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Jazzzeitung

2007/01  ::: seite 20

rezensionen

 

Inhalt 2007/01

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / News / break
all that jazz: Was ist Jazz?
no chaser: Der Trommelkreis
jazzfrauen:Antje Uhle
Farewell: Abschied von Anita O’Day


TITEL

Der Jazz und das Mädchen
Steht Norah Jones für Qualität im Pop?


DOSSIER
- Jazz im BR
Mit Jimmy kam der Jazz zurück
Jazzgeschichte schreibt der Bayerische Rundfunk schon immer nach Mitternacht


BERICHTE
/ PREVIEW
Profile Dornbirn || Neues Festival in Dresden || 23. Ingolstädter Jazztage || Reihe „Jazz im Gärtnerplatz“ || Internationales Jazzfestival Münster


 PORTRAIT / INTERVIEW
Stan Getz im Studio mit Abbey Lincoln || Dotschy Reinhardt || „Jazz“-Duo Hasler Henschel || Joe Zawinul im Großformat || Mit der 24 Bit Masteredition bringt das Label Enja den Klang der 70er-Jahre zurück || Das Oles-Pänomen

 JAZZ HEUTE
Marching Band
Der spanisch-amerikanische Krieg und New Orleans


 PLAY BACK / MEDIEN

CD.
CD-Rezensionen
CD.
Critics Choice
CD. Scheffners Liste
DVD. Alle DVD-Rezensionen
Bücher:
Bücher über Fake Books und Jazz Bones || Die seltsamen Tagebücher des Claudius Reimann
Noten. Diverses


 EDUCATION
Ausbildung. Ausbildungsstätten in Deutschland - Fortbildungen, Kurse (pdf) (62 kb)
Abgehört 47. Der mit der rechten Hand erzählt
Teil 1 von 2: Keith Jarrett und Brad Mehldau improvisieren über „Prism“
Nadelöhr für das Berklee College of Music
Ein Interview mit Reinhard Stephan, Geschäftsführer und Bernhard G. Hofmann, Künstlerischer Leiter der Jazz & Rock Schule in Freiburg

CDs/DVDs

Mark Murphy, Love is what stays
Verve, Januar 2007

Ist das ein Cover! Mark Murphy in seiner ganzen Pracht. 74 Jahre. Gezeichnet von den Höhen und Tiefen des Lebens, der 50-jährigen Karriere; überhaupt der Welt. In den 50er Jahren wurde er von Sammy Davis Jr. entdeckt, er sang mit Ella Fitzgerald, er kam nie ganz so hoch wie die Menschen vom Jetset, für die er in den 60 Jahren sang. Doch mittlerweile scheint es, als erlebe Mark Murphy seit zwei Jahren einen weiteren Frühling. Erst im September 2005 machte Mark Murphy gemeinsame Sache mit Till Brönner; auf dem Album „Once to every heart“. Das Album wurde groß gefeiert. Nun ist er wieder etwas „alleiner“, obwohl Brönner an einigen Songs mitwirkte und produzierte. Es wurde Jazz zum Weinen, Trösten, Lieben, Angeben, Ausgeben und Verweilen. Vielseitig überrascht Mark Murphy, gibt uns wärmste Balladen, glänzt mit ureigenen Interpretationen von Johnny-Cash- oder Coldplay-Songs und zelebriert seinen 70er-Jahre-Klassiker „Stolen Moments“ unnachahmlich ergreifend. Packend die Gastauftritte von Till Brönner, Lee Konitz und Don Grusin. Dazu die Arrangements des Deutschen Symphonie Orchesters Berlin. Und dazu Mark Murphys Stimme: Besser denn je.
Die Arrangements und Ideen zur Interpretation sind selbstverständlich vom Feinsten. Unter anderem angestachelt von Nan Schwartz, einer der interessantesten Arrangeurinnen in Amerika. Über Theorie darf man bei diesem Album eigentlich nicht lange schwafeln. Anhören, vergehen und im Bedarfsfall heulen. Unglaublicher Regensoundtrack.
Sven Ferchow

