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Jazzzeitung

2005/04  ::: seite 22-23

dossier – musiker labels

 

Inhalt 2005/04

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / News / break
no chaser:
An den jungen Kollegen (E-Mail Nr. 4)
all that jazz:
Erinnern, Vergessen
jazzfrauen-abc: Liz Fletcher
farewell:Abschied vom Hammond-Organisten Jimmy Smith


TITEL / DOSSIER


Titel: Der Song als Moderator
So sexy kann Jazz sein: Rebekka Bakken mit neuem Album
Dossier: Jedem Musiker sein Label
Jason Seizer, Hugo Siegmeth und André Nendza berichten


BERICHTE


Abdullah Ibrahim im Berliner Kammermusiksaal // Internationale Jazzwoche Burghausen 2005: Vorausblicke // Ernie Watts Quartett in der Leipziger Moritzbastei // Gonzales in Leipzig // Steve Turre Two Trombone Quintet „For Jay and Kai“ // Swing-Abend mit großer Besetzung feiert „50 Jahre Blues & Jazz in München“ // Die Punk-Jazzer von „gutbucket“ wildern in fremden Terrains


 JAZZ HEUTE

Swingen muss es unbedingt
Joe Vieras Uni-Big-Band und der Jazzclub München
DJF. Die Weichen sind gestellt
Die Deutsche Jazz Föderation: Zukunftsperspektiven


 PORTRAIT / INTERVIEW


Pat Metheny // Perkussionist, Komponist, Mallet-Spieler Kevin Norton // Zum 65. Geburtstag von Herbie Hancock


 PLAY BACK / MEDIEN


DVD.
Das legendäre Isle of Wight Konzert auf DVD
DVD. Neue DVDs mit Lester Young und Ben Webster
CD. CD-Rezensionen 2005/04
Bücher. Ashley Kahn besichtigt den Mythos Coltrane
Bücher. Studs Terkel: Giganten des Jazz, 1975
Bücher. Neuerscheinungen zu Dinah Washington, John Levy, Bob Thiele
Noten. Neue Noten für Saxophonisten und Gitarristen
Instrumente. Thomas Zoller im Gespräch über ein kleines Teil mit großer Wirkung
Medien. link-tipps


 EDUCATION

Abgehört 33. Das gewisse Etwas des Live-Konzerts
John Scofield trifft Steve Swallow und Bill Stewart im Blue Note
Es gibt kein richtig oder falsch
„Scat Max“ Neissendorfer und die Neue Jazz School München · Ein Portrait // Fortbildung // Ausbildungsstätten in Deutschland (pdf)


SERVICE


Critics Choice

Service-Pack 2005/04 als pdf-Datei (Kalender, Clubadressen, Jazz in Radio & TV (264 kb))

Jedem Musiker sein Label

Jason Seizer, Hugo Siegmeth und André Nendza berichten

Wer die News-Sparten der Jazzmagazine regelmäßig durchforstet, dem dürfte kaum entgehen, dass immer mehr Musiker ihre eigenen Labels betreiben. Ermutigt durch die Möglichkeiten des Internets, aber auch frustriert von den Marktmechanismen und Zwängen sowie der so häufig attestierten Krise des Musikgeschäfts, wagen etliche, auch sehr prominente Musiker den Weg ins private Unternehmertum.

So hat sich etwa der Trompeter Dave Douglas mit Greenleaf Music (erste CD dort unter eigenem Namen: „Mountain Passages“) in die Selbständigkeit begeben, und der Bassist Dave Holland sagte sich nach jahrzehntelanger Zusammenarbeit von ECM los, um sein „Dare2 Records“ zu gründen. Dort erscheint jetzt seine Big Band-CD „Overtime“ (die hier in Europa über Emarcy/Universal vertrieben wird). Der Saxophonist Ravi Coltrane (Sohn des großen John Coltrane) baute sich vor ein paar Jahren ein Studio, in dem er Freunde wie den Trompeter Ralph Alessi, den Saxophonisten Michael McGinnis, den Pianisten Luis Perdomo oder den Gitarristen David Gilmore (im Trio mit Christian McBride und dem Drummer Jeff „Tain“ Watts) aufnahm. Deren CDs erscheinen bei seinem Label „RKM Music“. Er selbst hat gerade einen Deal als Solo-Künstler bei Savoy Jazz abgeschlossen. „Aber wer weiß“, lacht Coltrane, „wenn es in diesem Business so weiter geht, werden meine Solo-Platten vermutlich auf kurz oder lang auf meinem eigenen Label erscheinen.“

André Nendza: „Ich nenne Crecycle.Music nicht mal Label, sondern meine kleine Plattform“.

