch Tochter Cassie Taylor übernimmt wieder einfühlsam
        einige Gesangsparts. Genau diese Vielfältigkeit macht seinen Blues
        so reizvoll. Thomas J. Krebs
 Sebastian Sternal TrioEINS
 Double Moon/Sunny Moon
   EINS, ein einfacher wie nahe liegender Titel für die erste CD
        einer Band, gleichzeitig ein versteckter Hinweis auf das bereits siebenjährige
        Einssein des Trios. Was es präsentiert, ist einzig in seiner harmonischen
        Verquickung von eingängigen Melodien mit rhythmischen Brüchen.
        Vordergründige Leichtigkeit und ein facettenreiches Melodienspiel
        sowie komplexe Wechsel der Rhythmen verbinden sich hier zu einer spannenden
        atmosphärischen Dichte, die den Hörer einstimmt auf eine abenteuerliche
        Reise in seiner eigenen Gedankenwelt. Beeinflusst ist die musikalische
        Welt des Sternal Trios von der Klassik (Debussy, Brahms Mendelssohn)
        wie von Miles Davis, Brad Mehldau, dem Filmkomponisten John Williams
        sowie folkloristischen Einflüssen. „Die Kraft und Vitalität
        folkloristischer Musik finde ich faszinierend – sie ist oft einfach,
        ohne simpel zu sein“, sagt der Mainzer Pianist Sebastian Sternal
        (*1983), der fast alle Stücke des Trios komponiert. Bereits im Alter
        von sechs hat Sternal mit einer klassischen Klavierausbildung angefangen
        und ist bereits mit elf über seinen Lehrer zum Jazz gekommen. Als
        frühes Mitglied des Landesjazzorchesters Rheinland-Pfalz, des Bujazzo
        unter der Leitung von Peter Herbolzheimer folgten zahlreiche Konzertreisen
        ins In- und Ausland. Außerdem hat er bereits mit Jazz-Größen
        wie John Ruocco, David Binney und Dee Dee Bridgewater gespielt. Seit
        2003 an der Hochschule für Musik Köln, studierte er bei John
        Taylor und Hubert Nuss Jazz-Piano, machte 2007 sein Diplom und setzt
        nun sein in Paris begonnenes Kompositionsstudium bei Joachim Ullrich
        fort; gleichzeitig hat er einen Lehrauftrag für Harmonielehre und
        unterrichtet an den Hochschulen von Mainz und Osnabrück Jazz-Piano.
        Auch Sebastian Klose (b) und Axel Pape (dr) haben sich Namen als hervorragende
        Musiker
        gemacht, sie gelten als eine der meist gefragten Rhythmusgruppen im Rhein-Main-Gebiet.
        Eindeutig profitiert das musikalische Zusammenspiel der Drei von der
        langen gemeinsamen Entwicklung, „die Dinge werden selbstverständlich
        und man kann sich ganz auf die Musik konzentrieren“, so Sternal.
        Das hört man: Der Funke springt über! Anne Kotzan
 Tubby HayesThe little giant
 PROPER BOX 117 (4 CDs)
   England ist Europas ,,Tenor Country“. Nirgendwo sonst gab es soviele
        exzellente Tenorsaxophonisten: Don Rendell, Ronnie Scott, Danny Moss,
        Jimmy und Allan Skidmore, Kathleen Stobart, Tony Coe, Andy Sheppard,
        Barbara Thompson, Courtney Pine…Doch der bedeutendste von allen
        war wohl Tubby Hayes, in Ton wie Phrasierung, Technik wie Spielleidenschaft.
        71 Aufnahmen zwischen 1954 und 1956 (wieder ein Pluspunkt für PROPER)
        demonstrieren eindrucksvoll, welche erstaunlichen Fortschritte er in
        dieser kurzen Zeit machte. Sein Oktett von 1955 dürfte damals in
        Europa fast konkurrenzlos gewesen sein. Man höre sich dazu etwa
        ,,Final Selection“ an mit den Solos von Tubby Hayes, Derek Humble
        und vor allem auch Jimmy Deuchar. Tubbys allzufrüher Tod 1973 im
        Alter von nur 38 Jahren war ein großer Verlust für den europäischen
        Jazz. Joe Viera
 Sputnik 27Back on Earth
 dml-Records 011 / Fenn Music
   Der Name des Percussionisten und Schlagzeugers Bernd Settelmeyer taucht
        immer wieder auf, wenn sich ein neues Projekt aus dem Stuttgarter Raum
        zu Wort meldet. Phon B, As You Like It oder Limes X sind einige weitere
        Bands, mit denen der vielseitige und rege Musiker arbeitet. Liebhaber
        des schottischen Künstlers Andy Goldsworthy kennen seine Musik als
        Soundtrack des beeindruckenden Dokumentarfilms „River and tides“.