Trio Vopá. Fauxpas
Schraum 5

Ein Album, wo geknutscht wird, was das Zeug hält, hat vermutlich ein gewisses Alleinstellungsmerkmal. Auch wenn sich dann rausstellt, dass Trompeter Roland Spieth der hemmungslose Knutscher ist. Umgeben von quälend nachtschattigen Geräuschen und ätzenden Klangschemen, bewahrt sich das Intro des Erstlings einen gewissen spitzen Humor. Programmatisch gehört dieser allerdings nicht unbedingt zum Debüt des Karlsruher-Berliner Trio Vopá – vermutlich eine Verballhornung des Titels „Fauxpas“, eines Missgriffs also. Nun ja, eine Taktlosigkeit sind die frei improvisierten Trios, Duos und Solos von Bassmann Axel Haller, Gitarrist Cornelius Veit und Spieth ganz sicher in den Ohren niederbayerischer Volksmusikanhänger und Schwarzwälder Choristen. An zwei Apriltagen aufgenommen, stellen vibrierende Fürze – wieder Trompete – Klangtropfen und Sendersuchlaufgeräusche, durch die sich ein stoischer Bass bewegt, aber auch für erprobte Avantgardeanhänger erhöhte Anforderungen. Ins Erforschen klanglicher Möglichkeiten und Geräusche, „die sonst eher überhört werden und nicht im Vordergrund stehen“ beziehen die Musiker neben herkömmlichen Instrumenten von der Büroklammer über Bürsten bis zur Postkarte auch Alltagsgegenstände in ihr Spiel ein. Manchmal wirkt das unfreiwillig komisch, bisweilen einfach zum Schießen und selten gemütlich. Um den Klangexkursionen zwischen E-Gitarrenkrach und fiezeligen Klangfährten zu folgen, muss man als Hörer notgedrungen die vertrauten Wege verlassen.
Michael Scheiner

Joo Kraus + Basic Jazz Lounge, The Ride
Content/Edel

Sein Weg zum Jazz war nicht der übliche entlang der Geschichte des Jazz: In einem Artikel für der Jazzzeitung (Februar 2004) wurde Joo Kraus einmal mit den folgenden Worten zitiert: „Ich kam nicht von Charlie Parker zu Freddie Hubbard, sondern habe mich im Lauf der Zeit aus der Jetztzeit gefragt, woher das alles kam, und mir dann zurückgehend Charlie Parker und all die anderen erschlossen.“

Jetzt legt er eine neue CD vor, bei der excellente Jazzmusiker mitwirken und auf der Joo Kraus mit mit seinem hippen Trompetensound dem Jazz Beine macht. Ob im Duo „Tab Two“ oder als Zugabe bei der Jazzkantine, De-Phazz und Soulounge: es herrscht ein frischer Wind. Der Trompeter, Komponist und Rapper legt jetzt ein neues Album vor, „The Ride“, heißt es. „Es ist mein Ritt, auch weg von ,Tab Two‘, einem sehr langen Kapitel mit acht Alben in acht Jahren, und bis zu der Musik, die ich selbst am liebsten machen möchte“, so Joo Kraus. Für die 18 Songs hat er erneut den Arrangeur Ralf Schmid ins Studio geholt. Der Freiburger Professor spielt alle Tasteninstrumente. Darüber schwebt ein sanfter Trompetenklang, von Bass und Schlagzeug unterfüttert. Atmosphärisch dicht verpackt sind die Stücke, die sich allesamt zum Tanzen eignen. Neben Coverversionen von Ravels „Bolero“ oder Glenn Millers „Moonlight Serenade“ sind es vorwiegend Originale, die dem Album ihr Gepräge geben. Gastsängerin Astrid North bringt eine soulige, Kollege Peter Fessler eine boppige Note ein. Die Basic Jazz Lounge kommt mit geschmeidigem Sound, frisch und funky, an.
Reiner Kobe

