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Jazzzeitung

2007/04  ::: seite 22

education

 

Inhalt 2007/04

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig
jazzle gmacht: Entjazzt
no chaser: Ohrenfaulheit
jazzfrauen-abc: Anny Xhofleer


TITEL - Vom Verlassen des Wohnzimmers
Jazzfestivals und Tourismus


DOSSIER - Club Connection & Stargastspiele

Der Jazzclub Regensburg feiert sein 20. Jubiläum mit Festival

… und mehr im Inhaltsverzeichnis

Wer jazzt, lebt nicht vom Gig allein

Studie zur Erwerbslage bayerischer Jazzabsolventen veröffentlicht

Als Absolvent der beiden bayerischen Musikhochschulen in Würzburg und Nürnberg oder des Richard-Strauss-Konservatoriums in München mit einem Abschluss im Hauptfach Jazz, tut man sich schwer, seinen Lebensunterhalt allein mit der Darbietung von Swingendem zu verdienen. Das hat eine Studie der Hochschule für Musik Würzburg ergeben, die von den Diplomandinnen Sonja Fischer und Nadine Winziers unter Federführung von Professor Andreas C. Lehmann durchgeführt wurde.

Andreas C. Lehmann und Nadine Winziers. Foto: Lichtinger

Bild vergrößernAndreas C. Lehmann und Nadine Winziers. Foto: Lichtinger

Hätte man sich eigentlich denken können, wird der mitleidig Kundige jetzt sagen, denn schließlich muss der Jazzmusiker seit jeher als Synonym für das Bild des armen Künstlers herhalten. Auch mit einem Diplom darf er in der unwirtlich engen Nische des Jazzbetriebs kaum auf freudig geöffnete Börsen hoffen. Das eine oder andere gequälte Lächeln, das der Antwort auf die Frage nach dem Broterwerb folgt, muss sich der Jazzer da schon gefallen lassen. Aber genug des Jammerns, denn so schlimm ist die Lage der Jazzabsolventen in Bayern gar nicht, auch das hat die Studie ergeben: Schließlich gibt es immer noch die Möglichkeit zu unterrichten. Der Musikunterricht ist die Sicherheitsleine in einem Berufszweig, der bei schlechter Auftragslage dem freien Fall allzu nahe kommt. Das Einkommen aus der Musikschule dient quasi als regelmäßige Grundversorgung, um Musikern das Minimum an Sicherheit zu geben, das sie aus anderen Erwerbszweigen wie Auftritten, Studiotätigkeit oder Komposition nicht erwarten können.

Die Hochschule fragte von den angeschriebenen Personen auch Einkommensangaben aus dem Jahr 2005 ab: Etwa 80 Prozent der Befragten liegen mit ihrem Einkommen jährlich zwischen 5.000 und 35.000 Euro, die übrigen 20 Prozent decken einen Bereich bis 70.000 Euro ab. Wobei man differenzieren muss, denn die geringen Beträge wurden hauptsächlich von Berufsanfängern angegeben und bei den Spitzenwerten handelt es sich um Einzelfälle. Die Hochschule Würzburg hat daraus einen Mittelwert von 2.100 Euro für das monatliche Bruttoeinkommen der Musiker errechnet. Das sind 25.100 Euro im Jahr. Zum Vergleich: Laut Financial Times Deutschland haben deutsche vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer im Jahr 2004 durchschnittlich fast 40.000 Euro brutto verdient. Auch wenn die Angaben der Befragten auf unüberprüften Schätzungen beruhen, lässt sich daraus ablesen, dass die Jazzer trotz teils regelmäßiger Verdienste durch Unterrichten wesentlich weniger verdienen als normale Arbeitnehmer.

Das dürfte kaum am fehlenden Arbeitswillen der Freiberufler liegen, die mit ihren durchschnittlich geleisteten 44 Wochenarbeitsstunden jeden Arbeitgeberverband frohlocken ließen.

