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Jazzzeitung

2001/10  seite 23

label-portrait

 

Inhalt 2001/10

standards
Editorial
News
Fortbildung
no chaser: Mr. Sax-Machine
Glossar: West Coast Jazz
Farewell: Helmut Brandt

berichte
Im Studio mit Onkel Bill
„Thilo Wolf Big Band“ und Bill Ramsey nehmen neue Swing-CD auf
Ein Stern geht auf
Carla Cook & Band in Memmingen

jazz heute
Break (von Joe Viera)
 Farewell. Zum Tode von Helmut Brandt
 Sponsoren und das Kulturgut
Arbeitskreis Kultursponsoring und Universität München stellen Studie vor
 no chaser. Mr. Sax-Machine
 Live in Concert
Dusko Goykovich feiert seinen Siebzigsten

portrait / interview
Die mit Worten tanzt
Susanne Abbuehl im Gespräch über ihr ECM-Debüt
LebensTraum
Victor Bailey im Gespräch
Sehr Nah am Jazz
Richie Beirach spielt Federico Mompou
Das Geheimnis des Erfolges
30 Jahre Enthusiasmus: Matthias Winkelmann und das Jazzlabel enja

play back.
So gut wie nie zuvor
Art Pepper trifft seine Freunde von der Westküste

education
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Der Raub der Jazzkrone
oder: Warum Jazzmusiker in Berlin eine Green Card erhalten

medien/service
Schlauer Kaktus
Rabih Abou-Kahlils neuestes Werk auch auf DVD
Charts & Critics Choice
Internet. Link-Tipps
Rezensionen 2001/10
Service-Pack 2001/10 als pdf-Datei (kurz, aber wichtig; Clubadressen, Kalender, Jazz in Radio & TV, Jazz in Bayern und anderswo (544 kb))

 

Das Geheimnis des Erfolges

30 Jahre Enthusiasmus: Matthias Winkelmann und das Jazzlabel enja

Es fing schon lange vor der Firma an. Matthias Winkelmann, ein Frankfurter Knabe an einem Internat im Odenwald, entdeckte seine Liebe zur Musik: „Das erste, worauf ich total abgefahren bin, war Louis Armstrongs ‚West End Blues‘. Dann hatte ich aber bald ein tiefgreifendes Musikerlebnis und das war meine erste Charlie-Parker-Platte. Für mich war es ein Moment der Wahrheit, denn ich wusste: Das ist es – obwohl es für mich als Vierzehnjährigen erst einmal weit über meinem Horizont lag“.

Matthias Winkelmann: das Feuer lodert noch immer. Foto: W.P. Hinely

Immerhin, das Fünkchen war über-gesprungen und das Feuer begann, langsam zu lodern. Zurück in Frankfurt zog Winkelmann durch die damals noch lebendigen Clubs, hörte sich internationale Jazz-Größen an und lernte sogar selbst ein wenig Trompete. Doch zunächst studierte der Teenager Volkswirtschaft und Soziologie, machte sein Diplom und versuchte sich an verschiedenen kleineren Jobs. Und durch viele Zufälle war er in München hängen geblieben. In der Ende der Sechziger agilen Jazz-Stadt an der Isar boten sich neue Perspektiven: „Mich hatte eigentlich Entwicklungshilfe interessiert, das war damals das Thema. Doch dann lernte ich im ‚Türkenkeller‘, wo damals jeden Donnerstag Jazz gespielt wurde, Horst Weber kennen. Dort trafen sich auch die Leute des Max Greger Orchesters wie Benny Bailey oder Don Menza, die danach hungerten, einmal die Woche aus der BigBand herauszukommen. Horst hatte bereits gute Kontakte nach Japan, einem der Schlüsselländer für Jazz. Wir beschlossen, unser Glück zu versuchen. Mit geliehenem Geld und dem Pianisten Mal Waldron, der bereits eine bekannte Figur in Fernost war, nahmen wir im Sommer 1971 eine Platte auf, die wir auf Lizenzbasis tatsächlich dort absetzen konnten.“

Der Anfang war gemacht. Und enja records kam voller Enthusiasmus ins Rollen: „Ich borgte mir 25.000 Mark von meinem Vater. Denn einem gerade fertigen Studenten hätte damals keine Bank auch nur eine Mark gegeben, um Jazz zu produzieren. Innerhalb von zwei Jahren konnte ich den Betrag zurückzahlen und war unheimlich stolz darauf. Allerdings kamen bald ganz andere Probleme auf uns zu. Wir hatten zwar schöne Aufnahmen, haben sogar Folder gedruckt, die wir an die Plattenläden schickten. Nur kam leider überhaupt keine Antwort. Daher warf ich mich in meinen alten VW, fuhr direkt zu den Leuten und bot die Sachen persönlich an. Langsam wurde mir klar, dass zu einer Platte neben dem Produzieren auch noch das Vertreiben und die Verlagsarbeit gehören.“

Winkelmann lernte schnell. Es dauerte keine drei Jahre und er pendelte regelmäßig zwischen New York und München hin und her, um den Musikern auf der Spur zu bleiben und sie zu Aufnahmen zu überreden. Er erkannte aber auch das Potenzial vor Ort und schaffte es als Stammgast des in den frühen Siebzigern weltbekannten Jazz-Clubs „domicile“, seine Künstler vor Ort zu rekrutieren.

So entstand innerhalb kurzer Zeit ein Katalog mit Stars der Szene von Ray Anderson bis Attila Zoller, der über drei Jahrzehnte hinweg auf rund 600 Titel angewachsen ist. Obwohl sich Horst Weber 1986 mit seinem Zweig der Firma von Winkelmann trennte, in kleinem Umfang weitermachte und aufgrund der Namensgleichheit seines Unternehmens zunächst für Verwirrung sorgte, platzierte sich enja records gemeinsam mit den Münchner Kollegen von ECM an der Spitze der deutschen und internationalen Jazz-Independents. Alljährlich veröffentlicht das Label rund 20 CDs, hinzu kommen Lizenzen an großen Aufnahmen oder Sammlungen wie den Archivalien von Ernst Knauff, dem ehemaligen Wirt des „domicile“, die noch der Auswertung harren. Speziallabels wie Blues Bacon (für Blues), Tip Toe (für Weltmusik) und enja nova (für Crossover-Projekte) haben das stilistische Spektrum erweitert, so wie überhaupt der Jazz bei enja von kernigem Mainstream à la Abraham Burton über afrikanische Kultursymbiosen nach Art von Abdullah Ibrahim bis zu genreübergreifenden Experimenten des Oud-Spielers Rabih Abou-Khalil reichen. Mit augenzwinkerndem Understatement angesichts der Vielfalt seiner Künstler formuliert Winkelmann daher sein Firmenmotto: „Im Prinzip produziere ich die Sachen, die mir Spaß machen. Das ist der einzige Luxus, den ich mir leiste.“ Anders gesagt: Bloß nicht sich beirren lassen! Das ist das Geheimnis.

Ralf Dombrowski

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