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Jazzzeitung

2009/04 ::: seite 8

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Inhalt 2009/04

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig / ABC: Lester Young ist schuld / Farewell: Charlie Mariano starb mit 85Abschied von Bud Shank


TITEL -
Jazz im ganz nahen Osten
Eine Rückschau ins Land der Improvisateure mit Ausblick


DOSSIER
- Auf den Spuren des Balkan Jazz
Gespräche mit Nicolas Simion und Theodosii Spassov

Berichte
Jazz an der Donau im Juli 2009 // jazzopen Stuttgart 2009 // Jugend jazzt-Landessieger treffen Hannover // Jazz Sommer 2009 im Hotel Bayerischer Hof // 27. Südtirol Jazz Festival // Vorschau: 50 Jahre Blechtrommel: die beiden Günters arbeiten wieder zusammen


Portraits

Jon Balke // Esther Kaiser // Rainer Tempel // Julian und Roman Wasserfuhr // Marcel Worms // Labelporträt: Euphorium Records


Jazz heute und Education
Münchner Kritikerband „La Banda“ wagt den Schritt an die Öffentlichkeit // Große Parteien beantworten Wahlprüfsteine der BKJazz // Abgehört: Charlie Hadens Solo „Focus On Sanity“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

 

Musikalischer Brückenbauer

Jon Balke stellt sein neues genreübergreifendes Projekt „Siwan“ vor

Es gibt kein Wort für seine Musik. Jon Balke kennt keines. Journalisten oder Musikforscher sollen sich etwas überlegen und ihm dann sagen. Interessieren würde es ihn, wie man sein neues Projekt „Siwan“ mit einem Wort beschreiben könnte. Aber man kann es nicht. Zu viel steckt in dieser Musik, zu tief sind ihre Wurzeln und zu weit verzweigt ist ihre Geschichte.

Foto: Per Buhre/ECM

Bild vergrößernFoto: Per Buhre/ECM

Alles begann mit einer Einladung. Jon Balke, norwegischer Jazzpianist dessen Musik nicht wirklich in eine Kategorie zu fassen ist, sollte zum fünfzehnjährigen Jubiläum der Osloer Kulturbühne „Cosmopolite“ im September 2007 ein Konzert spielen. Ein Konzert mit einem, dem Anlass entsprechenden Programm, etwas, das zur Bühne passt. Mit „Weltmusik“ sollte es zu tun haben und ein großes Ereignis sollte es werden. Das waren die Vorgaben des aus Marokko stammenden Clubbesitzers. Balke war skeptisch und überlegte ob überhaupt und wenn, wie er dieses Projekt verwirklichen sollte.

Er forschte in traditioneller Marokkanischer Musik. Dabei fiel ihm eine Aufnahme der Sängerin Amina Alaoui in die Hände. Sie stammt aus Marokko und beschäftigt sich intensiv mit der Musik des Al-Andalus. Sofort war Jon Balke fasziniert von Musik und Sängerin. Amina Alaoui singt diese sehr alte Musik unwahrscheinlich modern. Als Sängerin und Musikwissenschaftlerin machte sie Jon Balke mit der Geschichte und Kultur des Al-Andalus bekannt.

Von 711 bis 1492 war ein großer Teil Spaniens unter Muslimischer Herrschaft, diese Landesteile hießen Al-Andalus. Die Kultur dieser Zeit war reich an unterschiedlichen Einflüssen. Die Muslimischen Herrscher ließen diese Einflüsse, auch die anderer Religionen zu, ja förderte sie sogar. Eine einmalige Kulturlandschaft mit regem Austausch zwischen jüdischen, christlichen und muslimischen Kulturschaffenden entstand. Diese multikulturelle Gesellschaft endete im 15. Jahrhundert, als die Kreuzzüge der Christlichen Könige über das Land herfielen, die Muslime vertrieben und die Juden zum Christlichen Glauben zwangen. Die Quellen über die Kultur wurden zum größten Teil zerstört.

Die Musik des Al-Andalus ist aber nur ein Baustein des „Siwan“ Projekts. Balke beschäftigte sich damals auch mit Barockmusik und arbeitete mit einem Norwegischen Ensemble für Alte Musik zusammen. Sofort sah er eine Verbindung zwischen der Musik der Iberischen Halbinsel und dem Mitteleuropäischen Barock. Er machte sich ans Komponieren und fügte seine eigene jazzorientierte Note ein. Als Jon Balke mit dem amerikanischen Trompeter Jon Hassell über dieses Projekt plauderte und dieser sofort mitspielen wollte, wurde der Jazzbaustein noch gestärkt. Die Art Musik zu machen und die damit verbundene Freiheit ist in allen drei Musikbereichen ähnlich.

Das war auch der Grund für Jon Balke, diese Stile zu verbinden und für so eine ungewöhnliche Besetzung zu schreiben. „Siwan“ schlägt eine musikalische Brücke zwischen ganz unterschiedlichen Zeiten, Gesellschaften und Stilen. Solche „Weltmusik“-Projekte können konstruiert wirken. Auch Balke mag folkloristische Musik, die möglichst massentauglich in seichte Form gebracht wird, nicht. „Siwan“ ist nichts dergleichen. Obwohl alles aus unterschiedlichen Bausteinen zusammengefügt ist, klingt die Musik homogen und absolut natürlich. Was daran liegen mag, dass Jon Balke ein sehr einfühlsamer und sensibler Komponist und Dirigent ist. Jedes Mal organisiert er die Abläufe neu und fungiert als Impuls- und Raumgeber für die Solisten und das Barockensemble. Als Pianist nimmt er sich ganz zurück, streut dezent elektronische Klänge ein und lässt die Musik fließen. Gerade so starke musikalische Persönlichkeiten wie Amina Alaoui, Jon Hassell und der herausragende Algerische Violinenvirtuose Kheir Eddine M’Kachiche, brauchen Raum und Zeit zur Entfaltung. Beides gibt ihnen Jon Balke.
Eine Bezeichnung für seine ungewöhnliche und doch so natürliche Musik lässt sich immer noch nicht finden. Warum auch? Man braucht keine Bezeichnung, man muss die Musik einfach nur hören. Denn es ist gute Musik, sehr gute sogar.

Ulrich Habersetzer

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