Shoot the Moon, Treasure Island.
NRW-Vertrieb 2006

Guter Jazz kann auch unterhaltsam sein, darf sich zuweilen ruhig in fröhliche, ja poppige Verpackungen hinein wagen. „Shoot the Moon“ ist schon ein etwas schriller Bandname für jenes Berliner Sextett. Beim aktuellen Album „Treasure Island“ machen nach eigener Bekundung nicht nur „verliebte Piraten und abgewrackte Prinzessinnen“, sondern auch „Tangotänzer und Atomphysiker“ mit.
Mit profunder Leichtigkeit gehen diese Köpfe aus der Berliner Improvisationsszene an einen Modern Jazz heran, der aber vor allem als Ausgangspunkt für stilistische Grenzgänge aufgefasst wird. Gleichzeitig ist ein fantasievolles Songwriting der konzeptionelle rote Faden, der die ganze Vielfalt suitenartig zusammenhält. Zwar ringt der Gesang von Anke Jochmaring gerade zu Beginn des Albums etwas angestrengt um Stereotypen von „typischem“ Jazzgesang. Doch schon beim nachfolgenden, im Dreivierteltakt wiegenden „Pirate Love Song“, kommt ein anregendes und stimmiges Miteinander auf, und die heitere Eingängigkeit mündet überraschend in komplexe, sehr vitale Gruppenarrangements. Almut Schlichtung, Altsaxofon, Tobias Dettbarn, Bassklarinette, und Sabine Ercklentz, Trompete, geben solistische, ausdrucksstarke Statements ab – mal druckvoll miteinander vereint, dann wieder in virtuosen Alleingängen. Vorantreiben lassen sie sich von den dichten, sehr variantenreich von Sven Hinse am Bass und Christian Marien am Schlagzeug servierten Grooves – die Bandbreite reicht zum Teil bis Tango, Walzer und Rock.
Stefan Pieper

Holly Cole, holly cole
Traditon&Moderne/Indigo

Die wahnsinnige Jazz-Peitsche ist wieder da. Holly Cole wartet mit sich selbst auf. Als Holly Cole dem Produzenten, Arrangeur und Bassisten Greg Cohen einige Songs präsentierte, formte dieser sofort die Idee, das achte Studioalbum der Holly Cole größer klingen zu lassen.

Weg mit Orchester und Big-Band, hin zum opulenten Großensemble, das dennoch als kleiner Nukleus agieren sollte. Ein Plan der aufging. Holly Coles sämtliche Vorzüge wurden noch einmal verbessert und nach oben geschraubt. Die Überraschungsmomente sind knackig und widerborstig. Sowohl Intonation und Phrasierung sind einzigartiger geworden als je zuvor. Dass sie manchmal noch die Kurve reißt, ist schlichte Genialität. Dazu schmiegen sich Dynamik, Atmosphäre und Variation in ihre Stimme, die Neid als Mordmotiv verständlich machen. Zu hören sind unter anderem Irving Berlins „Be Careful It’s My Heart“ oder eine Interpretation von Antonio Carlos Jobims „Waters Of March“. Letztere ist symbolisch für das gesamte Album. Exakt hier verbindet sich das Album zum Universum der Holly Cole. Hier muss man einhalten und inhalieren. Besser hat man Holly Cole nie gehört. Das Gesamtkonzept des Albums sowie Holly Cole niemals zu bändigender vokalistischer Tatendrang wird in „Waters Of March“ freigelassen, um in Holly Cole’s Eigenkomposition „Larger than Life“ eine weitere Aufwertung zu erfahren. Komplett unwiderstehlich.
Sven Ferchow

Pago Libre, Stepping out
Leo 444

Das schlagzeuglose Quartett Pago Libre, dessen Mitglieder aus Österreich, Russland und der Schweiz stammen, hat seit seiner Gründung 1989 manches musikalisches Abenteuer gewagt und auch bestanden.

Die neue CD – nach „extempora“ (1990, vergriffen), „pago libre“ (1996/2002), „wake up call“ (1999), „cinémagique“ (2001) und „phoenix“ (2003) ist „stepping out“ (2005) das sechste Album von pago libre – reiht sich ein in das gewohnte Gemisch aus Jazz, Klassik und Folklore, verschärft mit avantgardistischen Spitzen.
Seit Hinzunahme des Hornisten Arkady Shilkloper im Jahr 1994 ist die magische Intensität der Band gestiegen, dank dessen raumfüllenden Improvisationen. Die elf neuen Stücke belegen die unverminderte kreative Kraft des gut funktionierenden Amalgams.

Im Spagat zwischen Improvisation und Komposition wird zitiert, was das Zeug hält. Ob in der Polka-Parodie der „Rasenden Gnome“, wo Richard Strauß´ Eulenspiegel sein Unwesen treibt, oder dem Walzer für Hitchcock, der Anspielung auf das Live-Filmmusik-Projekt des vorigen Jahres: bei Pago Libre ist nichts niet- und nagelfest, von Swing über Walzer zur Folklore.

