Anzeige

Startseite der Jazzzeitung

Anzeige

Startseite der JazzzeitungZum Archiv der Jazzzeitung (Datenbanken und pdf)Zur Rezensionsdatenbank der JazzzeitungZur Link-Datenbank der JazzzeitungClubs & Initiativen Die Jazzzeitung abonnierenWie kann ich Kontakt zur Jazzzeitung aufnehmen
 

Jazzzeitung

2009/03  ::: seite 13-15

rezensionen

 

Inhalt 2009/03

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig / ABC: Duke Ellington / Farewell: Der Trompeter Dave Burns


TITEL -
Kind Of Blue
Fotoausstellung Werkmeister-Henn im Gasteig


DOSSIER
- JAZZAHEAD 2009
Klasse(n)treffen

Zur jazzahead! 2009: Panels, Konzerte, Ausstellung
Braucht Jazz Konzertvermittlung?
Statements einer Diskussion

Berichte
4Jazzwoche Burghausen // Japanwoche im Bayerischen Hof München // Manfred Bründl im Leeren Beutel in Regensburg // 35 Jahre „Bühne frei im Studio 2“ // Kulturkontor e.V startet ein neues Festival in München // Marshall Allen leitet das beste Arkestra aller Zeiten Vorschau: Saalfelden // 35. Willisau Festival // JazzAscona


Portraits

Efrat Alony // JJ Cale mit neuer CD // Gitarrenbauer Frank Krocker // Matthias Schriefl // Saxophonistin Tina Tandler // Das Münchner Label Pirouet


Jazz heute und Education
Der schwere Stand des Jazz innerhalb der Kulturförderung // Wolf-Dieter Roloff erhielt Louis-Armstrong-Gedächtnispreis // Die Neue Jazzschool München und LOFTmusic fördern den Jazz-Gesangsnachwuchs // Abgehört: J.J. Johnsons Solo über Billie‘s Bounce

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

 

CD-Rezensionen

Michel Petrucciani & H.N. ØPedersen
Live in Copenhagen

Dreyfus Jazz FDM 46050 369312

Der kleine, zerbrechliche große Mann des Jazzpianos, Michel Petrucciani, ist seit mittlerweile zehn Jahren tot. Seitdem vermissen wir ihn und sein stets humorvoll geprägtes, hoch virtuoses Klavierspiel. Das Label Dreyfus hat einen wundervollen Livemitschnitt aus dem Copenhagener Jazzhouse ausgegraben, der 1994 professionell aufgenommen, nun erstmals auf einer Doppel-CD veröffentlicht wird. Dabei handelt es sich nicht um Geschäftemacherei, sondern dokumentiert einen unvergesslichen Abend, der glücklicherweise mitgeschnitten wurde. Auf musikalisch höchstem Niveau entwickelt der mittlerweile leider ebenfalls verstorbene Niels Henning Ørsted Pedersen mit Michel Petrucciani eine Duo-Power, wie man sie selten zu hören bekommt. Als einziger, kleiner Kritikpunkt sei hier angemerkt, dass die Songauswahl bis auf „Future Child“, ein kurzes Stück von N.H. Ø. Pedersen, lediglich Standards umfasst – angesichts der brillanten Eigenkompositionen von Petrucciani zwar schade, aber von diesen grandiosen Musikern gespielte Standards sind trotz allem vollster Hörgenuss. Zusätzlich hat Dreyfus übrigens den Klassiker „Flamingo“ mit Stephane Grappelli neu gemastert und um drei bis dato unveröffentlichte Bonus Stücke ergänzt. Ebenso hat Petruccianis CD „Trio in Tokyo“ zum 10. Jubiläum ein 24bit Mastering erfahren und einen Bonustake spendiert bekommen. Damit haben Petrucciani Fans neben den beiden Reissues endlich wieder einmal etwas Neues zu hören, das klanglich wie inhaltlich allerhöchsten Ansprüchen gerecht wird.
Thomas J. Krebs