        Bei „Sputnik 27“ mit Jo Ambros an der Gitarre – akustisch/elektrisch – Michael
        Deak am Bass und Carsten Netz an Saxofon und Klarinette ist der Name
        Programm. Das versteht aber wiederum nur, wer eine Live-Performance mit
        Spracherzieher Urs Klebe aus Stuttgart miterleben konnte, der Texte des
        Warmbronner Bauern und Poeten Christian Wagner über ferne Planeten,
        das Weltall, die Entstehung von Gestirnen und das dortige Leben zur Musik
        des Quartetts vorträgt. Entstanden vor rund hundert Jahren, stehen
        die teils seltsam skurrilen und anrührenden Texte der komplexen,
        rhythmisch und klanglich differenzierten Musik Settelmeyers kaum nach.
        Von den zehn Titeln stammen acht aus der Feder des kreativen Schlagzeugers
        , darunter die Bearbeitung eines makedonischen Reigenliedes, zwei sind
        Kollektivkompositionen. Stilistisch deckt die Band ein breites Spektrum
        von östlichen Folksounds über Klezmer bis hin zu freien Klangexkursionen
        ab. Zwischen hingetupften, fast verloren wirkenden Klang- und Tonmalereien
        und heftig erregten Ausbrüchen tut sich eine faszinierende Fülle
        von Sinneseindrücken auf. Michael Scheiner
 Stefan GrasseEchos einer Stadt
 Xolo 1015, Galileo
   Von innen und von außen nimmt Stefan Grasse die „Echos einer
        Stadt“ wahr. In seinem Auftrag entstand die „Nürnberg-Suite“ für
        Gitarre solo. Fünf ortsansässige Komponisten haben historische
        Momente ausgewählt, die zusammen ein signifikantes Porträt
        ergeben. Ein “Welscher Tanz mit absonderlichen Variationen” von
        Heinrich Hartl moduliert untypisch zu Jazzrhythmen, ein suchender Impetus
        in weiten Intervallen symbolisiert für Volker Blumenthaler wie “Dürer
        zählt”, Johann Pachelbel wird von Vivienne Olive in “Another
        One For J. P.” zitiert , synkopierte Motive reiben sich in der “Toccata
        meccanica” als Etüde für Gitarre und Metronom, die Nationalhymne
        wird von Stefan Hippe” mit dissonant nervösen Akkorden durch
        den “Marsch 1933-1945” geschickt und über die Stadt
        der Menschenrechte hat nochmals Heinrich Hartl polystilistisch nachgedacht.
        Diese Miniaturen präsentiert Stefan Grasse als Gitarrenmeister vieler
        Genres, die er trotz aller Unterschiede subtil gestalten kann. Blickwinkel aus Partnerstädten von Nürnberg ergänzen das
        Programm und, so mit dem kaledonischen “Slip Jig Blues” von
        Edward McGuire aus Glasgow, dessen “Drei traditionale Chinesische
        Tänze” auch auf Shenzhen hinweisen. Mediterranes Ambiente
        zeigt sich bei “Coplas del Ruiseñor” von Thomas Brendon
        Wilson und Kontemplation in den “Callanish”-Stelen von John
        Maxwell Geddes, indem er gälische Psalmen und Improvisation kombiniert.
        Ein poetisches und zugleich sehr individuelles Album eines engagierten
        Gitarristen aus Deutschland.
 Hans-Dieter Grünefeld
 Peter Schärli Trio feat. Ithamara KooraxObrigado Dom Um Romão
 TCB 27702
   Der musikalische „Dank“ an den großartigen brasilianischen
        Schlagzeuger-Percussionisten Dom Um Romão weist einerseits auf
        dessen Bedeutung für die Arbeit des Schweizer Trompeters Peter Schärli
        und auf seinen Einfluss auf die populäre Musik Brasiliens überhaupt
        hin. Der frühere Weather Report und Musiker von Sergio Mendes war
        es auch, der Schärli mit der in Brasilien und den USA sehr populären
        Sängerin Ithamara Koorax bekannt gemacht hat. Kurz vor einer gemeinsamen
        Tour verstarb Dom Um Romão 2005 und die Band blieb auch für
        die Aufnahmen zum aktuellen Album schlagzeuglos. Lediglich auf einem
        Titel, das neben Klassikern von Cole Porters „Love for sale“ und
        Sergei Rachmaninoffs „Vocalise“ Traditionals und nur ein
        Original von Schärli enthält, ist Dom Um auf der Berimbao – dem
        typischen brasilianischen Musikbogen – zu hören. Wenn der
        Schweizer mit der Brasilianerin – dann kommen keineswegs unversöhnliche
        Gegensätze heraus, sondern ein herrlich beflügeltes, sinnliches
        Album voller Charme und tänzerischer Anmut. Auf exquisitem Niveau
        fabriziert Peter Schärli in Besetzung mit Thomas Dürst (bass),
        Markus Stadler (guitar) und Sängerin Koorax fließenden „Brazilian
        Jazz“ zwischen melancholischer Coolness und mitreißender
        Lust. Die beiden ergänzen sich hervorragend. Schärli umgarnt
        Koorax, diese hebt zum Höhenflug mit dem Poeten auf der Trompete
        an. Ihre Stimmen ranken sich in- und umeinander voller Poesie, Raffinesse,
        hauchzarter Melancholie, das so typische Gefühl der saudade eben.
        Großartig. Michael Scheiner
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