Die Herren Arkady Shilkloper (horns), Tscho Theissing (v), John Wolf Brennan (p) und Georg Breinschmid (b) sind Virtuosen ihres Faches.
Reiner Kobe

Saint Privat, Superflu
Dopenoir, Februar 2007

Freuen werden sich da viele auf das neue „Saint Privat“-Album, diesem Zusammenschluss aus Sängerin Valerie und Elektromusiker Waldeck. Diesem Zusammenschluss, der sehr perfekt die Leichtigkeit des Musizierens vormachte. Mit dem vorangegangenem Album „Riviera“, das uns an Cabriofahrten bei Sonnenschein an Sonnenbenetzten Küstenstraßen und ein Gläschen Prosecco haltend erinnerte. Nun, ganz so leicht klingt das diesmal nicht mehr, doch auf jeden Fall genau so gut. Weil Saint Privat gehen diesmal rockiger ran, wenn man das im Genre der freien Töne und Melodien so beschreiben darf. Schon noch zart und irgendwie französisch klingend, aber doch forscher und weniger Bossanova besprüht. Die Psyche scheint diesmal viele Songs und Ideen zu leiten. Die beiden Musiker selbst schreiben im Info über Beweggründe wie Hedonismus, Dekadenz und Melancholie. Düster wird das Album deswegen nicht gleich. Reifer? Vielleicht. Fakt ist: Die Grooves kommen härter, viele butterweiche Rhythmen der ersten Platte scheinen ausgetauscht. Auch Erotik findet ihren Platz. In Form von Sängerin Valerie, die verdammt gut mit Stimme, Stimmung und Atmosphäre spielen kann. Im fertigen Puzzle ergibt sich ein gelungenes Ohrenkino. Ein Album zu dem man jederzeit die Augen schließen kann und verschiedenste Parallelwelten entdeckbar werden. Gelungener Nachfolger, der kaum Fragen offen lässt.
Sven Ferchow

Robb Scott, Afro Odyssey
Sunshine enterprises/Soulfood

Ich weiß – Musik ist Geschmacksache! Das erzählte mir schon mein dreizehnjähriger Sohn, wenn er mir zu verstehen geben wollte, dass ich schlicht keine Ahnung und er den ultimativen Sound im Ohr habe. Robb Scott hat vermutlich auch Geschmack, vielleicht sogar einen guten Geschmack – was Essen, Kleidung oder seine Wohnungseinrichtung angeht. Auf seinem brandneuen Album, dessen anspruchsvoller Titel eine lange Suche und Reise mit letztlich geglückter Heimkehr suggeriert, jedenfalls sülzt und schnulzt er rum, dass es keine wahre Freude ist. Wenn er denn wenigstens wie die wahren Schmusemeister sülzen würde… samtig, süßlich, erotomanisch. Aber sein vibratoreicher Gesang lehrt einem streckenweise das Grauen in bits und bytes, presst einem kalten Schweiß auf die Stirn, wenn man nicht rechtzeitig die Pause- oder gleich die Austaste findet. Auf dem Waschzettel wird er gar kühn selbst zitiert: „Trends don´t last long, but a good melody transcends aeons.“ Gott bewahre! Dabei sind einige rhythmisch durchaus nette Nummern auf dem souligen Album – solange nicht gesungen wird.
Und das wird laut beiliegendem Waschzettel (auf dem Alben fehlen weitergehende Angaben) von Scott himself, einer Wegbegleiterin Jill Jones und der „legendären Blues-Ikonie“ Ellen McIllwaine. Und einige gute Musiker machen noch lange kein gutes Album.
Michael Scheiner