André Nendza: „Ich nenne Crecycle.Music nicht mal Label, sondern meine kleine Plattform“.

Auch in Deutschland ziehen mittlerweile etliche Musiker die Eigenverantwortung der Abhängigkeit von Plattenfirmen vor. Im ersten Jahr des neuen Millenniums hat der Bassist André Nendza sein „Crecycle.-Music“ ins Leben gerufen, gewisser-maßen als Sublabel oder Edition von shaa-music, einem Label des Pianisten Stefan Heidtmann. „Ich nenne „Crecycle.Music“ nicht mal Label, sondern meine kleine Plattform“, sagt Nendza, der einer der originellsten Komponisten, Bassisten und umtriebigsten Jazzmusiker des Landes ist. „Mir bringt es einfach Spaß, Alben zu machen. Schon als Kind haben mich Platten fasziniert. Wenn ich heute selbständig bin, ist der wirtschaftliche Aspekt da eher sekundär.“ Nendzas Beweggründe für die Eigeninitiative in punkto Label, kann vermutlich jeder Musiker nachvollziehen, der schon mal versucht hat, ein Produkt an den Mann zu bringen. „Die meisten kleineren Labels arbeiten heute so, und das tun sie gar nicht aus Boshaftigkeit, dass der Musiker letztendlich sowieso seine eigenen Platten selbst finanziert. Die haben alle diese Bandübernahmeverträge, und der Musiker wird dann verpflichtet, vom fertigen Produkt eine bestimmte Menge abzunehmen. Und diese Menge reicht im Regelfall aus, um die Press- oder Herstellungskosten zu decken. Die Grundfinanzierung der Platte ist also gesichert. Ich hatte den Eindruck, dass Leute, die ihre Kosten schon drin haben, sich auch nicht mehr groß um dich kümmern. Dann kann ich auch gleich alles selbst machen. Ich habe im übrigen auch nicht mehr eingesehen, dass Leute bei meiner Covergestaltung mitreden durften. Ich fand deren Ideen meist grauenhaft. Und wenn ich letztendlich schon alles selbst finanziere, will ich auch eine vollständige inhaltliche Kontrolle über das gesamte Produkt.“

Nendza veröffentlichte auf Crecycle.Music bislang unter anderem Musik seines Quartetts und seiner Gruppe „A.Tronic“, sowie eine Duo-CD mit der Saxophonistin Angelika Niescier, der im Herbst eine weitere folgt (+ Streichquartett). Ob sich das ganze Unternehmen „Crecycle.Music“ trägt oder rechnet? Da lacht Nendza ein Lachen, das sich schwer deuten lässt.

Hugo Siegmeth: Instrumentalist, Dozent, künftiger Festivalmacher und Gründer des Labels „Village Pond Records“.

Hugo Siegmeth: Instrumentalist, Dozent, künftiger Festivalmacher und Gründer des Labels „Village Pond Records“.

In ein, zwei Jahren, so die Kalkulation des Münchner Saxophonisten Hugo Siegmeth, soll sich das amortisiert haben, was er bislang in sein „Village Pond Records“ gesteckt hat. Das Label, das der Instrumentalist, Dozent und künftige Festivalmacher sowohl aus sentimentalen Gründen als auch in freudiger Erinnerung an eine weitgehend unbeschwerte Kindheit nach einem Dorfweiher in seiner Heimat Rumänien benannt hat, ist seit 2004 am Start. „Zuvor war ich mit einer CD bei einem anderen Label und dachte, ich warte mal ab, was passiert. Aber es geschah enttäuschend wenig. Da wurde nicht mal eine Anzeige geschaltet, als ich etwa eine Woche in der Münchner Unterfahrt auftrat. Ich dachte mir, selbst wenn ich auf der unternehmerischen Seite des Geschäfts ein Neuling bin, kriege ich das alleine sicher besser hin. Es ist natürlich erheblich mehr Arbeit, alles selbst in die Hand zu nehmen, aber diese Arbeit wird wenigstens gemacht und wenn nicht, weiß ich zu mindest, wer es verbockt hat“, lacht Siegmeth.