Angelika Niescier
Sublim III

Enja Records 2009

Angelika Niescier ist nach eigenem Bekunden unheilbar vom „Coltrane-Virus befallen. Auf diesem Nährboden paart die in Stettin geborene und in Köln lebende Saxofonistin und Komponistin den Geist modaler Improvisation mit ihrer ganz individuellen Ausprägung kompositorischer Raffinesse. „Sublim“ heißt ihr fabelhaftes, 2002 von der Folkwang-Absolventin gegründetes Quartett. Alle Beteiligten sind mannigfaltig in Projekten, Stilrichtungen und Genres unterwegs. Entsprechend scheint jeder Ton auf dem neuen, schlicht „Sublim 3“ betitelten Album von einem weiten Horizont durchdrungen. Trickreich formuliert Angelika Niescier ihre Themen, die trotz mutiger Komplexität mit viel plakativem Wiedererkennungswert strahlen. Höchst treffsicher blitzen immer wieder einschlägige Coltrane-Harmoniefolgen – und auf Alt- sowie phasenweise Sopransaxofon breitet Angelika Niescier eine unerschöpfliche Fülle von atemberaubend rasanten Linien, virtuosen Kadenzen, osteuropäisch angehauchter Melodik und massigen Klangflächen aus. Die Band kann in dieser, oft episch weitgespannten Variabilität konsequent mitgehen – vor allem Pianist Florian Weber bietet dem quirligen Temperament der Bandleaderin gehörig Paroli in ausgiebigen eigenen Soloparts, derweil Sebastian Räther am Bass und Schlagzeuger Christoph Hillmann das rhytmische Feuer auf Höchstlevel halten. Die Einbeziehung des französischen Oud-Spielers Mehdi Haddab symbolisiert zudem die imaginäre wie tatsächliche Reiselust der Bandmitglieder.
Stefan Pieper

Youn Sun Nah
Voyage

ACT

Studenten aus ostasiatischen Ländern sieht man häufig in den Klassik-Fachbereichen deutscher Musikhochschulen. Aber eine koreanische Jazzsängerin gilt noch immer als exotisch. Youn Sun Nah stammt aus Seoul, debütierte im Musical-Fach und lebt heute in Paris. Die 39-Jährige hält ihre Karriere in Frankreich und Korea gleichzeitig am Laufen. „Voyage“ ist Youn Sun Nahs Debüt auf dem deutschen Plattenmarkt, eine sanfte Mischung aus Rock, Pop und Jazz. Vier Songs hat die Sängerin selbst geschrieben; hinzu kommen Coverversionen von Nat King Cole bis zu Tom Waits. Youn Sun Nah studierte erst Französische Literatur, merkte dann aber, dass sie singen wollte. Ihr Bühnendebüt war ausgerechnet eine Hauptrolle in der koreanischen Version des Berlin-Musicals „Linie 1“. Als die Nachwuchssängerin beschloss, in Frankreich Jazz zu studieren, war das ein Sprung ins kalte Wasser – zuhause hatte sie wenig Jazz kennen gelernt; der ist in Korea nicht sehr verbreitet. In Paris angekommen, stürzte sich Youn Sun Nah mit asiatischer Gründlichkeit in die Arbeit: Zu Anfang belegte sie vier musikalische Ausbildungsgänge gleichzeitig. Die neue Platte klingt nun weder nach Frankreich noch nach Korea, sondern hat ein entspanntes skandinavisches Flair. Das liegt nicht nur an Youn Sun Nahs ruhiger, natürlicher Altstimme, sondern auch an den beteiligten Musikern, allen voran zwei Schweden: dem Gitarristen Ulf Wakenius und Lars Danielsson am Bass. Außerdem sind der dezente Perkussionist Xavier Desandre-Navarre und die sanften Trompetenklänge von Mathias Eick zu hören.
Antje Rößler

