| 
         
         
          |  |  |  |   
          |  | Jazzzeitung 2009/04 ::: seite 8portrait |  |   
          |  |  |   
          |  |  |  |  
   | Der Komponist, Pianist, Arrangeur und Dirigent Rainer Tempel hat sich
        im Laufe der letzten Jahre eine Reihe von Tätigkeitsfeldern erobert:
        so ist er seit 2006 musikalischer Leiter des Zurich Jazz Orchestra und
        Professor für Jazz-Komposition in Luzern und Stuttgart. Fernab von
        Lehre und Leitungsaufgaben stehen für Tempel aber auch immer wieder
        die eigenen Projekte im Vordergrund; derzeit ist dies sein Septett „Tempelektrisch“.
        Ende des Jahres wird die Band live zu hören sein. Als kleinen Vorgeschmack
      gibt es erstmal das gleichnamige, jazzrockige Album „Tempelektrisch“… Jazzzeitung: Zu deinem neuen Projekt „Tempelektrisch“ und
        hier zunächst zur Besetzung: Ein Septett ist ja in den eher „mageren“ Zeiten,
        wo alle anderen sich in Trios und Duos zusammenfinden, eher unüblich.
        Was funktioniert deiner Meinung nach bezüglich eines speziellen
        musikalischen Ausdrucks mit mehr Leuten besser?Rainer Tempel: Wenn man meine letzten Projekte so anschaut, stellt man
        fest, das die Horn Section immer stärker schrumpft. Ich finde es
        aber mit kleineren Ensembles viel schwieriger, meine musikalischen Ideen
      umzusetzen, einfach weil das Erzielen von Balance schwerer ist.
 Gleichwohl
        entsteht durch die Reduktion auch mehr Individualität,
        indem der Einzelne einen höheren „Prozentsatz“ des Ensembles
        darstellt. Das ergibt einfach ein besonderes Verhältnis zwischen
        Solist und Ensemble, und bei jedem Line-Up werden die Karten irgendwie
        neu gemischt. Insofern würde ich nicht sagen, dass bestimmte Dinge „besonders
      gut“ gehen oder „weniger gut“, sondern einfach anders.
 Wenn
      es stimmt, dass wir gerade magere Zeiten haben, dann ist es für
        mich wie immer! Ich habe noch keine „fetten Jahre“ erlebt.
        Die gab es im Jazz ja ohnehin nur eine gewisse Zeit lang, und das ist
        schon sehr, sehr lange her. Aus meiner Warte ist ein Septett immer noch „eher
        kleiner“ – trotzdem natürlich furchtbar teuer! Ich halte
        es daher zunächst als Projektband. Wir haben 2008 ein paar Konzerte
        gemacht und die CD aufgenommen; erst ein gutes Jahr später machen
        wir jetzt die Tour zur Veröffentlichung. Ich freue mich jedoch sehr,
        dass sich alle Originalmitglieder auch auf die Tour einlassen. Das zeigt
        mir, das sie die Musik schätzen, denn das Geld kann es kaum sein.
      Und es ist ja nicht so, dass sie anderweitig zu wenig zu tun hätten…
  Jazzzeitung: Wogram, Möbus, Weidner, Black: All diese Namen stehen
        für Improvisation und freies Spiel. Wie passen die Bandmitglieder
        zusammen, wo siehst du Schnittmengen und wo individuelle Abgrenzungen?Tempel: Das ist ja gerade das, was ich suche! Diese Jungs sind einfach
        in der Lage, formale Anlagen zu verstehen, die über die Chorusform
        hinausgehen. Meine Stücke verlangen viel Rückschau und Antizipation
        in den improvisierten Teilen. Die Solos sind nicht austauschbar, die
        Formen immer individuell. Gerade Schlagzeugstimmen sind ja nie hinreichend
        notierbar, und ich suche da natürlich Gestalter, wie es Jim Black
        einer ist. Davon abgesehen gehen alle Genannten sehr seriös mit
        dem Notentext um, und gerade Nils Wogram hat in seinen Ensembles eine
        große Bandbreite zwischen freieren Konzepten und ausnotierter Komposition.
        Er schreibt ja auch Musik für Bigband. Insgesamt achte ich schon
        von Anfang an auf menschlich funktionierende Besetzungen, und bei „Tempelektrisch“ hat
      es offenbar geklappt.
  Jazzzeitung: Analog statt digital, allerdings Rhodes und Synthesizer
        statt Klavier – elektrischer Jazz halt. Wie kam es dazu und was
      macht für dich den besonderen Reiz dieser Orientierung bei „Tempelektrisch“ aus?Tempel:
      Als ich zum ersten Mal Jazz spielte, dominierte eigentlich der Jazzrock.
      Die Renaissance des Classic Jazz mit dem „Jarrett Standard
        Trio“ oder auch mit Joshua Redman stand noch aus. Mein Favorit
        war die Chick Corea Electric Band. Daher habe ich keine Berührungsängste
        mit dieser Stilistik. Meine Musik allerdings ist weit entfernt von dem,
        was mit Fusion leider oft verbunden ist – nämlich „Fahrstuhlmusik“ und „Solos
      abdrücken“.
 Für Keyboards habe ich mich irgendwie immer interessiert, dann aber
        viele Jahre wirklich nur Klavier gespielt. Es waren dann Popkeyboarder,
        oder Bands wie Radiohead, bei denen ich den Reiz der elektrischen Soundästhetik
        wiederentdeckte. Mittlerweile bin ich auch Besitzer einiger Instrumente
        und schenke außerdem den Themen Verstärker und Effekte die
        notwendige Aufmerksamkeit. Das meiste davon habe ich, wie gesagt, von
        Nicht-Jazzern gelernt, viele davon Gitarristen. Dass meine Instrumente
        alle Vintage sind, liegt daran, dass ich noch nie erlebt habe, dass sich
        ein digitales Instrument wie ein wirkliches Instrument anfühlt!
        Bei meinem Equipment, da muss man halt immer eine Stunde mehr Soundcheck
        einplanen und sollte mit Lötkolben, Zange und Schraubenzieher ausgestattet
      sein.
  Carina Prange  CD-Tipp
         Rainer TempelTempelektrisch
 JAZZ’n’ARTS JnA 4409
 (Soulfood)
 Siehe auch unsere Rezension auf Seite 13!
 Rainer Tempel im Netzwww.rainertempel.de
 |