Céline Rudolph, Brazaventure
Enja/Soulfood

Céline Rudolph? Da war doch erst vor kurzem was? Richtig. Die Sängerin war auf dem Album „Samba Tzigane“ von Dusko Gojkovich bei einigen Songs mit von der Partie. Überzeugend wohl, denn nun präsentiert sie mit „Brazaventure“ ihr erstes Album als Leaderin. Und da lässt die Professorin für Jazzgesang keine Sekunde aus, ihre Liebe zu gestehen: brasilianische Musik. Aber ohne Stempel und Aufgesetztheit. Schuld daran eventuell: Gilberto Gils Produzent Rodolfo Stroeter, der immerhin auch Caetano Veloso, Nana Vasconcelos oder Milton Nascimento produziert hat. Er war von Céline Rudolph’s Schwingungen begeistert und spürte ihren feinen Sinn für Improvisation und Jazz. Dermaßen locker fallen dann auch die in São Paulo aufgenommenen Songs vom Himmel. Könnten Gedichte sein. Könnten aber auch tragen und frei machen. Angespornt von unwiderstehlichen Rhythmen, dazu starke perkussive Momente und eine Stimme, die das alles kittet und hörenswert macht. Céline Rudolph spielt dabei immer wieder eine Stärke aus: Sich und ihre Stimme zu kennen. Die Balance zu finden zwischen Zurückhaltung und forschem Treiben. Dass sie zudem eine ausgewogene Stimmung zwischen Humor, Spiel, Leichtigkeit, Melancholie und Leidenschaft einzubringen weiss, erteilt dem Album den Stempel „Value Addes Voice Expierience“. Ein Gesamterlebnis, das deutlich zeigt: Gute Musik wird immer bleiben.
Sven Ferchow

Thomas Siffling Trio, Kitchen Music
JAZZ‘n‘ARTS Records, Januar 2007

Thomas Siffling (der Trompeter aus Mannheim) hat uns bereits oft erfreut. On nun als Musiker, im Trio oder als Labelchef mit vorzüglichen Veröffentlichungen. Mit „Kitchen Music“ fügt er seinen vielen Ämtern und Berufungen (Produzent, Kurator und Veranstalter) noch eine weitere Profession hinzu Brückenbauer. Zwischen Küche und Keller, Jazz und Groove, Soul und Freiheit oder Gelassenheit und Aufgekratztheit. Ein Album, das stets die Balance hält. Und natürlich findet. Eben noch gut mit Trompete versorgt, schon wattieren uns sanfte elektronischen Beats in die Backfolie. Dabei bleibt jede Zutat spannend und wird nie pelzig auf der Zunge. Zwar scheint es gerade zu verboten, ein Album mit einem Kochbuch zu vergleichen, doch letztendlich geht um Inspiration. Oder die Komposition von Gewürzen, Gemüse und Tönen. Nichts anderes vollbringt Thomas Siffling samt Trio Gekocht wird bei allem am gleichen Herd. Nur die Zubereitung, die darf gerne mal überraschend sein. Und das wiederum ist das Programm bei Thomas Siffling. Dieser Fondue- Saucenteller mit seine kleinen Abteilen und Kategorien. Den Song mal da eintauchen, dort brutzeln und anderweitig abtropfen lassen. Im Teigmantel gären lassen und zügig verarbeiten. Soll heissen. Die Vorbereitung der Songs ist bei Thomas Siffling schon sehr gut. Deswegen ist das Anrichten nur noch eine Nebensache, die den kleinen Schubser Richtung Gourmetkoch vollbringt.
Sven Ferchow

John Wolf Brennan, pictures in a gallery
Leo 464

Als Grenzgänger zwischen zeitgenössischer komponierter Musik und Jazz hat sich John Wolf Brennan einen Namen gemacht. Auf einem neuen Solo-Album beweist der irisch-schweizerische Pianist erneut sein Können. Wochen vor diesen Live-Mitschnitten hat er sich mit den Objekten seiner Begierde beschäftigt. Er hat sich die Bilder, über die er reflektiert, an ihren Orten betrachtet, Notizen gemacht und sie in langen Spaziergängen am See verinnerlicht. Anschließend hat der Pianist seine Eindrücke in spontane musikalische Skizzen umgesetzt, was später im Konzert hörbar wurde. In Brennans flüssigem, leichten, spontanen Spiel voller Transparenz entstehen die Bilder neu. 19 Stücke wurden in Luzern aufgenommen und reflektieren Picasso, Cezanne, Klee, Kandinsky (Die Gemälde sind kleinformatig, aber farbecht im Booklet abgelichtet). Brennan geht es weniger um Beschreibung als vielmehr darum, die Energie der Bilder aufzunehmen und aus der Begegnung heraus Neues zu schaffen. Im zweiten Teil der CD geht es nicht um visuelle, sondern um poetische Vertonungen Puschkins. Auf reinen Ohrenschein hin unterscheiden sich diese Live-Aufnahmen, dreieinhalb Jahre davor in St. Petersburg eingespielt, kaum von denen aus Luzern. John Wolf Brennan jedenfalls ist ein interessanter Pianist, dem man mehr Präsenz auf der Jazz-Szene gewünscht hätte.
Reiner Kobe

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