Nils Wogram’s Lush
Pretty Good News

UNIT UTR 4216

Nicht die Nachricht an sich, sondern die Attraktivität ihrer Verpackung macht sie interessant oder zu „Pretty Good News“ und gibt ihr erwünschten Unterhaltungswert. Zur Vorbereitung auf die Show hat Nils Wogram einen entspannten Vamp im ungeraden Metrum komponiert, dann: Schnitt, und ein parodistischer Hörfilm im Hollywood-Stil beginnt. Maliziöse Ansagen, den Sender nicht zu wechseln und Versprechungen von Sensationen sind als Klanggeräusche in ein vehement swingendes Posaunensolo mit multiphonics eingestreut. Medienkommerz wird von „lush“ (üppig) sprießendem Jazz überlagert. Dessen Lebensenergie findet immer ihren Weg, etwa aus einer von Simone Vollenweider somnambul gesungenen Nachtballade „Into the Warmth“, wo ein Latinrhythmus die elegant improvisierten Posaunen-Linien von Nils Wogram begleitet. Dieses Schema haben die meisten Songs des Albums – einem lyrisches Intro mit intensivem Vokalpart im Duo mit den sehr expressiven Klavierfantasien von Colin Vallon folgt eine ausgedehnte Instrumentalexkursion, oft ins Gebiet neu gemischter Rock- und Elektropatterns. Stimme und Ensemble werden so für „Thinking Of You“ als Stereo-Echos gekoppelt oder per Hall in „Unveiled Depths“ geführt, um sie dann polyrhythmisch aufzuladen. Gute Vibrationen kommen rüber. Erfahrungen aus Jazzrock-Experimenten der 1970er und das Wissen über zeitgemäße Arrangements hat Nils Wogram zu einem feinen Programm für Connaisseurs gemacht, die sich gern an neuen Mustern mit Wiedererkennungseffekt delektieren.
Hans-Dieter Grünefeld

Jens Bunge
Shanghai Blue

Rodenstein Records

Es ist immer wieder erfreulich, ein Album eines Mundharmonika spielenden Jazzsolisten zu hören, ist dieses Instrument in dieser Gattung doch immer noch eine relative Seltenheit. Die Vergleiche mit Toots Thielemans in den Begleittexten der Labels sind von daher mit Vorsicht zu genießen, da sie teilweise deswegen vorkommen, weil es kaum einen anderen der Allgemeinheit bekannten Vertreter dieses Instruments im Jazz gibt. Nichts desto trotz ist Jens Bunge ein hörenswerter Arrangeur und Interpret. Ein Aufenthalt in Shanghai im Jahr 2004 weckte in ihm den Wunsch, eine Platte mit lokalen Musikern einzuspielen, was vier Jahre später dann auch zu Stande kam. Bei den auf „Shanghai Blue“ vorhandenen Tracks handelt es sich größtenteils um beliebte Chinesische oder Süd-Ost-Asiatische Volkslieder beziehungsweise Popsongs, aber in swingenden Arrangements von Bunge. Im Endeffekt klingt die Platte jedoch, von den Lyrics natürlich abgesehen, sehr wenig exotisch. Das mag einerseits enttäuschen, andererseits sollte man dabei auch Bunges Bemühungen, Klischees zu vermeiden (außer in der Grafik des Booklets), begrüßen. Entstanden ist eine sehr sanfte, wohlgesinnte und gut gelaunte Platte, ohne bahnbrechenden Inhalt aber mit hervorragenden Guest-Instrumentalisten aus der Shanghaier Szene bestückt, was für Neugierige sicher Grund genug sein sollte, die Platte zu erwerben.
Cédric Delonc