Village Pond Records entstand, nachdem der Saxophonist mit zwei bereits fertigen Aufnahmen hausieren ging. Doch die Suche nach einem geeigneten Geschäftspartner lief nicht ganz so wie erwartet. „Ich hatte von einigen Labels sogar Angebote, aber die waren einfach nicht zu akzeptieren. Die Produktionskosten bleiben trotzdem bei mir hängen, die Lizenzen für die Stücke hätte ich teilweise auch abgeben müssen. Da griff ich lieber auf die Alternative zurück, meine Musik selbst rauszubringen.“ Im vergangenen Sommer und Herbst erschienen die ersten beiden Village Pond-Productionen – eine Quartett-Aufnahme, in der sich Jazz-Harmonien und Balkanmelodien, Swing-Feel und östliche Rhythmen umkreisen, sowie mit TriOzOne eine stimmungsvolle kammermusikalische Einspielung (Sax, Posaune, Bass). Auf beiden Alben sieht man, dass der Saxophonist, der fest mit einer Designerin arbeitet, durchaus auch Wert auf eine ansprechende Gestaltung legt. „Ich finde beide Platten sehr gelungen und bin außerdem der Meinung, dass sie beide etwas zu sagen haben. Da wäre es doch ewig schade, wenn das in der Präsentation, etwa beim Cover, nicht auch mitschwingt.“

Vorläufig will Hugo Siegmeth erst einmal abwarten, wie sich sein Label entwickelt. Konkrete Pläne für neue Aufnahmen hat er noch nicht. Grundsätzlich kann er sich vorstellen, neben eigenen Alben, später auch die Werke anderer zu veröffentlichen, wenn sie ihm sehr gefallen sollten. Allerdings gibt er sich selbst zu bedenken: „Wenn ich das Label zu sehr ausweiten würde, wäre das dann ein eigener Beruf, und bei mir steht das Spielen unbedingt im Vordergrund.“

Bei Siegmeths Saxophon-Kollegen Jason Seizer kam das Musizieren eine ganze Zeit lang zu kurz, als er sich als Programmgestalter der Münchner Unterfahrt eine Menge Zusatz-Arbeit aufgehalst hatte. Im Club war er ständig auf der Suche nach neuen Sponsoren, da weder das Geld für eine vernünftige Bühne, noch für eine angemessene Anlage da war. Eines Tages lernte er den Münchner Kaufmann Ralph Bürklin kennen, der spontan aber anonym zum Förderer der Unterfahrt wurde. Der Unternehmer ist selbst ein begeisterter Musiker (und Schüler des Baritonisten Michael Lutzeier). In seiner Freizeit war er in einer Workshop-Band aktiv, die sich einmal wöchentlich traf. Der Probenraum der Gruppe wurde mit der Zeit immer mehr zum Aufnahmestudio umgerüstet. Als Jason Seizer in der Unterfahrt kündigte, bot ihm Bürklin an, sein Studio zu leiten. „Ich wollte mich zunächst eigentlich nicht in neue Abhängigkeiten stürzen“, sagt Seizer. Das Angebot hat er nach kurzer Überlegung dann aber doch akzeptiert. In den in bester Stadtlage befindlichen Räumlichkeiten entstanden in der unmittelbaren Folgezeit einige Aufnahmen mit Münchner Musikern. Jason Seizer spielte dort mit seinem Quartett auch selbst ein paar Stücke ein. Als es darum ging, die fertig produzierte Musik verschiedenen Labels anzubieten, hakte Bürklin ein. „Wenn wir schon so viel Arbeit, Zeit und Liebe in die Aufnahmen hinein gesteckt haben, sollten wir sie auch selbst heraus bringen“, soll er zu Seizer gesagt haben. Der lacht: „Ich habe Ralph damals gefragt, ob er eigentlich wahnsinnig sei, in diesen Zeiten ein solches Risiko einzugehen.“

Jason Seizer: künstlerischer Leiter, Produzent, Toningenieur und Musiker für das Münchener Label Pirouet. Alle Fotos auf beiden Seiten: Ssirus W. Pakzad

Jason Seizer: künstlerischer Leiter, Produzent, Toningenieur und Musiker für das Münchener Label Pirouet. Alle Fotos auf beiden Seiten: Ssirus W. Pakzad

Heute ist er mit Bürklin gemeinsam Geschäftsführer von Pirouet Records, fungiert gewissermaßen als Künstlerischer Leiter des Labels und arbeitet zudem dort als Produzent und Toningenieur. „Die Arbeit ist wirklich wahnsinnig interessant. Für mich hat sich ein völlig neues Feld erschlossen, auch, weil ich Musik jetzt ganz anders höre. Ich habe sehr viel gelernt.“

Pirouet sei keine vorrübergehende Laune oder Beschäftigungstherapie, sondern ist durchaus auf die Ewigkeit angelegt. „Wir wollen, dass noch unsere Enkel Freude an Pirouet haben“, sagt Seizer, für den die Firma ECM ein Vorbild in Sachen künstlerischer Konsequenz und ästhetischer Linie ist.

