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            Jazzzeitung
             2001/10  seite 8
            interview
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       Jazzzeitung: Eine in Deutschland weitgehend noch unbekannte Schweizer Sängerin startet mit ebenso unbekannten 
        Begleitern auf einem Debütalbum bei ECM  wie kam es dazu? 
       
      
         Susanne Abbuehl: Ganz unspektakulär: Ich bin Schweizerin und Holländerin und hatte für eine 
          Koproduktion eines holländischen und eines Schweizer Senders Musik aufgenommen. Zur Zusammenarbeit mit ECM 
          kam es, nachdem Manfred Eicher diese Aufnahme hörte und sich dafür interessierte, Musik mit uns aufzunehmen 
          und zu produzieren. Im Studio war dann meine Erfahrung, dass Manfred Eicher als Produzent ein sehr gutes Gefühl 
          dafür hat, wann etwas in sich stimmt. Mit wenigen Worten, eigentlich unmerklich, war Manfred Eicher wie ein 
          zusätzlicher Mitmusiker.  
       
      
      Jazzzeitung: Was sind in Kürze für Sie selber die wichtigsten Stationen und Begegnungen Ihrer bisherigen 
        musikalischen Tätigkeit? 
       
       
         Abbuehl: Als Kind spielte ich Cembalo, Barockmusik. Ich mochte den Klang des Cembalos damals sehr, eine 
          Art Kargheit und Sprödheit, die mich ansprach. Mit 17 bin ich nach Los Angeles gegangen, wo ich eine High School 
          besuchte, in der ich jeden Tag Musikunterricht erhielt. Ich war dort Mitglied einer vokalen Jazzgruppe und habe 
          angefangen mit Gesangsunterricht. Dort hat sich das Schwergewicht von der klassischen Musik zum Jazz verlagert. 
          Über meinen Vater hatte ich zwar auch zuvor viel Jazz gehört und hatte Klavier gespielt und dazu in einer 
          Art freiem Stil gesungen. Am Königlichen Konservatorium in Den Haag habe ich dann Jazz- und klassischen Gesang 
          studiert und mit dem Masters Degree abgeschlossen. 1995 habe ich angefangen, in Amsterdam klassische nordindische 
          Musik zu studieren und wurde später Schülerin von Prabha Atre in Bombay, einer der indischen Meistersängerinnen. 
          Diese Begegnung, wie auch diejenige mit Jeanne Lee, waren sehr wichtig für mich, musikalisch und menschlich. 
          Neben der Arbeit mit meiner Gruppe schreibe ich auch Musik für andere Besetzungen, vor kurzem für ein 
          Hörspiel und für ein Kammermusikensemble.  
       
       Jazzzeitung: In der High School begannen Sie mit traditionellem Jazzgesang aus dem Real Book? 
       
       
         Abbuehl: Ich kenne dieses Repertoire gut. Gerade diese Songs, die schon von sehr vielen Musikern gespielt 
          wurden, machen das Persönliche einer Interpretation deutlich hörbar. Es ist kein Konzept dahinter, dass 
          ich dieses Repertoire nicht singe. Es ist mehr so, dass andere Musik, andere Formen, andere Worte dringender sind 
          für mich.  
         
       
       Jazzzeitung: Was schätzen Sie persönlich an Jeanne Lee? 
       
         Abbuehl: Bei allen verschiedenen Dingen, die Jeanne musikalisch getan hat, war sie immer sie selbst. Ihre 
          Persönlichkeit war in ihrem ganzen musikalischen Ausdrucksspektrum sehr präsent. Ich mag alles, was sie 
          tat, ihre ganze Entwicklung: Das Duo, das sie mit Ran Blake hatte, ihre Arbeit mit Gunter Hampel, Anthony Braxton, 
          Carla Bley, Marion Brown, Archie Shepp, Reggie Workman, später ihr Duo mit Mal Waldron, ihre Arbeit mit Poesie, 
          Musik und Tanz. Sie hat mich darin unterstützt, meinen eigenen Weg zu gehen, jenseits der Reproduktion, vom 
          Kern aus zu gehen, wohin ich gehen will. Das Zusammenspiel von Wort und Klang war bei ihr sehr stark, es war eine 
          Synergie. Auch wie sie mit Gedichten gearbeitet hat, mit dem klanglichen Aspekt der Poesie, ihr Sprachgefühl 
          ganz allgemein. Sie tanzte mit den Worten. Ich liebte ihre Stimme, diesen ehrlichen, direkten Klang, manchmal zwischen 
          Gesang und Sprache. Auch das Unspektakuläre, aber sehr Ergreifende. Leere Virtuosität gab es nie bei ihr. 
           
         
       
       Jazzzeitung: April ist ein zentraler Begriff im ersten Song yes is a pleasant country, 
        einem von Ihnen vertonten Liebesgedicht von E.E. Cummings. Sie haben Ihre CD wohl danach genannt. Warum? 
       
       
         Abbuehl: Das Wort kommt in zwei der Cummings-Gedichte auf meiner CD vor. Cummings entwickelte 
          Worte, gab ihnen neue Zusammenhänge. So hat er das Wort april in verschiedenen Funktionen, auch 
          als Verb, verwendet: and if a look should april me. Für mich entsteht dabei ein sehr starkes Bild. 
         
       
      Jazzzeitung: Wie haben Sie die Musik für ihre Platte ausgewählt? 
       
        Abbuehl: Carla Bley ist seit langem eine meiner Lieblingskomponistinnen. Ihre Musik hat eine sehr starke 
          Individualität, kann aber auch gut interpretiert werden von anderen. Cummings und Bley haben beide eine gewisse 
          Unkonventionalität, eine sehr eigene Sprache. Round Midnight singe ich, weil ich es einfach 
          eine unglaublich starke Komposition finde. Mane na ist eine Komposition in Raga Madhukauns, einer Mitternachts-Raga. 
          Es ist eine Art Nachhall von Round Midnight für mich, da gibt es eine Verbindung, beides 
          sind Nachtlieder. All i need, das Stück von Wolfert, zu dem ich den Text schrieb, ist eine kleine, 
          sehnsuchtsvolle musikalische Geste. Es handelt von der Hoffnung, dass da jemand wäre, der einem alles abnimmt. 
          Die Hoffnung setzt sich über die aufgeklärte Einsicht, dass dem nie so ist, hinweg.  
       
        Interview: Godehard Lutz 
      
      
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