Baby Bonk
Mama

NRW 2037

Von der Inflation der Bindestrich-Stile fühlt man sich oft verwirrt. Weil Martin Klingeberg (tp, Tenorhorn, electronics, voc), Kalle Kalima (g, voc) und Michael Griener (dr, voc) mit ihrem Trio von so vielen Rampen aus den Bereichen Jazz, Pop und Worldmusic starten, haben sie ihr Konzept kurz Bonk genannt. Was unter anderem bedeutet, etwas (physisch) so zu treffen, dass dadurch ein Widerhall oder auch eine Zuckung entsteht. Nun, die Bonk-Songs zucken sehr frech im gedämpften Trompetenriff beim „Baby Rock“, der eigentlich ein schneller Ska ist und sich oft unmittelbar aggressiv dreht. Nichts geht auf diesem Album geradeaus, denn das Baby „is gonna bonk and jazz you“, singt Martin Klingeberg. Zur Slam poetry passt anarchischer Heavy HipHop mit Wah-Wah-Effekten, „You Know What?“ Und plötzlich denkt man an die Beach Boys zum „Dessert”, aber die eleganten Surfbewegungen werden despektierlich von elektrifizierenden Mäander-Improvisationen unterbrochen, so dass man schließlich beim „Last Christmas” landet, eine verkaterte Ballade. Sogar an Thelonius Monk wird „Depressed” mit Tenorhorn erinnert, doch sein Signum, kantige Themen, wird hier zum schlaksigen Blues mit nörgeligem Gitarrensolo moduliert. Bonk basiert eben auf der Freiheit, Comedy-Gesang und stilistischen Trampolinsprüngen in den Jazzsoli durch überdrehte Chuzpe neue Spielregeln zu geben.
Hans-Dieter Grünefeld

Priscilla Ahn
A Good Day

Blue Note

Priscilla Ahn singt, spielt Gitarre und komponiert. Ihr Debüt-Album „A Good Day“ hat die 24-Jährige mit ebenso eingängigen wie originellen Songs bestückt, die nach Pop, Rock und Folk klingen. Jazzig ist vor allem ihr Gesang. Acht der elf Titel hat das musikalische Multi-Talent selbst geschrieben: duftig dahinschwebende Stücke aus simplen Akkorden, die durch Mundharmonika-Einsprengsel ein sanftes Dylan-Flair bekommen. Den Kern der Musik bildet ein Trio, das neben Priscilla Ahn aus dem Schlagzeuger Joey Waronker und Gus Seyffert an Bass und Gitarre besteht. Die Sängerin greift nicht nur zu Gitarre und Mundharmonika, sondern betätigt auch Klavier, Cembalo, Ukulele, Zither und Glockenspiel – allesamt Instrumente, die sie sich autodidaktisch beigebracht hat. Im Vordergrund steht gleichwohl ihre Stimme, die sie häufig mittels Loop-Maschine vervielfältigt, sodass entrückt wirkende, prächtige Vokalgebirge entstehen. Overdubs mit skurrilen Sounds umkleiden die Songs; Gastmusiker verfeinern die Klangfarbenpalette. Zum Beispiel der Pianist Larry Goldings oder Ursula Knudsun mit ihrer singenden Säge, deren heller Ton durch das Anschlagen mit einem Klöppel oder das Streichen mit einem Bogen hervorgerufen wird. Priscilla Ahn lebt in Los Angeles, hat aber koreanische Vorfahren. Vielleicht liegt es ja an einem gewissen ostasiatischen Understatement, dass – bei aller Farbenpracht – dem Album eine schlichte Eleganz innewohnt.
Antje Rößler

Heather Greene
Sweet Otherwise
BHM 1033-2

Zerzauste Haare und ein lasziver Schlafzimmerblick auf dem Frontfoto ihres Albums weisen schon darauf hin, was „Sweet Otherwise” für Heather Greene bedeutet. Ihre Songs ereignen sich in gedimmter Atmosphäre. Karg, doch effektiv sind die Arrangements, wenn sich aus zwei aufsteigenden Wurlitzer-Akkorden eine aparte Melodie erhebt und sie ruft: „Hey, Wait”. Ja, warten sollte man schon, denn diese Songs fächern sich langsam im flachen Spannungsbogen zu kleinen poetischen Geschichten. Spektakuläre Soli von Bernie Reilly & Brad Craig (g), Gerald Menke (steel g), Dennis Martin (keyb), Mark Rapp (tp) und Mino Gori (dr) haben da keinen Platz, sodass der Puls niedrig bleibt. Doch gerade diese Zurückhaltung und das helle Timbre der zentralen Stimme von Heather Greene sind sympathisch, wirken mit Vibraphon-Tupfern wie gut duftendes Parfüm, wenn „Moon Hangs Fire” oder ein sanftes Jazzgitarrenriff zu “Come And Play” einlädt. In „Space” allerdings gibt es schwüle Erotik, die aufgeregt pulsierend sogar zu „Get Up And Go” auffordert. Wirkliche Krisen finden aber nicht statt, sondern Heather Greene schwenkt gerne mit Bossa Nova-Charme zu „Come And Play”, stellt bei geschmirgeltem Reggae doch wieder die Frage: „Why Don’t You Say Yes?” Mit Einflüssen aus Jazz, Folk, Pop und Latin entwirft Heather Greene ein individuelles Songambiente und erzählt singend von (fiktiven) Beziehungserlebnissen zwischen Club und Bett.
Hans-Dieter Grünefeld