Im März 2003 wurde bei Pirouet alles auf solide Füße gestellt – da gründeten Seizer und Bürklin eine GmbH, entwickelten ein Logo und eine optische Linie, das Studio wurde um ein angemessenes Analogpult aufgerüstet, ein Steinway-Flügel angeschafft. „Wir haben ewig nach einem Namen gesucht. Ralph hat in Frankreich studiert und ist zudem ziemlich frankophil. Irgendwie kamen wir auf Pirouette. Das te fiel einer Design-Idee zum Opfer, und aus Pirouette wurde Pirouet. Hinter dem Namen steckt natürlich eine Idee: eine Pirouette, wie man sie etwa im Ballett sehen kann, mag zwar sehr einfach aussehen, ist letztendlich aber doch etwas sehr Kunstvolles. Außerdem dreht sich eine Pirouette nach allen Seiten – und so wollen wir es auch halten, ohne dass das heißen soll, wir hätten keine Richtung.“ In den etwas mehr als zwei Jahren, die das Label nun existiert, haben seine Macher einiges erreicht. „Wir werden wahrgenommen. Man kennt uns jetzt.“ Und das wird sicher nicht nur daran liegen, dass im Jahr 2004 jeden Monat eine Anzeige in allen relevanten Jazzmagazinen geschaltet wurde. Der hohe künstlerische Anspruch des Labels ist nicht nur Insidern aufgefallen. Pirouet kann bereits einen stattlichen Katalog herzeigen: Jason Seizer selbst ist mit zwei Aufnahmen im Repertoire zu finden. Außerdem haben die Saxophonisten Peter Peuker, Christian Weidner, Johannes Enders und Domenic Landolf, die Pianisten Walter Lang, Bill Carrothers und Thomas Rückert, der Bassist Thomas Stabenow (diesmal in seiner Funktion als Komponist) und der Gitarrist Peter O`Mara auf Pirouet veröffentlicht. Im Kasten sind bereits Aufnahmen der Pianisten Hubert Nuss und Marc Copland, des Trios Friedrich-Moreno-Herbert und des bekannten Trompeters Tim Hagans, den Jason Seizer wie Marc Copland übrigens in New York aufgenommen hat. „Ja, unser Katalog ist schon ganz schön umfassend, aber langfristig wollen wir uns bei vier bis fünf Produktionen im Jahr einpendeln.“

Hat Jason Seizer keine Angst, dass ihm Künstlerkollegen die Bude einrennen, um auf sein Label zu kommen? „Nein, einerseits kenne ich das Problem schon aus der Unterfahrt, mehr Angebote zu kriegen, als ich wahrnehmen kann und dass ich vieles ablehnen muss. Andererseits haben wir ein eisernes Geschäftsprinzip: „Niemand kann sich bei uns bewerben. Wir gehen auf die Musiker zu, die uns interessieren. Unser langfristiges Ziel ist es, die Musiker, die bei uns sind, auch bei uns zu halten. Wir möchten durchaus an den musikalischen Prozessen beteiligt bleiben, die unsere Künstler durchlaufen.“ Bei den Grundvoraussetzungen, die Pirouet zu bieten hat, könnte das problemlos klappen.

Ssirus W. Pakzad

Auswahldiskografie

Village Pond Records/ www.hugo-siegmeth.de

• TriOzOne (Siegmeth/Gschlößl/Sieverts)
• Hugo Siegmeth Quartet – Oracle

Crecycle.Music/ Vertrieb: jazz-network.com
www.crecycle.de / www.andre-nendza.de

• Lemke/ Nendza/ Hillmann – El Arte
• André Nendza Quartet feat. Thomas Heberer – Wild Open Dreams
• André Nendza‘s A.Tronic – Lichtblau
• Angelika Niescier & André Nendza - Holzlinienspiel

Pirouet Records / Vertrieb: H‘Art
www.pirouet.de

• Jason Seizer – Fair Way
• Jason Seizer - Serendipity
• Johannes Enders – Soprano
• Bill Carrothers – I Love Paris
• Domenic Landolf – Wanderlust
• Peter Peuker – Skylark
• Peter O‘Mara Trio - Mirage

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