Auch hier zeigt sich die Bedeutung der Lehrtätigkeit für die Musiker: Von der ausgefüllten Arbeitswoche des Jazzers, verbringt er im Schnitt 13 Stunden mit der Weitergabe von Wissen an seine Schüler und nur 11 davon auf der Bühne. Immerhin 8 Stunden lang wird pro Woche geübt und 4 Stunden lang geprobt. Der Unterricht nimmt also großen Raum im vollen Tagesablauf der Musiker ein, obwohl nur die Hälfte von ihnen angab, auch wirklich gerne zu unterrichten und der Rest eher notgedrungen als Lehrer arbeitet.

Heißgeliebter Spitzenreiter unter den Erwerbsmöglichkeiten ist dagegen der Auftritt. Für 84 Prozent ist das Spielen auf der Bühne das berufliche Highlight und annähernd die Hälfte der Teilnehmer gab an, mehr als einmal pro Woche eine Bühne zu betreten. Dass angesichts dieser Leidenschaft für den Live-Auftritt die meisten Musiker trotzdem auch als Lehrer tätig sind, sagt viel über die Verdienstmöglichkeiten im Auftrittsbereich aus. Profiteur dieses Umstands ist das deutsche Musikschulwesen, das sonst wohl auf einige qualifizierte Jazzlehrkräfte verzichten müsste.

Die Absolventen wurden auch gebeten, den derzeitigen Studenten Ratschläge und Anregungen zu geben. Diese Gelegenheit nutzten sie, um ein klares Votum für den Unterricht als gleichberechtigten Bestandteil des Musikerlebens abzugeben. „Vielseitigkeit ist ein ganz eindeutiger Anspruch an die Jazzmusiker von heute“, meint auch der Betreuer der Studie, Professor Lehmann. „Das gilt sowohl im Bezug auf musikalische Genres als auch im Hinblick auf die verschiedenen Erwerbsmöglichkeiten. Wer für möglichst viele Aufgaben im musikalischen Bereich qualifiziert ist, hat später größere Chancen auf ein angemessenes Einkommen.“ Das leuchtet besonders vor dem Hintergrund ein, dass die Jazzer, anders als beispielsweise Orchestermusiker, keine Vollzeitarbeitsplätze haben. Die Musiker verdienen ihren Lebensunterhalt durchwegs mit mehreren parallel laufenden Teilzeitarbeitsverhältnissen. Mit einzelnen Musikschultagen, verschiedenen Band-projekten, Kompositions- und Arrangementaufträgen sowie Lehraufträgen an allgemeinbildenden Schulen oder mit der Leitung von Workshops und Kursen. Allgemein kann man feststellen, dass auch die Medien als Arbeitgeber immer mehr ins Blickfeld von Musikern rücken. Der Kulturjournalismus setzt zunehmend auf ausgebildete Kräfte, deren Kenntnisse im Fachgebiet oft stärker gewichtet werden als ihre journalistische Erfahrung. Für Kulturredaktionen ist es auf Dauer von Vorteil wenn sich der Rezensent einer Jazz-CD den Unterschied zwischen Bebop und Fusion nicht erst anlesen muss.

Andreas C. Lehmann sieht im Ergebnis der Untersuchungen einen Kenntniszuwachs, der bildungspolitische Schlüsse zulässt: „Die Studie hat uns gezeigt, dass der pädagogische Aspekt der musikalischen Berufsausbildung immer wichtiger wird.

Gerade weil eine Konzentration allein auf den Auftritt für den Erwerb des Lebensunterhalts in den meisten Fällen nicht ausreicht, hat die Pädagogik hier eine zentrale Rolle übernommen. Auch die musikalischen Bereiche der Popularmusik gewinnen im Berufsalltag der Jazzmusiker immer mehr an Bedeutung, sowohl beim Musizieren als auch im Unterricht. Das muss man an den Hochschulen berücksichtigen und entsprechende Schwerpunkte in der Ausbildung setzen.“

Trotz hohem Arbeitsaufkommen und zäher Verdienstlage, scheint es Reue bei den Absolventen nicht zu geben. Alle Befragten waren sich einig, Spaß am gewählten Beruf zu haben und die richtige Berufswahl getroffen zu haben.

Jörg Lichtinger

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