Christy Doran`s New Bag
The Competence of the Irregular

Between the lines 72119/Double Moon

Polit-ironisches Statement oder musik ethnologische Forschungsarbeit? „Green, Red & Brown“ deckt am deutlichsten auf, dass Christy Doran bei aller Verwurzelung im Jazz und Rock der vergangenen Jahrzehnte ein Suchender geblieben ist. Zwar hat auch das entspannteste Stück der inzwischen sechsten Produktion seines Langzeitprojekts „New Bag“ eindeutig europäische Verästelungen, aber mit leisem Lachen zeigt der ethnomusikalische Zauberstab immer wieder nach Afrika. Polyrhythmik, verzwickte Metrik, mächtige Grooves, ein streckenweise halsbrecher-
isches Tempo und ein dämonischer Gesang, der wie ein wilder Ritt durch Himmel und Hölle führt, kennzeichnen auch die übrigen Kompositionen – alle aus Dorans Feder. Nach einem akustischen Album, mit dem verrätselten „Competence …“ wieder ein elektrisches Album, das in seiner üppig-wuchernden Gruppendynamik immer wieder unverwartete Wendungen aufleuchten lässt und so bis zum letzten Takt nie an Spannung verliert. Unregelmäßig, irregulär, ist zum Glück nicht alles, war auf der Scheibe an musikalischen Ideen Platz hat. Wenn aber wuchtige Metal-Riffs und deftige Schlagzeugattacken, angetrieben von peitschenden Keyboardklängen „Heitere Gelassenheit“ simulieren, spielt entweder Assymetrie eine Hauptrolle oder eine gehörige Portion Humor macht sich hier lustvoll Luft. Es ist wohl beides, was Dorans eigensinnige Fusionmusik auszeichnet.
Michael Scheiner

Renaud García-Fons
La Línea del Sur

Enja Records 2009

Er ist Katalane und spielt den Kontrabass – aber Renaud García Fons ist alles andere als ein normaler Jazz-Bassist! Er übertrug Bogentechniken aus Indien oder Arabien auf dieses größte Streichinstrument, dem er eine fünfte Saite hinzufügte. Die Virtuosität und glühende Ausdruckskraft seines Spiels sind auch auf seinem mittlerweile neunten Album - wie gewohnt - über alles erhaben! Der Titel „La línea del sur“ ist hier Programm, denn die Reise geht in leuchtende und zuweilen leidenschaftliche Sphären des mediterranen Kosmos. Als generöser wie unbestechlicher Bandleader behält Renaud García-Fons hier alle Fäden in der Hand. Um Flamenco geht es, auf dem viele der 11 Stücke sehr direkt und gleichzeitig schwelgerisch-melodiös aufbauen. Sängerin Esperanza Fernández besingt zuweilen mit weich strahlendem Timbre das Leben, die Liebe und die Freude. Und es poltern auch die Stakkati, welche Pascal Rollando auf dem Cajon, dem traditionellen, kastenförmigen Schlaginstrument des Flamenco erzeugt. Dazu verbreitet das glasklare Akkordeonspiel von David Venitucci sein strahlendes Musette-Flair – ja, auf dem Weg nach Andalusien kann man auch durch die Provence fahren! In ausgesuchteren Momenten ergreift der Meister selbst das solistische Wort: atemberaubend schraubt es sich bis in höchste Flagoletts hinauf, und der Ton scheint manchmal vor ergreifend bebender Spannung regelrecht zu bersten! Künstlerisch bestechend sind auch die Schwarzweißfotos im Booklet.
Stefan Pieper

Peter Fulda
8 rituals

Konnex Records KCD 5219

Über den Begriff des Jazz und seine Erweiterung ist trefflich zu streiten. Gute Musik ist jedoch gottlob nicht abhängig von Schubladen. Einer, der zwischen den Welten wandern kann, ohne in irgendeiner Weise zu verwischen oder zu verwässern, ist der Fürther Komponist und improvisierende Musiker Peter Fulda, studierter Jazz- und klassischer Pianist. Sein elfter Werkzyklus auf der nunmehr achten CD unter eigenem Namen widmet sich dem Sujet des Rituals. Dabei geht es weniger um ritualisierte Musik als um musikalische Reflexion, die in so dunklen wie warmen Farben aus der Idee des Rituals als „geronnener Geschichte“ schöpft, welche zugleich den Übergang in neue Sphären begleitet. Rituale sind im besten Sinn des Wortes Zeichen der Transzendenz, des Überschreitens von Gegebenem hin auf Neues, Umfassendes. Ganz gegen jedwedes Vorurteil: Nichts für Schubladen, nichts für Grenzposten. Gemeinsam mit Roland Neffe, vib, Dirk Mündelein, g, Henning Sieverts, b, und Bill Elgart, dr, macht sich Peter Fulda auf den Weg in ein vielgestaltiges Universum musikalischen Reichtums, dessen Landschaften ausgelotet und weit über bekannte Gefilde hinaus durchschritten werden. Bei allen Kontrasten, aller Intensität und zuweilen pittoresken Vielfalt, bei allem Wechsel und Wandel bleibt die individuelle Handschrift des Komponisten stets erkennbar, bieten die „5scapes“ und „8rituals“ zugleich einen überaus bemerkenswerten Beitrag dazu, wie eng sich Jazz und Neue Musik im Tanz der Elemente zu umschlingen vermögen.
Tobias Böcker

Chick Corea & John McLaughlin
Five Piece Band Live

Concord Records 0888072313972

Jazzgeschichte geschrieben hat Chick Corea mit der Formation „Return to forever“ und John McLaughlin mit seinem Mahavishnu Orchestra. Gemeinsam waren sie Ende der 60er Jahre Mitglieder der Miles Davis Band, und es sollten fast vierzig Jahre vergehen, bis die beiden seelenverwandten Musiker mit der „Five Piece Band“ endlich ein gemeinsames Bandprojekt auf die Beine stellen. Entsprechend hoch sind die Erwartungen, nun liegt das lang ersehnte Ergebnis in Form einer Live-DoCD vor und kann musikalisch auf höchstem Niveau überzeugen. Kein alter Wein in neuen Schläuchen! Für das Repertoire wurden sowohl von Corea als auch von McLaughlin neue Kompositionen beigesteuert (eben Five Pieces?!).
Außer durch große Virtuosität besticht die Aufnahme vor allem durch die grundlegend spannende Mischung von akustischem und elektrischem Sound. Mit Kenny Garrett, Christian McBride und Winnie Colaiuta ist die Band prominent besetzt und versteht es auf höchstem Niveau zu kommunizieren. Heimlicher Höhepunkt des Albums ist die 20-minütige Version des Klassikers „In a silent way/It’s about time“ mit einem Gastauftritt von Herbie Hancock. Im Übrigen lässt man sich Zeit die wunderbaren Kompositionen vorzutragen; gespielt wird relaxt ohne jede Hektik getreu dem Motto: weniger Noten sind einfach mehr. Themen werden zelebriert, Improvisationen ausgekostet, keiner muss sich etwas beweisen und eine begeisterliche Spielfreude ohne einen Moment der Langeweile beherrscht die gesamte Atmosphäre. That’s it!
Thomas J. Krebs

Lunapark
Upright Acoustic

ATS Records 0677/Vertrieb: Phononet (D), Extraplatte (A), iTunes

Jüngeren wird es nur mehr wenig sagen. In die Jahre gekommene Jazzfans dagegen erinnern sich sicher noch bestens an „Return to forever“, eine frühe Band von Chick Corea mit einem wunderbar leichten federnden Jazzrocksound, und an den Flötisten Jeremy Steig. Mit seinem dritten Album „Upright Acoustic“ knüpft Gerhard Graml mit seiner Band „Lunapark“ an ebendiese Vorbilder an. Lunapark verbindet akustischen Jazz und elektronische Klanglandschaften mit formalen und harmonischen Strukturen europäischer Musik. Schwingende Saiten – Graml (b, comp, arr, kb) und Anne Seufert (p) – treffen auf schwingende Schaltkreise – Leon Gruenbaum (kb, melodica, samchillian tip tip tip cheeee-
peeee) und Gabe Faulkner-Maklin (tapes, electronics). Flöte spielt Sascha Otto. Zwei Schlagzeuger, Hermann Aigner und Christian Zieglwanger, vervollständigen mit ihrem variantenreichen Spiel das transatlantische Ensemble. Flöte und Keyboards spielen eine herausgehobene Rolle bei den neuen Stücken. Lyrische Momente und die Lust an melodischer Entwicklung prägen den Sound Lunaparks, wobei immer wieder auch ein starker Bezug zu den künstlerischen Wegbereitern erkennbar ist. Ausgeklügelte Themen mit allen möglichen Wendungen, rhythmischen und melodischen Finessen, die durchaus auf klaren kompakten Grooves zusammen schnurren können, halten letztendlich nicht das, was sie versprechen: „…von atmosphärischer Tiefe geprägte Musik…“
Michael Scheiner

David Benoit & Various Artists
Jazz for Peanuts. A Retrospective of the Charlie Brown Television
Themes. Concord (Universal)

Seit 1965 Charlie Brown, Snoopy und Co. in bewegten Bildern über die Fernsehschirme zu flimmern begannen, gehört die „Peanuts“-Musik auf kongeniale Weise dazu und begeistert bis heute. Es war der amerikanische Jazzpianist und -komponist Vince Guaraldi, der von Anfang an den richtigen Ton voller Verve traf, sozusagen die „Peanuts-Jazz“-Tradition begründete und diese prägte wie kein anderer. Bis zu seinem frühen Tod im Jahre 1976 schuf er so unvergessliche Stücke wie „You’re in Love, Charlie Brown“ oder „Linus and Lucy“. Diese dürfen demnach auf einer Retrospektive zu mehr als vier Jahrzehnten „Jazz for Peanuts“ nicht fehlen und bilden die perfekte Umrahmung für acht weitere Titel, die im Laufe der Zeit von namhaften Musikern und Komponisten wie David Benoit, Dave Brubeck, Wynton Marsalis, Dave Grusin und anderen für die Comics geschaffen und eingespielt worden sind. Wie aus einem Guss kommt die Zusammenstellung David Benoits daher, der Guaraldi im „Peanuts“-Team als „musikalischer Direktor“ nachgefolgt war und sich dabei als Idealbesetzung und weiterer Glücksfall erwiesen hat. Dies beweist Benoit bei seiner hier vorgelegten Neueinspielung einiger Guaraldi-Stücke (in Triobesetzung mit Piano, Drums & Bass) ebenso wie bei seinen eigenen Kompositionen. Allen Interpretationen und Werken ist der leichte, humorvolle, harmonische und gleichzeitig kunstvolle und hochwertige „Peanuts-Style“ gemeinsam. Damit ist eine rundherum stimmige Retrospektive gelungen.
Birgit A. Liebl


| home | aktuell | archiv | links | rezensionen | abonnement | kontakt | impressum
© alle texte sind urheberrechtlich geschützt / alle rechte vorbehalten / Technik: Martin Hufner